vorgehend VG Mainz, 3 K 1535/15.MZ
Tenor
Unter Aufhebung des Urteils des
Verwaltungsgerichts Mainz vom 16. November 2016 und unter Aufhebung des
Bescheids vom 15. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.
April 2016 wird der Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf
Zulassung einer Abweichung von den Zielen der Raumordnung und Landesplanung
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird
zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten beider
Rechtszüge tragen die Klägerin 3/4, der Beklagte 1/8 und die Beigeladenen
jeweils 1/32. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen
tragen der Beklagte zu 1/8 und die Beigeladenen jeweils zu 1/32. Die
außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen aus beiden
Rechtszügen trägt die Klägerin zu jeweils 3/4. Im Übrigen trägt jeder
Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten
vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die
Beteiligten streiten über die Vereinbarkeit eines von der Klägerin geplanten
Möbelhauses mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung sowie um die
Zulassung einer Abweichung von diesen Zielen.
Die
Klägerin – sowohl im Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz (LEP IV) als
auch im Regionalen Raumordnungsplan Rheinhessen-Nahe (RROP 2014) als
Mittelzentrum ausgewiesen – beabsichtigt, an einem Standort im Gewerbe- und
Industriepark B.-S./G. einen großflächigen Möbeleinzelhandelsbetrieb mit einer
Verkaufsfläche von maximal 45.000 m² (Möbelhaus mit ca. 37.600 m²,
Möbelmitnahmemarkt mit ca. 7.400 m²), davon zuletzt 2.250 m² mit
innenstadtrelevanten Randsortimenten, ansiedeln zu lassen.
Der
vorgesehene Standort ist im Flächennutzungsplan bislang als gewerbliche
Baufläche und im Bebauungsplan als Gewerbe- bzw. Industriegebiet ausgewiesen.
Im Einzelhandelskonzept der Klägerin ist er hingegen – in Abstimmung mit der
Planungsgemeinschaft Rheinhessen-Nahe – als Ergänzungsstandort für
großflächigen Einzelhandel im Sinne des Ziels 59 LEP IV vorgesehen. Die
Klägerin möchte den Standort des geplanten Möbeleinzelhandels nunmehr im Wege
einer Änderung des Flächennutzungsplans als Sonderbaufläche „großflächiger
Einzelhandel“ ausweisen. In einem Parallelverfahren soll der Bebauungsplan „Gewerbe-
und Industriepark B. a. R. und G.“ entsprechend geändert werden.
Nach
Vorgesprächen mit Vertretern der Planungsgemeinschaft Rheinhessen-Nahe sowie
der unteren und oberen Landesplanungsbehörde fasste der Stadtrat der Klägerin
am 22. Juli 2014 den Beschluss, den ins Auge gefassten Standort des Möbelhauses
im Wege einer Änderung des Flächennutzungsplans als „Sondergebiet für den
großflächigen Einzelhandel, Zweckbestimmung Möbelhaus“ auszuweisen. Zugleich
wurde beschlossen, zur Ansiedlung des Möbelhauses eine Abweichung von den
Zielen der Landes- und Regionalplanung zu beantragen.
Demgemäß
beantragte die Klägerin Mitte August 2014 bei dem Beklagten die Durchführung
eines Raumordnungsverfahrens, verbunden mit der Zulassung einer Abweichung von
den Zielen der Raumordnung und Landesplanung (Ziel 58 LEP IV, Ziele 2 bis 4 des
damals noch gültigen RROP 2004). Dem Antrag war unter anderem eine
Auswirkungsanalyse der B. H. GmbH beigefügt. Diese Analyse kam zu dem Ergebnis,
dass ausgehend von einer durchschnittlichen Flächenproduktivität von 1.800,00
€/m² (Worst-Case-Szenario) an dem geplanten Standort ein Möbeleinzelhandel mit
einer Fläche von ca. 45.000 m² Verkaufsfläche – davon 4.085 m² für
innenstadtrelevante Sortimente – mit dem Zentralitätsgebot (Ziel 57 LEP IV),
dem städtebaulichen Integrationsgebot/Ergänzungsstandorte (Ziele 58, 59 LEP IV)
sowie mit dem Nichtbeeinträchtigungsgebot (Ziel 60 LEP IV) in Einklang stehe.
Insbesondere sei keine wesentliche Beeinträchtigung der Versorgungsfunktion der
städtebaulich integrierten Bereiche der Klägerin und der Versorgungsbereiche
benachbarter zentraler Orte zu erwarten.
Im
Rahmen des Zielabweichungsverfahrens holte der Beklagte eine gutachterliche
Stellungnahme des Büros „Dr. A. S.- und R.“ zu dieser Auswirkungsanalyse ein.
Der weitere Gutachter kritisierte unter anderem, dass die in der
Auswirkungsanalyse der B. als Worst-Case-Wert zugrunde gelegte
Flächenproduktivität von 1.800,00 €/m² deutlich zu niedrig angesetzt sei.
Realistischerweise sei ein Flächenleistungsansatz von 2.800,00 €/m² in Anschlag
zu bringen. Danach sei ein Vorhaben mit maximal 22.000 m² Verkaufsfläche, davon
2.000 m² für innenstadtrelevante Sortimente, als raumverträglich anzusehen.
Hiervon
ausgehend ließ der Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 – unter
Ablehnung des Antrags im Übrigen – eine Abweichung von Z 58 LEP IV und Z 46
RROP 2015 für die 1. Änderung des Flächennutzungsplans in Verbindung mit der 3.
Änderung des Bebauungsplans „Gewerbe- und Industriepark B. a. R. und G.“ mit
der Maßgabe zu, dass die Gesamtverkaufsfläche des geplanten Möbeleinzelhandels
auf maximal 22.000 m² festzulegen und der Anteil der innenstadtrelevanten
Sortimente auf insgesamt 2.000 m² zu begrenzen sei. Der hiergegen erhobene
Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2016
zurückgewiesen.
