vorgehend VG Neustadt a.d. Weinstraße,
2 L 942/18.NW
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin
gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13.
August 2018 hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird für beide
Rechtszüge auf 3.750,00 € festgesetzt.
–
7 B 11097/18.OVG –
II. Die Beschwerde der Antragstellerin
gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13.
August 2018 hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren wird
abgelehnt.
–
7 D 11099/18.OVG –
Gründe
I.
Die
Beschwerde hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.
Die
Ausführungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, auf die sich die
Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, enthalten keine
Gründe, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder
aufzuheben ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
Die
Antragstellerin begründet ihre Beschwerde damit, dass die Verantwortung für die
Erteilung oder eine Verlängerung des Reiseausweises für sie als in Italien
anerkannter Flüchtling nach Art. 1 des Gesetzes zu dem Europäischen
Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 30. September
1994 (BGBl. I S. 2645) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens
über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 –
EATRR – von Italien auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei, weil
sie sich schon allein während ihres Asylverfahrens seit Antragstellung am 4.
Februar 2015 bis zum Erlass des ablehnenden Bescheides durch das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge am 20. März 2017 länger als zwei Jahre in der
Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe, womit ihr der Aufenthalt im Sinne
des Art. 2 Abs. 1 EATRR gestattet worden sei. Nach Ablauf der zwei Jahre habe
sie darauf vertrauen dürfen, in Deutschland bleiben zu können. Ab zwei Jahren
faktisch hingenommenen Aufenthalts sei daher ein Zuständigkeitsübergang
anzunehmen.
Das
Verwaltungsgericht ist in seinem Beschluss vom 13. August 2018 indes zu Recht
davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen nach Art. 2 Abs. 1 EATRR in
offensichtlicher Weise nicht vorliegen. Aufgrund der bis zum 5. Mai 2019
fortwährenden Gültigkeit des der Antragstellerin in Italien ausgestellten und
von ihr erstmals am 9. August 2018 bei dem Antragsgegner vorgelegten
Reiseausweises für Flüchtlinge scheidet ein Verantwortungsübergang nach Art. 2
Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 oder nach Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EATRR
von vornherein aus, da diese Übergangstatbestände entweder ein die
Gültigkeitsdauer in Bezug nehmendes Verhalten des Zweitstaates (Art. 2 Abs. 1
Satz 1 Alt. 3 EATRR) oder gar einen Ablauf der Gültigkeitsdauer (Art. 2 Abs. 3
i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EATRR) erfordern. Auch die tatbestandlichen
Voraussetzungen der damit noch allein in Betracht zu ziehenden Regelungen in
Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Alt. 2 EATRR sind nicht erfüllt.
Nach
Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 EATRR gilt die Verantwortung nach Ablauf von zwei
Jahren des tatsächlichen und dauernden Aufenthalts im Zweitstaat mit Zustimmung
von dessen Behörden als übergegangen. Es fehlt vorliegend jedoch an der
Zustimmung der deutschen Behörden. Eine Zustimmung setzt zumindest voraus, dass
eine stillschweigende Billigung des Zweitstaates für den dauerhaften Aufenthalt
des Flüchtlings vorliegt. Der bloße tatsächliche und dauernde Aufenthalt genügt
hierfür allein nicht (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 12. April 2016 – 3 B 7/16 –,
juris, Rn. 14; OVG Nds, Beschluss vom 2. August 2018 – 8 ME 42/18 – juris, Rn.
36).
Deutsche
Behörden haben einen dauerhaften Aufenthalt der Antragstellerin nicht
stillschweigend gebilligt. Nach ihrer Einreise im November 2014 war der
Antragstellerin nach am 18. November 2014 erfolgter Ausstellung der
Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende der Aufenthalt nach § 55 Abs. 1
Satz 1 AsylG kraft Gesetzes „zur Durchführung des Asylverfahrens“ gestattet.
Die auf das Asylverfahren bezogene Beschränkung ist auch auf den der
Antragstellerin in diesem Zusammenhang nach § 63 Abs. 1 Satz 1 AsylG
ausgestellten Bescheinigungen über die Aufenthaltsgestattung auf Seite 1
deutlich erkennbar vermerkt. Mit Vollziehbarkeit der im Bescheid des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. März 2017 unter Ziffer 3
enthaltenen und auf § 35 AsylG gestützten Abschiebungsandrohung ist die
Gestattung, also das rein verfahrensakzessorische Aufenthaltsrecht, kraft
Gesetzes nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 AsylG erloschen, was vorliegend mit
Erlass des im Eilverfahren ergangenen ablehnenden Beschlusses des
Verwaltungsgerichts Trier vom 5. Mai 2017 – 5 L 4301/17.TR – der Fall war. Dass
der kraft Gesetzes und ohne individuelle Willenserklärung mögliche und legale
Aufenthalt der Antragstellerin während des noch laufenden Asylverfahrens, in
welchem gerade noch keine abschließende Entscheidung über ein mögliches
langfristiges bzw. auf längere Zeitdauer angelegtes Aufenthaltsrecht ergangen war,
keine stillschweigende Billigung für einen dauerhaften Aufenthalt darstellen
kann, folgt schließlich auch aus der Regelung in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe
c EATRR. Wenn sogar Zeiten eines noch laufenden Rechtsmittelverfahrens nur bei
einer zugunsten des Flüchtlings getroffenen Rechtsmittelentscheidung bei
Berechnung der Zweijahresfrist einzubeziehen sind, können die vorausgehenden
Zeiten erst recht keine Berücksichtigung finden (vgl. auch § 55 Abs. 3 AsylG).
