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Rechtsprechungsarchiv
des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz e.V.
Deinhardpassage 1
56068 Koblenz

3 K 1535/15.MZ

GerichtVG MainzAktenzeichen3 K 1535/15.MZ
EntscheidungsartUrteilDatum
16.11.2016
veröffentlicht in
rechtskräftigNein
Leitsatz
1. Das Integrationsgebot des Z 58 Landesentwicklungsprogramm IV findet jedenfalls auch auf solche Einzelhandelsbetriebe Anwendung, die neben einem nicht innenstadtrelevanten Sortiment ein innenstadtrelevantes Randsortiment führen, welches die anerkannte Grenze der Großflächigkeit um ein mehrfaches überschreitet.

2. Das in Z 46 Satz 1 Regionalplan Rheinhessen enthaltene Verbot der Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf Gewerbe- und Industrieflächen gilt auch für solche Einzelhandelsbetriebe, die innenstadtrelevante Sortimente als Randsortiment in einem die Grenze zur Großflächigkeit übersteigenden Umfang führen.

3. Z 46 Satz 2 Regionalplan Rheinhessen stellt keine Öffnungsklausel dar, die es der planenden Gemeinde erlaubt, durch Umwandlung von Gewerbe- oder Industrieflächen in Sondergebiete die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Sortimenten zu schaffen.


Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Urteil teilweise aufgehoben durch Urteil des OVG Koblenz vom 14. November 2018 - Az.. 1 A 10105/18.OVG -.
Tenor:
Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 16. November 2016 und unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2016 wird der Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Zulassung einer Abweichung von den Zielen der Raumordnung und Landesplanung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
RechtsgebieteRaumordnungsrecht
SchlagworteAbweichung, Ansiedlung, Attraktivität, Bauleitplanung, Begrenzung, berechtigtes Interesse, Bestandskraft, Bindungswirkung, Differenzierung, Einzelhandel, Einzelhandelsbetrieb, Einzelhandelskonzept, Ergänzungsstandort, Erweiterung, Feststellung, Feststellungsklage, Flächenobergrenze, Flächenproduktivität, Funktion, Funktionsfähigkeit, Gesamtplanung, Gesichtspunkt, Gestaltungsklage, Gewerbefläche, Grundstück, Grundstücksmiete, Grundzug, Grundzug der Planung, Handelsfunktion, Härtefall, Industriefläche, innenstadtrelevantes Sortiment, Integrationsgebot, integrierter Standort, Kernsortiment, Landesentwicklungsprogramm, Leistungsklage, Miete, Möbeleinzelhandel, Möbeleinzelhandelsbetrieb, Möbel, Möbelmarkt, Obergrenze, Parteiwille, Planung, Planänderung, Produktivität, produzierendes Gewerbe, Prozessökonomie, Randsortiment, raumordnerischer Gesichtspunkt, Raumordnungsrecht, Raumordnungsziel, Rechtsauffassung, Rechtsschutz, Rechtsschutzinteresse, Regionalplan Rheinhessen, Rücknahme, Schutz, Sondergebiet, Sortiment, Standort, Subsidiarität, Tatbestandswirkung, verbraucherorientierte Versorgung, Verdrängungswettbewerb, Verkaufsfläche, Versorgung, Versorgungsbereich, Vertretbarkeit, Verwaltungsakt, Widerspruch, worst-case, zentraler Versorgungsbereich, Zentrenrelevanz, Ziel, Zielabweichung, Zielabweichungsbescheid, Zielabweichungsverfahren
NormenBauGB § 1,BauGB § 1 Abs 4,BauNVO § 11,BauNVO § 11 Abs 3,BauGB § 31,BauGB § 31 Abs 2,GG Art 20,GG Art 20 Abs 3,LEP IV,LEP IV Z 58,LEP IV Z 58 S 1,LEP IV Z 59,LEP IV Z 59 S 3,LPlG § 10,LPlG § 10 Abs 6,LPlG § 10 Abs 6 S 1,LPlG § 8,LPlG § 8 Abs 1,LPlG § 8 Abs 1 S 7,LPlG § 8 Abs 3,LPlG § 8 Abs 3 S 1,ROP 2015 Z 17,ROP 2015 Z 46,ROP 2015,ROP 2015 Z 46 S 1,ROP 2015 Z 46 S 2,VwGO § 43,VwGO § 43 Abs 1,VwGO § 43 Abs 2,VwGO § 43 Abs 2 S 1,VwVfG § 43
Volltext