Schon
zuvor hatte die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben. Sie beantragte
festzustellen, dass die Darstellung eines Sondergebiets mit der Zweckbestimmung
großflächiger Möbeleinzelhandel im Flächennutzungsplan mit einer Obergrenze der
Verkaufsfläche von 45.000 m², davon 2.250 m² für innenstadtrelevante
Randsortimente, nicht gegen Ziele der Raumordnung aus dem
Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz (LEP IV) – insbesondere nicht gegen
die Ziele Z 58, Z 59 und Z 60 – und auch nicht gegen Ziele des Regionalen
Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2014 verstoße. Hilfsweise beantragte sie,
den Beklagten zu verpflichten, für die Darstellung eines Sondergebiets mit der
Zweckbestimmung großflächiger Möbeleinzelhandel mit einer Obergrenze der
Verkaufsfläche von 45.000 m², davon 2.250 m² für innenstadtrelevante
Randsortimente, eine Abweichung von dem Ziel Z 58 LEP IV und Z 17 RROP des
Regionalen Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2014 zuzulassen.
Diese
Klage wies das Verwaltungsgericht Mainz mit Urteil vom 16. November 2016 ab.
Die Planung der Klägerin verstoße gegen das in Ziel Z 58 LEP IV enthaltene
Integrationsgebot, weil der großflächige Möbeleinzelhandelsmarkt mit einer
Verkaufsfläche von 2.250 m² für innenstadtrelevante Sortimente nicht in einem
städtebaulich integrierten Bereich verwirklicht werden solle. Eine andere
Beurteilung ergebe sich auch nicht aus einer Zusammenschau mit dem Ziel Z 59
LEP IV. Die Planung der Klägerin für einen Möbeleinzelhandelsmarkt mit einer
die Grenze zur Großflächigkeit um das fast Dreifache übersteigenden
Verkaufsfläche für innenstadtrelevantes Angebot überschreite deutlich das Maß
dessen, was nach dieser Bestimmung als Fläche für innenstadtrelevante
Sortimente außerhalb integrierter Lagen zulässig sei. Des Weiteren verletze die
Planung der Klägerin auch das Ziel 46 Satz 1 des Regionalen Raumordnungsplans
Rheinhessen-Nahe 2015 (RROP). Die Klägerin plane die Ausweisung eines
Sondergebiets „Großflächiger Einzelhandel“ auf einer mit dem Bebauungsplan
„Gewerbe- und Industriepark B. a. R. und G.“ bislang als Gewerbe- bzw.
Industriegebiet festgesetzten Fläche. Dies widerspreche dem Ziel Z 46 Satz 1
RROP. Auch die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Zulassung einer
Zielabweichung habe in dem beantragten Umfang keinen Erfolg. Die begehrte
Abweichung von Ziel 58 Z LEP IV und Ziel Z 17 RROP 2015 sei unter
raumordnungsrechtlichen Gesichtspunkten weder im Hinblick auf Ziel 58 LEP IV
noch hinsichtlich des Ziels Z 17 bzw. Z 46 RROP 2015 vertretbar. Jedenfalls
aber würden durch die Zulassung einer Zielabweichung in der von der Klägerin
begehrten Größenordnung das Landesentwicklungsprogramm sowie der regionale
Raumordnungsplan in ihren Grundzügen berührt.
Mit
der Berufung macht die Klägerin unter anderem geltend, die Darstellung bzw.
Festsetzung eines Sondergebiets für großflächigen Möbeleinzelhandel sei –
entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – mit den Zielen der
Raumordnung aus dem Landesentwicklungsprogramm sowie dem Regionalen
Raumordnungsplan Rheinhessen-Nahe vereinbar. Zu Unrecht habe das
Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen das Integrationsgebot aus Ziel Z 58 LEP
IV angenommen. Einzelhandelsbetriebe mit nicht innenstadtrelevantem Kernsortiment
seien grundsätzlich nicht an das Integrationsgebot gebunden, und zwar auch dann
nicht, wenn sie innenstadtrelevante Randsortimente führten. Hierfür spreche
namentlich der Zusammenhang zwischen Ziel Z 58 und Ziel Z 59 LEP IV, welches
großflächige Einzelhandelsbetriebe mit nicht innenstadtrelevanten Sortimenten
auch an Ergänzungsstandorten zulasse. Wenn Ziel Z 59 LEP IV innenstadtrelevante
Sortimente an solchen Ergänzungsstandorten als Randsortimente auf eine
innenstadtverträgliche Größenordnung begrenze, so stelle die Regelung nicht auf
eine typisierende Betrachtung in Anlehnung an die Regelvermutung aus § 11 Abs.
3 Satz 3 Baunutzungsverordnung – BauNVO – ab, sondern verlange eine Prognose
der konkreten Auswirkungen. Etwas Anderes ergebe sich – entgegen der Auffassung
des Verwaltungsgerichts – weder aus einer an Sinn und Zweck orientierten
Auslegung des Ziels Z 58 LEP IV noch aus der Zusammenschau mit Ziel Z 59 LEP
IV. Das geplante Möbelhaus sei bei dieser zutreffenden Auslegung der Ziele Z 58
und Z 59 LEP IV auch mit Ziel Z 59 LEP IV vereinbar. Tatsächlich seien bei
ihrer Planung die innenstadtrelevanten Randsortimente mit einer Verkaufsfläche
von 2.250 m² auf eine innenstadtverträgliche Größenordnung begrenzt. Dies zeige
namentlich das Gutachten der B. GmbH. Die Stellungnahme des Büros Dr. A. habe
mit 2.800,00 €/m² eine überhöhte Flächenproduktivität angesetzt. Mittlerweile
sei bekannt, dass an dem Standort eine Ansiedlung von X. geplant sei, der eine
durchschnittliche Flächenproduktivität von 1.320,00 bis 1.350,00 €/m² habe.
Selbst bei den überhöhten Werten komme das Gutachten Dr. A. indes noch dazu,
dass das Randsortiment mit 2.250 m² innenstadtverträglich sei. Die Planung sei
auch mit dem Konzentrationsgebot aus Ziel Z 57 LEP IV sowie mit dem
Nichtbeeinträchtigungsgebot aus Ziel Z 60 LEP IV vereinbar. Bei dem reduzierten
Umfang an zentrenrelevanten Randsortimenten von 2.250 m² seien keine
wesentlichen Beeinträchtigungen zentraler Versorgungsbereiche zu erwarten.
Gleiches gelte für das Hauptsortiment. Umsatzverlagerung gegenüber
Wettbewerbsbetrieben in den zentralen Versorgungsbereichen seien auch insoweit
nur in geringem Umfang zu erwarten. Einen über die zentralen
Versorgungsbereiche hinausgehenden Schutz benachbarter zentraler Orte vor Beeinträchtigungen
durch Einzelhandelsgroßprojekten mit nicht innenstadtrelevantem Hauptsortiment
gewähre das Landesentwicklungsprogramm mangels eines über Ziel Z 57 LEP IV
hinausgehenden Kongruenzgebots nicht. Die an dem Einzelhandelserlass
Baden-Württemberg orientierte Stellungnahme des Büros Dr. A. gehe daher fehl.