Ein sich direkt aus dem Gesetz ergebendes vorübergehendes und rein
verfahrensakzessorisches Aufenthaltsrecht kann hierfür keinesfalls genügen
(vgl. Bundesverwaltungsgericht der Schweiz, Urteil vom 17. November 2014 –
D-4742/2014 – Ziffer 5.6, verfügbar unter:
http://www.bvger.ch/publiws/download?decisionId=dde90c4e-c7cc-4f99-8303-2b7e8709467b).
Auf die tatsächlichen – offensichtlich im Zusammenhang mit den außergewöhnlich
hohen Zugangszahlen von in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 2015
und 2016 schutzsuchenden Menschen stehenden – Umstände, warum zwischen dem
Zeitpunkt der Asylantragstellung am 4. Februar 2015 und dem Erlass des
ablehnenden Bescheides am 20. März 2017 ein Zeitraum von über zwei Jahren
verstrichen ist, kommt es daher nicht an. Mangels eines geschaffenen
Vertrauenstatbestandes kann die Antragstellerin alleine hieraus jedenfalls keinen
Rechtsanspruch herleiten.
Die
der Antragstellerin nachfolgend erteilten Duldungen konnten ebenfalls keine
stillschweigende Billigung eines dauerhaften Aufenthalts darstellen, ungeachtet
des Umstandes, dass seitdem noch kein Zeitraum von zwei Jahren verstrichen ist.
Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass
der Antragsgegner die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt im Unklaren darüber
gelassen hat, sie nach dem für sie negativen Abschluss des Asylverfahrens nach
Italien abschieben zu wollen. Dies lässt auch schon die in den ausgestellten
Duldungsbescheinigungen aufgenommene auflösende Bedingung, wonach die Duldung
mit Bekanntgabe des Abschiebetermins erlischt (vgl. zur Zulässigkeit einer
solchen Bedingung: VGH BW, Urteil vom 24. Februar 2016 – 11 S 1626/15 –,
juris), hinreichend deutlich erkennen. Auch im weiteren Verlauf, unter anderem
mit Schreiben des Antragsgegners vom 12. April 2018, wurde die Antragstellerin
unmissverständlich darüber informiert, dass das Verfahren zur Rücküberstellung
nach Italien weiter betrieben werde. Schließlich war für den 22. Mai 2018 eine
Abschiebung geplant, die nur aufgrund des zwischenzeitlichen Untertauchens der
Antragstellerin nicht vollzogen wurde.
Die
Antragstellerin kann sich auch nicht auf einen auf Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2
EATRR beruhenden Verantwortungsübergang berufen. Danach gilt die Verantwortung
auch zu einem früheren Zeitpunkt als übergegangen, wenn der Zweitstaat dem
Flüchtling gestattet hat, dauernd in seinem Hoheitsgebiet zu bleiben. Die
hiernach erforderliche Gestattung liegt nicht vor. Dass hiermit entgegen der
Ansicht der Antragstellerin trotz (zufälliger) Verwendung desselben Wortes in §
55 Abs. 1 Satz 1 AsylG und in der amtlichen deutschen Übersetzung zu Art. 2
Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EATRR nicht die kraft Gesetzes eintretende Gestattung des
vorübergehenden Aufenthalts gemeint sein kann, folgt bereits aus dem weiteren
Wortlaut in Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EATRR, wonach sich die dort
erforderliche Berechtigung auf einen dauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland beziehen muss.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die
Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 2,
52 Abs. 1 und 2 und mit § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG, da die Antragstellerin
mit ihrem Eilantrag die Sicherung ihres Anspruchs auf Aufenthaltserlaubnis
erreichen möchte. Insoweit sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen der weitgehenden Vorwegnahme der
Hauptsache ¾ des Regelstreitwerts anzusetzen.
II.
1. Die
Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist
ebenfalls unbegründet.
Mit
der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf
einstweiligen Rechtsschutz wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
unanfechtbar. Damit steht fest, dass keine hinreichenden Erfolgsaussichten für
das erstinstanzliche Verfahren im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. §
166 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben waren.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
2. Die
beantragte Prozesskostenhilfe für das nicht dem Vertretungszwang unterliegende
Beschwerdeverfahren gegen die versagte Prozesskostenhilfe war abzulehnen. Eine
nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde gegen die erstinstanzliche
Ablehnung von Prozesskostenhilfe ist keine Rechtsverfolgung oder -verteidigung
i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. HessVGH, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 7
D 228/13 –, juris; BayVGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 – 4 M 16.2335 –,
juris, Rn. 9). Der Grundsatz, dass für ein Prozesskostenhilfeverfahren keine
Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der
Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2012 – 2 BvR 2377/10 –, juris, Rn. 12 ff.;
BVerfG, Beschluss vom 9. November 2017 – 1 BvR 2440/16 –, juris, Rn. 21).