                                                           Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3) und 4). Die Beigeladenen zu 1) und 2) tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in einer der Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

1

Die Klägerin, die sowohl im Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz (LEP IV) als auch im Regionalen Raumordnungsplan Rheinhessen-Nahe (RROP 2015) als Mittelzentrum dargestellt ist, plant, an einem Standort im bestehenden Gewerbe- und Industriepark B. einen großflächigen Möbeleinzelhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von maximal 45.000 m² (Möbelhaus mit ca. 37.600 m², Möbelmitnahmemarkt mit ca. 7.400 m²), davon (zuletzt) 2.250 m² mit innenstadtrelevanten Randsortimenten, ansiedeln zu lassen. Der vorgesehene Standort, bauplanungsrechtlich bislang als Gewerbe- bzw. Industriegebiet festgesetzt, ist in Abstimmung mit der Planungsgemeinschaft Rheinhessen-Nahe im Einzelhandelskonzept der Klägerin als Ergänzungsstandort im Sinne von Ziel 59 LEP IV ausgewiesen. Die Klägerin beabsichtigt, im Wege einer Änderung des Flächennutzungsplans den Standort des geplanten Möbeleinzelhandels als Sonderbaufläche „großflächiger Einzelhandel“ auszuweisen.

2

Nach Vorgesprächen, an denen Vertreter der Planungsgemeinschaft Rhein-hessen-Nahe und der unteren und oberen Landesplanungsbehörde teilgenommen hatten und in denen u.a. die Frage der Notwendigkeit eines Zielabweichungsverfahrens erörtert wurde, fasste der Stadtrat der Klägerin in seiner Sitzung vom 22. Juli 2014 den Beschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans. Zugleich beschloss er, einen Antrag auf Zulassung einer Abweichung von den Zielen der Raumordnung zur Ansiedlung eines Möbelhauses im Gewerbe- und Industriepark B. zu stellen.

3

Am 14. August 2014 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens, verbunden mit der Zulassung einer Abweichung von den Zielen der Raumordnung und Landesplanung (Ziel 58 LEP IV, Ziele 2 bis 4 des damals noch gültigen RROP 2004). Dem Antrag war u.a. eine Auswirkungsanalyse der XXX Handelsberatung GmbH beigefügt. Diese Analyse kam zu dem Ergebnis, dass ausgehend von einer durchschnittlichen Flächenproduktivität von 1.800 €/m² (Worst-Case-Szenario) an dem geplanten Standort ein Möbeleinzelhandel mit einer Fläche von ca. 45.000 m² Verkaufsfläche – davon 4.085 m² für innenstadtrelevante Sortimente – mit dem Zentralitätsgebot (Ziel 57 LEP IV), dem städtebaulichen Integrationsgebot/Ergänzungsstandorte (Ziele 58, 59 LEP IV) sowie mit dem Nichtbeeinträchtigungsgebot (Ziel 60 LEP IV) in Einklang stehe. Insbesondere sei keine wesentliche Beeinträchtigung der Versorgungsfunktion der städtebaulich integrierten Bereiche der Klägerin und der Versorgungsbereiche benachbarter zentraler Orte zu erwarten.

4

Im Rahmen des Zielabweichungsverfahrens holte der Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme des Büros Dr. A. Stadt- und Regionalentwicklung zur Auswirkungsanalyse der XXX GmbH ein. In dieser kam der weitere Gutachter zu dem Ergebnis, dass u.a. die in der Auswirkungsanalyse XXX GmbH als Worst-Case-Wert zugrunde gelegte Flächenproduktivität von 1.800 €/m² deutlich zu niedrig angesetzt sei. So gebe es leistungsstarke Anbieter, die eine Flächenproduktivität von deutlich über 3.000 €/m² erzielten. Da nicht bekannt sei, welche Firma den geplanten Möbeleinzelhandel betreiben wolle, ein leistungsstarker Anbieter mithin nicht auszuschließen sei, sei ein Flächenleistungsansatz von 2.800 €/m² in Anschlag zu bringen. Unter Berücksichtigung dessen, dass das Beeinträchtigungsgebot verletzt sei, wenn Umsatzverteilungen von 10 % bei innenstadtrelevanten und 20 % bei nicht innenstadtrelevanten Sortimenten zu erwarten seien, sei ein Vorhaben mit maximal 22.000 m² Verkaufsfläche, davon 2.000 m² für innenstadtrelevante Sortimente, als raumverträglich anzusehen.