Selbst wenn man aber den Schwellenwert eines Umsatzverlustes von 20 Prozent
nicht nur auf die zentralen Versorgungsbereiche, sondern auf sämtliche
Standorte beziehe, so sei nach dem Gutachten der B. GmbH ein Verstoß gegen das
Nichtbeeinträchtigungsgebot ausgeschlossen. Die Stellungnahme des Büros Dr. A.
sei auch insoweit unter anderem wegen der deutlich übersetzten
Flächenproduktivität sowie aufgrund fehlerhafter Annahmen zu
Umsatzumverlagerungen nicht tragfähig. Auch ein Verstoß gegen Ziel Z 46 RROP
2014 liege nicht vor. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts verbiete Ziel Z
46 RROP 2014 die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit
innenstadtrelevanten Sortimenten auf festgesetzten Industrie- und
Gewerbeflächen schlechthin. Hieraus ergebe sich indes ein Konflikt mit den
Zielen Z 58 und Z 59 LEP IV, die solche Vorhaben an Ergänzungsstandorten
zuließen. Die Träger der Regionalplanung seien an die Ziele höherstufiger
Raumordnungspläne indes gebunden. Aber auch unabhängig hiervon treffe die
Auslegung des Verwaltungsgerichts nicht zu. Insbesondere wiesen nach ihrem
Wortlaut weder Satz 1 noch Satz 2 des Ziels Z 46 RROP 2014 einen eigenständigen
Regelungsgehalt auf, der über die Vorgaben der Baunutzungsverordnung
hinausgehe. Vorranggebiete für Industrie und Gewerbe seien in dem regionalen
Raumordnungsplan ausdrücklich nicht festgelegt worden. Auch wenn das
Verwaltungsgericht meine, Satz 2 des Ziels Z 46 RROP 2014 könne nicht als
Ausnahmeregelung zu Satz 1 verstanden werden, so überzeuge dies nicht. Das Ziel
Z 46 RROP 2014 sei letztlich verunglückt. Eine widerspruchsfreie Aussage lasse
sich ihm nicht entnehmen. Schließlich habe das Verwaltungsgericht auch den
Hilfsantrag zu Unrecht abgewiesen. Dabei habe es angenommen, für die
raumordnerische Vertretbarkeit komme es darauf an, ob ein Härtefall vorliege.
Dies stehe im Widerspruch zur obergerichtlichen Rechtsprechung, die darauf
abstelle, ob die in Rede stehende Zielabweichung mit Blick auf den Zweck des
Ziels planbar gewesen wäre. Nach diesem Maßstab sei eine Abweichung vom
Integrationsgebot raumordnerisch vertretbar. Entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts berühre die beantragte Zielabweichung auch nicht die
Grundzüge der Planung.
Die Klägerin
beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz
vom 16. November 2016 festzustellen, dass die Darstellung eines Sondergebiets
mit der Zweckbestimmung großflächiger Möbeleinzelhandel in ihrem
Flächennutzungsplan mit einer Obergrenze der Verkaufsfläche von 45.000 m²,
davon 2.250 m² für innenstadtrelevante Randsortimente (davon maximal 920 m²
Haus- und Heimtextilien, 1.150 m² Lampen, Leuchten, 760 m² Glas, Porzellan,
Keramik, Haushaltswaren, 720 m² Bilder/-Rahmen, Deko-/Geschenkartikel, 170 m²
Babyerstausstattung, 365 m² Aktionswaren) auf dem Grundstück Gemarkung S.
Flurstück .../., Flur ..., Gemarkung S., Ecke G.-S.-Straße/L.-Q.-Straße nicht
gegen Ziele der Raumordnung aus dem Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz
(LEP IV) – insbesondere die Ziele Z 58, Z 59 und Z 60 – sowie gegen Ziele des
Regionalen Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2014 verstößt,
hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des
Verwaltungsgerichts Mainz vom 16. November 2016 sowie unter Aufhebung des
Bescheids vom 15. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.
April 2016 zu verpflichten, auf ihren Antrag vom 11. August 2014 für die
Darstellung des Sondergebiets mit der Zweckbestimmung großflächiger
Möbeleinzelhandel mit einer Obergrenze der Verkaufsfläche von 45.000 m², davon
2.250 m² für innenstadtrelevante Randsortimente (davon maximal 920 m² Haus- und
Heimtextilien, 1.150 m² Lampen, Leuchten, 760 m² Glas, Porzellan, Keramik,
Haushaltswaren, 720 m² Bilder/-Rahmen, Deko-/Geschenkartikel, 170 m²
Babyerstausstattung, 365 m² Aktionswaren) auf dem Grundstück Flurstück .../.,
Flur ..., Gemarkung S., Ecke G.-S.-Straße/L.-Q.-Straße, eine Abweichung von dem
Ziel Z 58 aus dem LEP IV und Ziel Z 17 und 46 des Regionalen Raumordnungsplans
Rheinhessen-Nahe 2014 zuzulassen.
Der
Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie
sind der Berufung schriftsätzlich und auch in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat im Einzelnen entgegengetreten.
Der
Beklagte trägt namentlich vor, das Ziel Z 58 LEP IV greife entgegen der
klägerischen Auffassung ein, weil es eben nicht nur großflächige
Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Kernsortimenten, sondern auch
solche Betriebe erfasse, die neben einem nicht innenstadtrelevanten
Kernsortiment ein innenstadtrelevantes Randsortiment anböten. Dies ergebe sich
sowohl aus dem Wortlaut der Zielvorgabe als auch aus ihrem Sinn und Zweck sowie
der Systematik. Selbst wenn man indes von einer Nichtanwendbarkeit des Ziels Z 58
LEP IV ausgehe, so verstoße die klägerische Planung zumindest gegen das Ziel Z
59 Satz 3 LEP IV. Denn die geplanten innenstadtrelevanten Randsortimente
überstiegen mit 2.250 m² die Schwelle der Großflächigkeit um fast das
Dreifache. Von einer innenstadtverträglichen Größenordnung könne daher keine
Rede sein. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht auch einen Verstoß der
klägerischen Planung gegen Ziel Z 45 Satz 1 RROP 2014 angenommen. Die
Zielvorgabe solle nach ihrem Sinn und Zweck in erster Linie einen Verdrängungswettbewerb
zu Lasten des produzierenden Gewerbes vermeiden. Dieser würde jedoch gerade
eröffnet, wenn man der klägerischen Rechtsauffassung folge, wonach ein
selbständiger Regelungsgehalt insoweit fehle. Ziel Z 45 Satz 2 RROP 2014 stelle
auch keine Ausnahmeregelung dar, welche die Umplanung von Industrie- und
Gewerbeflächen zu Sondergebietsflächen im Wege kommunaler Bauleitplanung
legitimiere. Denn andernfalls liefe die Zielvorgabe des Ziels Z 45 Satz 1 RROP
2014 leer. Auch der Hilfsantrag der Klägerin auf Zulassung einer weitergehenden
Zielabweichung sei vom Verwaltungsgericht zutreffend als unbegründet angesehen
worden. Eine Zielabweichung sei raumordnerisch nicht vertretbar, wenn sie – wie
hier – gegen das Beeinträchtigungsverbot des Ziels Z 60 LEP IV verstoße.
Außerdem berühre eine weitergehende Zielabweichung die Grundzüge der Planung
und sei auch deshalb unzulässig. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend
festgestellt, dass die Realisierung eines großflächigen
Möbeleinzelhandelsmarktes mit innenstadtrelevanten Randsortimenten über das
zugelassene Maß hinaus insbesondere das Integrationsgebot wesentlich tangiere.
Der
Beklagte hat im Berufungsverfahren eine weitere sachverständige Stellungnahme
des Büros Dr. A. zu den Auswirkungen des geplanten Möbelhauses auf den
Einzelhandel namentlich im Stadtgebiet der Klägerin selbst sowie im Bereich der
Beigeladenen zu 2.) vorgelegt. Hierin werden die schon in der früheren
Stellungnahme erhobenen methodischen Einwände gegen das Gutachten der B. GmbH
erneuert und gegen die zwischenzeitliche Kritik der Klägerin verteidigt. Eine
Vergleichsberechnung mit einer Flächenproduktivität von 2.229,00 € pro
Quadratmeter führe bei einer weit möglichen Bereinigung der methodischen Mängel
ebenfalls zum Ergebnis der Unverträglichkeit namentlich im Hinblick auf den
Einzelhandel der Beigeladenen zu 2. Dasselbe gelte, wenn man den
durchschnittlichen Umsatzwert von 2.229,00 € pro Quadratmeter nochmals linear
um 20 Prozent absenke.
Die
Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung insgesamt sechs Hilfsbeweisanträge
zu den Auswirkungen des geplanten Möbelhauses auf den Einzelhandel im
Einzugsbereich, insbesondere im Gebiet der Beigeladenen zu 2.), gestellt. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung
Bezug genommen.
Die
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der
Gerichtsakte mit den zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen sowie
aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten. Diese Unterlagen waren Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die
Berufung hat teilweise Erfolg.
Zwar
hat das Verwaltungsgericht die Klage im Hauptantrag zu Recht als unbegründet
abgewiesen (A.). Auf den Hilfsantrag war der Beklagte indes – unter Abweisung
der Klage im Übrigen – zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf
Zulassung einer Abweichung von den Zielen der Raumordnung und Landesplanung erneut
zu entscheiden (B.).
A.
Die
Klage bleibt im Hauptantrag ohne Erfolg.
Dabei
versteht der Senat den Antrag so, dass die Klägerin festgestellt wissen will,
dass ihre Planung gegen keines der genannten Ziele des
Landesentwicklungsprogramms Rheinland-Pfalz – LEP IV – und des Regionalen
Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2014 – RROP 2014 – verstößt mit der Folge,
dass die Klage im Hauptantrag schon dann erfolglos bleiben muss, wenn nur eines
der in Rede stehenden Ziele der Planung entgegensteht.
Der
Klägerin geht es mit ihrem Hauptantrag letztlich darum, ihre Planung
durchführen zu können, ohne auf die vorherige Zulassung einer Zielabweichung
durch den Beklagten angewiesen zu sein. Dies kann sie in der gegebenen
Situation nur mittels der gerichtlichen Feststellung erreichen, dass keines der
Ziele des LEP IV und des RROP 2014 ihrer Planung entgegensteht.
I.
Die so
verstandene Feststellungsklage ist unbegründet. Denn die Planung der Klägerin
steht jedenfalls im Widerspruch zu den Zielen Z 58 und Z 59 LEP IV.
1.
Nach
dem sogenannten städtebaulichen Integrationsgebot des Ziels Z 58 Satz 1 LEP IV
ist die Ansiedlung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit
innenstadtrelevanten Sortimenten nur in städtebaulich integrierten Bereichen,
das heißt in Innenstädten sowie in Stadt- und Stadtteilzentren, zulässig.
Dieses
Integrationsgebot gilt ausnahmslos für alle großflächigen Einzelhandelsbetriebe
mit innenstadtrelevanten Sortimenten unabhängig davon, ob es sich bei den
innenstadtrelevanten Sortimenten um Kern- oder um Randsortimente handelt.
Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut des Ziels Z 58 LEP IV als auch der
systematische Zusammenhang mit Ziel Z 59 LEP IV, namentlich mit dessen Satz 3.
Anders
als Ziel Z 59 LEP IV – das in seinem Satz 3 ausdrücklich von Randsortimenten spricht
– differenziert Ziel Z 58 LEP IV nicht zwischen Kern- und Randsortimenten,
sondern spricht ganz allgemein und unterschiedslos von innenstadtrelevanten
Sortimenten. Schon dies spricht dafür, dass Ziel Z 58 LEP IV
innenstadtrelevante Sortimente unabhängig davon erfassen will, ob es sich dabei
um Kern- oder Randsortimente handelt.
Hinzu
kommt, dass Ziel Z 59 LEP IV großflächige Einzelhandelsbetriebe mit nicht
innenstadtrelevanten (Kern-) Sortimenten „auch“ an Ergänzungsstandorten für
zulässig erklärt. Mit dieser Formulierung („auch“) nimmt Ziel Z 59 LEP IV auf
Ziel Z 58 LEP IV Bezug und verdeutlicht, dass auch großflächige
Einzelhandelsbetriebe mit nicht innenstadtrelevantem Kernsortiment „in erster
Linie“ in städtebaulich integrierten Bereichen angesiedelt werden sollen und
daneben – also „auch“ – an Ergänzungsstandorten.