5

Nachdem die oberste Landesplanungsbehörde ihr Einvernehmen zu einer Zielabweichung in einer Gesamtgrößenordnung von 22.000 m² Verkaufsfläche (davon 2.000 m² für innenstadtrelevante Randsortimente) erklärt hatte, ließ der Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 unter Ablehnung des Antrags im Übrigen für die 1. Änderung des Flächennutzungsplans i.V.m. der 3. Änderung des Bebauungsplans „Gewerbe- und Industriepark B. am Rhein und G.“ die Abweichung von Z 58 LEP IV und Z 46 RROP 2015 mit der Maßgabe zu, dass die Gesamtverkaufsfläche des geplanten Möbeleinzelhandels auf maximal 22.000 m² festzulegen und der Anteil der innenstadtrelevanten Sortimente auf insgesamt 2.000 m² zu begrenzen sei. Zur Begründung bezog sich der Beklagte im Wesentlichen auf die Ausführungen und Wertungen in der gutachterlichen Stellungnahme des Büros Dr. A.. Unter Berücksichtigung der in dieser Stellungnahme angesetzten Flächenproduktivität von 2.800 €/m² sei nur bei Einhaltung dieser Verkaufsflächen davon auszugehen, dass Umsatzverteilungen in Bezug auf das nächstgelegene Mittelzentrum B. K. nicht mehr als 10 % ausmachten und damit mit dem Nichtbeeinträchtigungsgebot des Ziels 60 LEP IV in Einklang stünden. Durch die erteilte Zielabweichung seien sowohl das Landesentwicklungsprogramm als auch der regionale Raumordnungsplan nicht in ihren Grundzügen berührt.

6

Der hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 4. April 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Planung der Klägerin stehe mit den Zielen 58 bis 60 LEP IV und Ziel 46 RROP 2015 nicht in Einklang. Die in dem Zielabweichungsantrag genannte Verkaufsfläche für innenstadtrelevante Randsortimente von 4.085 m² verstoße gegen Ziel 59 Satz 3 LEP IV. Entgegen der Ansicht der Klägerin komme es insoweit nicht allein darauf an, dass innenstadtrelevante Randsortimente nicht mehr als 10 % der Gesamtfläche ausmachten. Vielmehr sei zusätzlich auch auf eine absolute Beschränkung unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit abzustellen. Ungeachtet dessen sei die vorgenannte Fläche aber auch nicht innenstadtverträglich, wie sich aus den Ausführungen der gutachterlichen Stellungnahme Dr. A. ergebe. Überdies verstoße die geplante Fläche für innenstadtrelevante Randsortimente auch gegen Ziel 58 LEP IV, da sie die Grenze der Großflächigkeit von 800 m² bei weitem überschreite. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei dieses Ziel nicht allein auf solche Einzelhandelsbetriebe beschränkt, die ein innenstadtrelevantes Kernsortiment führten. Soweit die Klägerin bei ihrer Planung von einer Flächenproduktivität von 1.800 €/m² ausgehe, sei dies deutlich zu niedrig angesetzt. Der Ansiedlung des Planungsvorhabens an einem als Gewerbe- und Industriefläche überplanten Standort stehe ferner Ziel 46 RROP 2015 entgegen, das die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten an solchen Standorten nicht gestatte. Eine Zulassung der Zielabweichung mit den vorgesehenen Flächen beeinträchtige die vorgenannten Ziele der Raumordnung und Landesplanung in ihren Grundzügen.