Allerdings
enthält das Ziel Z 58 LEP IV mit seinem allgemeingültigen Integrationsgebot für
großflächige Einzelhandelsbetriebe lediglich eine Grundregel, die
verständigerweise nur im Zusammenhang mit der Ausnahme in Ziel Z 59 LEP IV
gelesen werden kann. Danach sind großflächige Einzelhandelsbetriebe mit nicht
innenstadtrelevanten Sortimenten – wie bereits gesagt – auch an
Ergänzungsstandorten der zentralen Orte zulässig. Dabei sind
innenstadtrelevante Sortimente allerdings als Randsortimente auf eine
innenstadtverträgliche Größenordnung zu beschränken.
Der
Begriff der „Randsortimente“ und die „innenstadtverträgliche Größenordnung“
werden in der Begründung zu den Zielen Z 58 bis 60 LEP IV konkretisiert (vgl.
BayVGH, Beschluss vom 3. Januar 2013 – 1 NE 12.2151 – juris, Rdn. 5).
Aus
der Begründung zu Z 59 LEP IV ergibt sich, dass „innenstadtrelevante
Randsortimente“ in der Regel nicht mehr als 10 Prozent der Verkaufsflächen
umfassen sollen. Zur „innenstadtverträglichen Größenordnung“ heißt es in der
Begründung zu Ziel Z 60 LEP IV, als Anhaltspunkt für die Beschränkung
innenstadtrelevanter Sortimente als Randsortimente könne zum Beispiel die Schwelle
der Großflächigkeit dienen.
Ein
Randsortiment im Sinne des Ziels Z 59 Satz 3 darf also – um als solches zu
gelten – in der Regel nicht mehr als zehn Prozent der Gesamtverkaufsfläche
umfassen. In besonderen Fällen kann diese relative Grenze für ein Randsortiment
aber auch über oder unter der Zehn-Prozent-Marke liegen. Von einem solchen
besonderen Fall kann indes nur dann ausgegangen werden, wenn hinreichende
tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass trotz einer Unterschreitung der
Zehn-Prozent-Marke kein Randsortiment mehr vorliegt oder umgekehrt. Fehlen
hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte hierfür, so muss es aus Gründen der
Verwaltungspraktikabilität bei dem von der Zehn-Prozent-Grenze vorgegebenen
Ergebnis bleiben.
Um
eine in ihrer Wirkungsweise ähnliche Regelgrenze handelt es sich bei der
Schwelle der Großflächigkeit, nach der sich die „innenstadtverträgliche
Größenordnung“ im Sinne des Ziels Z 59 Satz 3 LEP IV bemisst. Danach kann von
einer Innenstadtunverträglichkeit in der Regel ausgegangen werden, wenn die
Verkaufsfläche für innenstadtrelevante Sortimente 800 m² und damit die Schwelle
der Großflächigkeit überschreitet. Bestehen hingegen hinreichende tatsächliche
Anhaltspunkte dafür, dass eine Innenstadtunverträglichkeit bereits bei einer
Verkaufsfläche von weniger als 800 m² vorliegt oder bei mehr als 800 m² nicht
vorliegt, so kann sich die Regelgrenze im Einzelfall entsprechend verschieben
(vgl. zum Begriff der Großflächigkeit: BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 – 4
C 10.04 – juris; auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,
Baugesetzbuch 130. Ergänzungslieferung (August 2018), § 11 BauNVO Rdn. 53 c mit
Rechtsprechungsnachweisen).
Für
diese Auslegung des Ziels Z 59 LEP IV spricht nicht nur die oben bereits
zitierte Begründung, sondern auch der systematische Zusammenhang mit Ziel Z 60 LEP
IV. Die konkreten Auswirkungen eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs,
namentlich die Frage, ob dieser die Versorgungsfunktion der städtebaulich
integrierten Bereiche der Standortgemeinde oder die der Versorgungsbereiche
benachbarter zentraler Orte wesentlich beeinträchtigt, ist ohnehin stets zu
prüfen, und zwar im Rahmen des Ziels Z 60 LEP IV. Wäre auch für die
innenstadtverträgliche Größenordnung im Sinne des Ziels Z 59 Satz 3 LEP IV
stets auf die konkreten Auswirkungen des Vorhabens abzustellen, so wäre das
Merkmal neben Ziel Z 60 LEP IV praktisch funktionslos.
Vor
allem aber spricht für die hier vertretene Auslegung des „Randsortiments“ und
der „innenstadtverträglichen Größenordnung“ als Regelgrenzen die bessere verwaltungspraktische
Handhabbarkeit. Denn im Regelfall lässt sich so die Frage eines Verstoßes gegen
die Ziele Z 58 und Z 59 LEP IV einfach und ohne aufwändige Untersuchungen zu
den konkreten Auswirkungen eines Vorhabens beantworten.
2.
Hiervon
ausgehend verstößt die Planung der Klägerin gegen die Ziele Z 58 und Z 59 LEP
IV. Die Größe des zuletzt geplanten und hier in Rede stehenden
innen-stadtrelevanten Randsortiments übersteigt mit 2.250 m² die Regelgrenze
von 800 m² um annähernd das Dreifache.
Hinreichende
Anhaltspunkte dafür, dass die geplanten innstadtrelevanten Sortimente sich
gleichwohl – also trotz der erheblichen Regelwertüberschreitung – in den
Grenzen einer innenstadtverträglichen Größenordnung halten, bestehen nicht.
Solche
Anhaltspunkte ergeben sich namentlich nicht aus der Auswirkungsanalyse der B.
GmbH vom März/April 2014, die selbst bei einer Verkaufsfläche von 4.085 m² für
innenstadtrelevante Sortimente relevante Auswirkungen auf die integrierten
Versorgungsstrukturen ausgeschlossen hatte. Das Büro Dr. A. hat gegen dieses
Gutachten in zwei Stellungnahmen methodische Bedenken geltend gemacht, die
dessen Aussage- und Beweiskraft nach Auffassung des Senats im vorliegenden
Zusammenhang ernsthaft erschüttern.
Aber
auch die beiden Stellungnahmen des Büros Dr. A. bieten keine hinreichenden
Anhaltspunkte dafür, dass die Regelgrenze einer innenstadtverträglichen
Größenordnung von 800 m² vorliegend einer Verschiebung bedürfte. Hierfür sind
auch diese beiden Stellungnahmen nicht ausreichend tragfähig. Das Büro Dr. A.
selbst weist in seiner ersten Stellungnahme vom 23. Juli 2015 darauf hin, dass
bei allen seinen Berechnungen die selbst formulierten methodischen
Mindeststandards nicht eingehalten werden konnten (vgl. S. 2 der Stellungnahme)
und dass in einem gegebenenfalls durchzuführenden Bebauungsplanverfahren die
weiterhin bestehenden Mängel bzw. Ungenauigkeiten ihrer Berechnungen aufgehoben
werden müssten (vgl. S. 29 der Stellungnahme).
Die
Planung der Klägerin steht mithin im Widerspruch zu den Zielen Z 58 und Z 59
LEP IV.
3.
Kein
Konflikt mit Zielen der Raumordnung und Landesplanung besteht hingegen im
Hinblick auf Z 45 RROP 2014 (ehemals Z 46 RROP 2014).
Denn
bei dieser Bestimmung handelt es sich – bei verständiger Würdigung – schon
nicht um ein „Ziel“ der Raumordnung und Landesplanung.
Ziele
der Raumordnung sind gemäß § 3 Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben in Form von
räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung
abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in
Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums (vgl.
hierzu Urteil des Senats vom 6. Mai 2009 – 1 C 10970/08.OVG – juris, Rdn. 42
mit weiteren Nachweisen).
Die
Vorschrift des Z 45 RROP 2014 enthält keine sachlich hinreichend bestimmte oder
bestimmbare Festlegung in diesem Sinne.
Nach Z
45 Satz 1 RROP 2014 ist die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben
mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf Industrie- und Gewerbeflächen nicht gestattet.
Hierfür sollen – nach Satz 2 der Bestimmung – die planerischen Voraussetzungen
(Sondergebiete) geschaffen werden, in denen die Zweckbestimmung und Art der
Nutzung geregelt ist (§ 11 BauNVO).
Auf
den ersten Blick wiederholt Z 45 RROP 2014 damit lediglich Vorgaben der
Baunutzungsverordnung. Schon aus § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung – BauNVO –
ergibt sich, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe in Gewerbe- und
Industriegebieten unzulässig sind und stattdessen in Kern- oder in für sie
festgesetzten Sondergebieten angesiedelt werden sollen.
Auch
die Begründung zu Z 45 RROP 2014 vermittelt der Festlegung keinen bestimmten
oder bestimmbaren Gehalt, der über das bereits gesetzlich – in der
Baunutzungsverordnung – Festgelegte hinausgeht. In der Begründung heißt es,
Einzelhandel mit innenstadtrelevantem Sortiment sei in Gewerbegebieten nicht
zulässig und in erster Linie innerhalb des zentralen Versorgungsbereiches
anzusiedeln. Bestehende Bebauungspläne sollten dies berücksichtigen und seien
gegebenenfalls anzupassen.
Hieraus
kann namentlich nicht gefolgert werden, dass Gewerbe- und Industriegebiete
durch Bebauungsplanänderungen nicht in Sondergebiete für großflächigen
Einzelhandel umgewandelt werden dürften. Hierzu ist die Begründung auch selbst
zu unbestimmt, wenn sie – stark relativierend – davon spricht, dass bestehende
Bebauungspläne „berücksichtigen“ sollten, dass Einzelhandel mit
innenstadtrelevantem Sortiment „in erster Linie“ innerhalb des zentralen
Versorgungsbereiches anzusiedeln sei, und „gegebenenfalls“ anzupassen seien.
Z 45
RROP 2014 kann auch nicht – gleichsam raumordnungsrechtlich – dahingehend
ausgelegt werden, dass er die Ausweisung von Sondergebieten für großflächigen
Einzelhandel auf Flächen verbietet, die im regionalen Raumordnungsplan selbst –
etwa durch Z 17 RROP 2014 – für Gewerbe oder Industrie vorgesehen sind.
Hiergegen spricht insbesondere Satz 2 des Z 45 RROP 2014, welcher die Schaffung
von Sondergebieten für großflächigen Einzelhandel im Wege der Bauleitplanung gerade
erlaubt.
B.
Im
Hilfsantrag hat die Klage hingegen teilweise Erfolg.
I.
Die
Erweiterung des Hilfsantrags um die Abweichung von Z 45 RROP 2014 ist als
sachdienliche Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO
– zulässig. Allerdings geht der Antrag insoweit ins Leere, weil es Z 45 RROP
2014 – nach dem Vorgesagten – an der Zielqualität fehlt und es daher der
Zulassung einer Zielabweichung nicht bedarf.
II.
Der
Klägerin steht ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Zielabweichung
zu.
Gemäß
§ 6 Abs. 2 Raumordnungsgesetz – ROG – in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3 Satz 1 und
10 Abs. 6 Satz 1 Landesplanungsgesetz – LPlG – kann die obere
Landesplanungsbehörde die Abweichung von Zielen des Landesentwicklungsprogramms
sowie des regionalen Raumordnungsplans zulassen, wenn eine solche
Zielabweichung aufgrund veränderter Tatsachen und Erkenntnisse unter
raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und das
Landesentwicklungsprogramm bzw. der regionale Raumordnungsplan in seinen
Grundzügen nicht berührt wird.
1.
§§ 8
Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG knüpfen eine Zielabweichung danach –
anders als § 6 Abs. 2 ROG – zunächst an „veränderte Tatsachen und Erkenntnisse“
(vgl. hierzu Schmitz, in: Bielenberg u.a., Raumordnungs- und
Landesplanungsrecht, Band 2, § 6 ROG Rdn. 205 ff.).