7

Bereits am 14. Dezember 2015 hatte die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben, mit der sie primär die Feststellung begehrt, dass die Darstellung einer Sonderbaufläche mit der Zweckbestimmung „großflächiger Einzelhandel“ im Flächennutzungsplan mit einer Verkaufsflächenobergrenze von 45.000 m², davon 2.250 m² für innenstadtrelevante Randsortimente, nicht gegen die Ziele des Landesentwicklungsprogramms sowie des regionalen Raumordnungsplans verstößt. Sie trägt vor, ihr Begehren sei insoweit als Feststellungsklage zulässig. Sie habe den Zielabweichungsantrag nur gestellt, weil der Beklagte im Vorfeld eindeutig zu erkennen gegeben habe, dass er Ziel 58 LEP IV für verletzt halte, wenn innenstadtrelevante Sortimente auch als Randsortiment eine Verkaufsfläche von 800 m² überschritten. Sie habe jedoch bereits Anfang 2015 gegenüber dem Beklagten zu erkennen gegeben, dass sie die Planung für mit den Zielen 58 bis 60 LEP IV vereinbar halte. Das Ziel 58 LEP IV sei schon deshalb nicht berührt, weil es sich nur auf solche großflächigen Einzelhandelsmärkte beziehe, die ungeachtet der absoluten Größe innenstadtrelevante Sortimente als Kernsortimente führten. Hiervon könne vorliegend nicht die Rede sein, denn nach ihrem nunmehr modifizierten Begehren betrage die für solche Randsortimente vorgesehen Fläche nur rund 5 % der Verkaufsfläche. Dass das Ziel 58 LEP IV nicht auf Betriebe mit mehr als 800 m² Verkaufsfläche für innenstadtrelevantes Randsortiment anwendbar sei, ergebe sich aus einer Betrachtung mit Ziel 59 LEP IV, das gerade keine absolute Größenordnung des innenstadtrelevanten Randsortiments vorgebe, sondern lediglich auf eine relative Verkaufsfläche von in der Regel nicht mehr als 10 % der Gesamtverkaufsfläche sowie eine Begrenzung auf eine innenstadtverträgliche Größenordnung abstelle. Die Planung sei auch mit Ziel 59 LEP IV vereinbar. Der Standort des Marktes sei in Abstimmung mit der Raumordnung und Landesplanung in ihrem Einzelhandelskonzept als Ergänzungsstandort ausgewiesen. Entgegen der Auffassung des Beklagten enthalte Ziel 59 LEP IV gerade keine absolute Verkaufsflächenobergrenze für innenstadtrelevante Randsortimente. Mit 2.250 m² sei die Fläche für innenstadtrelevante Randsortimente auch auf eine innenstadtverträgliche Größenordnung beschränkt. Insbesondere lasse sie ausweislich der Auswirkungsanalyse XXX GmbH keine Umsatzverteilung von mehr als 10 % gegenüber einem benachbarten zentralen Versorgungsbereich erwarten. Soweit demgegenüber das Gutachten Dr. A. zu anderen Werten gekommen sei, beruhe dies auf dem Umstand, dass es eine deutlich höhere Flächenproduktivität angenommen habe, die nicht gerechtfertigt seien. Diese seien allenfalls bei wenigen Unternehmen der Möbelbranche zu erwarten, die bei realitätsnaher Betrachtung indes für den geplanten Standort nicht in Betracht kämen. Die durchschnittliche Flächenproduktivität von Wohnkaufhäusern liege aber bei etwa 1.200 €/m², so dass der in der Auswirkungsanalyse XXX zugrunde gelegte Flächenwert von 1.800 €/m² sehr wohl den „Worst Case“ abbilde. Bei einem Flächenleistungsansatz von 1.800 €/m² sei eine wesentliche Beeinträchtigung zentraler Versorgungsbereiche insbesondere benachbarter zentraler Orte auch in der geltend gemachten Größenordnung nicht zu erwarten. Damit sei auch das Nichtbeeinträchtigungsgebot in Ziel 60 LEP IV nicht berührt. Schließlich sei ihre Planung auch mit den Zielen des Regionalen Raumordnungsplans vereinbar. Das Ziel 17 RROP 2015 sei schon deshalb nicht betroffen, weil es keine konkreten Zielvorgaben enthalte. Die Planung verstoße auch nicht gegen Ziel 46 RROP 2015, das schon nicht anwendbar sei, weil es sich wie Ziel 58 LEP IV nur auf Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevantem Kernsortiment beziehe. Ein solcher sei indes nicht Gegenstand der Planung. Überdies lasse Ziel 46 Satz 2 RROP 2015 gerade die Umwandlung von Gewerbe- bzw. Industrieflächen in Sondergebiete mit der Zweckbestimmung „großflächiger Einzelhandel“ zu. Sollte ihre Planung hingegen von den vorgenannten Zielen der Raumordnung und Landesplanung abweichen, so habe sie jedenfalls einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Zielabweichung, die sie hilfsweise begehre. Insbesondere seien durch eine solche Zielabweichung weder die Grundzüge des Landesentwicklungsprogramms noch des regionalen Raumordnungsplans berührt.