Mit
Blick auf die Ziele des Landesentwicklungsprogramms aus dem Jahre 2008 liegen
solche veränderten Tatsachen und Erkenntnisse vor, und zwar mit und in dem Einzelhandelskonzept
der Klägerin vom 8. April 2014. Hierin wird ein gravierender Rückgang der
Verkaufsflächen seit 2010 festgestellt. Dieser habe dazu geführt, dass nur noch
86 Prozent des Kaufkraftpotenzials bei der Klägerin verbleibe. Im Bereich
„Möbel, Küchen“ liege die Umsatz-Kaufkraft-Relation nach dem
Einzelhandelskonzept sogar nur bei 16 Prozent. Vor diesem Hintergrund hat die
Klägerin zur Sicherung und Entwicklung ihrer Versorgungsfunktion als
Mittelzentrum – unter anderem – den hier in Rede stehenden Vorhabenstandort im
Gewerbepark S./G. als Ergänzungsstandort im Sinne des Ziels Z 59 LEP IV für
nicht innenstadtrelevante Sortimente, vor allem für Möbel/Einrichtungsbedarf
sowie für Bau- und Gartenbedarf, ausgewiesen.
2.
Des
Weiteren muss eine Zielabweichung nach § 6 Abs. 2 ROG in Verbindung mit §§ 8
Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG unter raumordnerischen Gesichtspunkten
vertretbar sein und darf die Grundzüge der Planung nicht berühren.
a)
Raumordnerisch
vertretbar in diesem Sinne ist eine Zielabweichung, soweit das Vorhaben im
Hinblick auf den Zweck der Zielfestlegung anhand der konkreten Situation
planbar gewesen wäre, wenn der Weg der Planung statt der Abweichung beschritten
worden wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 7 B 15/17 – juris, Rdn.
13 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Die
Frage, ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt, beurteilt sich
nach dem im Plan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen. Hierauf bezogen
darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die
dem Plan zugrunde gelegte Planungskonzeption ("Grundgerüst") in
beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Die Abweichung muss – soll sie mit den
Grundzügen der Planung vereinbar sein – durch das planerische Wollen gedeckt
sein. Es muss also angenommen werden können, dass die Abweichung noch im
Bereich dessen liegt, was der Plangeber gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er
den Grund für die Abweichung gekannt hätte (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Unter
diesen Bedingungen „kann“ die obere Planungsbehörde nach § 6 Abs. 2 ROG in
Verbindung mit §§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG sodann eine
Abweichung von den Zielen des Landesentwicklungsprogramms zulassen.
b)
§ 6
Abs. 2 ROG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG
bilden auf den ersten Blick eine konditionale Entscheidungsstruktur mit einem
Ermessensspielraum der Behörde auf der Rechtsfolgenseite ab.
Das
Bundesverwaltungsgericht geht jedoch davon aus, dass die Behörde im Rahmen des
§ 6 Abs. 2 ROG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG
eine Abwägungsentscheidung zu treffen hat, welche durch die Gerichte nur auf
sogenannte Abwägungsfehler hin zu überprüfen ist und auf die sogar die
Planerhaltungsvorschriften – hier also namentlich § 6 Abs. 7 Satz 3 Nr. 2 LPlG
– Anwendung finden sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2005 – 9 VR
43/04 – juris, Rdn. 13). Nach diesem Konzept stellen sich die „raumordnerische
Vertretbarkeit“ und das „Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung“ weniger
als tatbestandliche Voraussetzungen einer Ermessensentscheidung denn als die
äußeren Grenzen einer einheitlichen Abwägungsentscheidung dar.
Für
diesen Ansatz spricht, dass eine Zielabweichungsentscheidung auf der Grundlage
des § 6 Abs. 2 ROG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 10 Abs. 6 Satz 1
LPlG die typischen Merkmale einer Abwägungsentscheidung trägt. Typischerweise
sind eine große Vielzahl von Belangen zu ermitteln, zu berücksichtigen und zu
einem angemessenen Ausgleich zu bringen. In ein klassisches Wenn-dann-Schema
lässt sich eine Zielabweichungsentscheidung nicht fassen. Hinzu kommt, dass
sich die „Ermessensentscheidung“ der Planungsbehörde auf der Rechtsfolgenseite
verständigerweise nicht von der Prüfung der „raumordnerischen Vertretbarkeit“
und des „Nichtberührtseins der Grundzüge der Planung“ trennen lässt. Auch hier
sind – nachvollziehende – Abwägungsentscheidungen zu treffen, und zwar im
Wesentlichen mit demselben Programm wie im Rahmen des Ermessens auf
Rechtsfolgenseite. Der vorliegende Fall zeigt dies beispielhaft: Letztlich
hängen sowohl die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung des Beklagten als
auch die „raumordnerische Vertretbarkeit“ und das „Nichtberührtsein der
Grundzüge der Planung“ maßgeblich von den konkreten Auswirkungen des Vorhabens
auf den Einzelhandelsbestand im Einzugsbereich ab, und zwar auch nach dem
Ansatz des Beklagten.
c)
Hiervon
ausgehend erweist sich die Zielabweichungsentscheidung des Beklagten in dem
Bescheid vom 15. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.
April 2016 als rechtswidrig, so dass die Klägerin einen Anspruch auf Neubescheidung
ihres Antrags hat.
aa)
Die
Entscheidung leidet unter einem Abwägungsfehler, weil die Auswirkungen des
Vorhabens auf den Einzelhandelsbestand im Einzugsbereich nicht hinreichend
ermittelt wurden.
Nach
der Rechtsprechung des Senats sind Marktgutachten – wie sie auch hier vorliegen
– grundsätzlich geeignet, um die Auswirkungen von großflächigen
Einzelhandelsvorhaben auf den bestehenden Einzelhandel im Einzugsbereich zu
ermitteln, zu bewerten und zu gewichten. Die hierbei anzustellende, auf
zahlreiche Parameter zu stützende Prognose hat das Gericht nur daraufhin zu
prüfen, ob geeignete fachliche Methoden angewandt, der Sachverhalt hinreichend
ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet wurde. Ferner ist zu fragen,
ob die mit jeder Prognose verbundene Ungewissheit künftiger Entwicklungen in einem
angemessenen Verhältnis zu dem Eingriff steht, der mit ihr gerechtfertigt
werden soll. Ein die Prognose tragendes Gutachten kann unter anderem dann nicht
verwertet werden, wenn es unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen
Gründen nicht überzeugend ist, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen
ausgeht oder das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der
Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert
wird (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. November 2010 – 1 C 10320/09.OVG – juris,
Rdn. 81 ff.).
Die
Stellungnahmen des Büros Dr. A. vom 23. Juli 2015 und 31. Oktober 2018 – auf
die sich der Beklagte bei seiner Zielabweichungsentscheidung maßgeblich
gestützt hat – genügen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermittlung der
Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf den Einzelhandelsbestand im
Einzugsbereich nicht. Der Gutachter hat mit seinen methodischen Einwänden zwar
das Gutachten der B. GmbH ernsthaft erschüttert. Eine eigene, hinreichend
tragfähige Auswirkungsanalyse hat er indes nicht geliefert. Er selbst weist in
seiner ersten Stellungnahme vom 23. Juli 2015 darauf hin, dass bei allen seinen
Berechnungen die selbst formulierten methodischen Mindeststandards nicht
eingehalten werden konnten (vgl. S. 2 der Stellungnahme) und dass in einem
gegebenenfalls durchzuführenden Bebauungsplanverfahren die weiterhin
bestehenden Mängel bzw. Ungenauigkeiten auch seiner Berechnungen aufgehoben
werden müssten (vgl. S. 29 der Stellungnahme).
Dabei
fällt besonders ins Gewicht, dass noch nicht einmal die tatsächlichen
Grundlagen der anzustellenden Prognose vollständig ermittelt wurden. Der
Gutachter selbst spricht – im Verhältnis zu dem Gutachten der B. GmbH –
lediglich von einer „ansatzweisen“ Korrektur und Ergänzung der
(unvollständigen) Angaben zum Einzelhandelsbesatz und von einer nur
„ansatzweisen“ Anpassung der Flächenleistung des Einzelhandelsbestandes.
Außerdem
ist nicht hinreichend nachvollziehbar, wie der Gutachter zu den für die
Entscheidung des Beklagten ausschlaggebenden Berechnungsergebnissen zu den
Auswirkungen des geplanten Möbelhauses auf den Einzelhandelsbestand in B. und B.
K. gekommen ist. Der Prognose fehlt es insoweit an einer hinreichend plausiblen
Begründung. Der Gutachter teilt im Wesentlichen nur die Berechnungsergebnisse
mit, ohne den Berechnungsweg hinreichend transparent zu machen. Sicherlich wird
man nicht verlangen können, dass die Genese jedes einzelnen Wertes oder auch
nur einzelner Werte dargestellt wird. Damit würde ein Marktgutachten und damit
auch das behördliche Verfahren eindeutig überfrachtet. Eine grundsätzliche
Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit ist indes unverzichtbar, zumal die
Entscheidung über die Zulassung einer Zielabweichung erhebliche wirtschaftliche
Folgen nach sich ziehen kann.
bb)
Ob die
Bestimmung des § 6 Abs. 7 Satz 3 Nr. 2 LPlG – wie das Bundesverwaltungsgericht
angenommen hat – tatsächlich entsprechend auf Zielabweichungsentscheidungen
anwendbar ist, kann offenbleiben. Denn auch nach dieser Vorschrift ist der
festgestellte Abwägungsmangel beachtlich. Er ist nicht nur ohne weiteres aus
den Akten erkennbar und damit offensichtlich, sondern auch von Einfluss auf das
Abwägungsergebnis gewesen. Angesichts der bereits unzulänglichen
Sachverhaltsermittlung sowie des zwar ernsthaft erschütterten, aber nicht
widerlegten Gutachtens der B. GmbH, welches sogar einem Möbelhaus mit 45.000 m²
Verkaufsfläche (davon 4.085 m² für innenstadtrelevante Sortimente) die
raumordnerische Unbedenklichkeit bescheinigt, besteht aus Sicht des Senats die
konkrete Möglichkeit, dass der Beklagte ohne den Abwägungsfehler anders
entschieden hätte (vgl. hierzu Stock, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 130. EL August 2018, §
214 Rdn. 144 mit Rechtsprechungsnachweisen).
cc)
Fehlt
es also nach dem Vorgesagten – in mehrfacher Hinsicht – schon an den
tatsächlichen Grundlagen der anzustellenden Auswirkungsprognose, so ist es
nicht Sache des erkennenden Senats, die Auswirkungen des geplanten Möbelhauses
auf den Einzelhandelsbestand selbst auszuforschen. Vielmehr hat der Beklagte
den Sachverhalt in dieser Hinsicht im Rahmen einer erneuten Entscheidung über
den Zielabweichungsantrag der Klägerin aufzuklären und – hieran anknüpfend –
die einschlägigen Belange neu abzuwägen. Diese Abwägung kann der Senat nicht
„ersetzen“ (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. November 2010 – 1 C 10320/09.OVG –
juris, Rdn. 84).
II.
Die
Klägerin hat mithin einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf
Zulassung einer Zielabweichung. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf
Zulassung einer Zielabweichung in dem von ihr beantragten Umfang steht der
Klägerin hingegen nicht zu. Anhaltspunkte dafür, dass nur die Zulassung einer
Zielabweichung in dem von der Klägerin beantragten Ausmaß rechtmäßig wäre,
bestehen nicht. Im Gegenteil sprechen die Stellungnahmen des Büros Dr. A. –
auch wenn sie den Anforderungen des Senats an ein Marktgutachten nicht
entsprechen – dafür, dass das Vorhaben in der geplanten Größe raumordnerischen
Bedenken begegnen könnte.
III.
Den
Hilfsbeweisanträgen der Klägerin war nicht nachzugehen. Die unter Beweis
gestellten Tatsachen sind für die hier zu treffende Entscheidung unerheblich.
Selbst wenn das beantragte Sachverständigengutachten die zu beweisenden
Tatsachen bestätigen würde, könnte die Klägerin nicht mehr als eine
Neubescheidung ihres Zielabweichungsantrages verlangen. Denn die unter Beweis
gestellten Tatsachen – als wahr unterstellt – würden weder jeweils für sich
gesehen noch in einer Gesamtschau die Annahme rechtfertigen, dass jede andere
Entscheidung als die Zulassung der Zielabweichung in dem beantragten Umfang
rechtswidrig wäre.
IV.
Die
Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und
berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen. Die Beigeladenen waren
gemäß § 154 Abs. 3 VwGO an den Kosten zu beteiligen, weil sie auf der Seite des
teilweise unterlegenen Beklagten ebenfalls einen Antrag auf Zurückweisung der
Berufung gestellt haben. Andererseits waren die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO im Umfang ihres Obsiegens aus
Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, da sie wegen eigener
Antragstellung selbst ein Kostenrisiko eingegangen sind.
Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten
folgt aus § 167 VwGO.
Die
Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten
Art nicht vorliegen.
Beschluss
Der Wert des
Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt
(§§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Gerichtskostengesetz – GKG –).