8

Die Klägerin beantragt,

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festzustellen, dass die Darstellung eines Sondergebiets mit der Zweckbestimmung großflächiger Möbeleinzelhandel im Flächennutzungsplan der Klägerin mit einer Obergrenze der Verkaufsfläche von 45.000 m², davon 2.250 m² für innenstadtrelevante Randsortimente (davon maximal 920 m² Haus- und Heimtextilien, 1.150 m² Lampen, Leuchten, 760 m² Glas, Porzellan, Keramik, Haushaltswaren, 720 m² Bilder/-Rahmen, Deko-/Geschenkartikel, 170 m² Babyerstausstattung, 365 m² Aktionswaren) auf dem Grundstück Gemarkung S. Flurstück XXX/X, Flur X, Gemarkung S., Ecke G.-S.-Straße/L.-Q.-Straße nicht gegen Ziele der Raumordnung aus dem Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz (LEP IV) – insbesondere die Ziele Z 58, Z 59 und Z 60 – sowie gegen Ziele des regionalen Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2014 verstößt,

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hilfsweise,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2016 zu verpflichten, auf ihren Antrag hin für die Darstellung des Sondergebiets mit der Zweckbestimmung großflächiger Möbeleinzelhandel mit einer Obergrenze der Verkaufsfläche von 45.000 m², davon 2.250 m² für innenstadtrelevante Randsortimente (davon maximal 920 m² Haus- und Heimtextilien, 1.150 m² Lampen, Leuchten, 760 m² Glas, Porzellan, Keramik, Haushaltswaren, 720 m² Bilder/-Rahmen, Deko-/Geschenkartikel, 170 m² Babyerstausstattung, 365 m² Aktionswaren) auf dem Grundstück Flur- stück XXX/X, Flur X, Gemarkung S., Ecke G.-S.-Straße/L.-Q.-Straße, eine Abweichung von dem Ziel Z 58 aus dem LEP IV und Z 17 RROP des Regionalen Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2014 zuzulassen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen vor: Es sei bereits zweifelhaft, ob das Klagebegehren hinreichend bestimmt sei. Die Klage sei mit ihrem Hauptantrag unzulässig, denn sie verstoße gegen den Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage. Es treffe nicht zu, dass er die Klägerin in das Zielabweichungsverfahren gedrängt habe. Jedenfalls sei die Feststellungsklage unbegründet. Es liege ein Verstoß gegen Ziel 58 LEP IV vor. Dieses Ziel finde entgegen der Auffassung der Klägerin auch auf solche Vorhaben Anwendung, bei denen innenstadtrelevante Sortimente als Randsortiment die Grenze der Großflächigkeit überschritten. Darüber hinaus verstoße die Planung auch gegen Ziel 59 LEP IV, denn die Ausweisung einer Verkaufsfläche von mehr als 2.000 m² für innenstadtrelevante Randsortimente stelle sich nicht als innenstadtverträglich dar. Neben den in Ziel 59 Satz 3 LEP IV genannten Kriterien sei auch eine absolute Obergrenze der Verkaufsfläche für innenstadtrelevante Randsortimente in den Blick zu nehmen. Dies ergebe sich bereits aus der ergänzenden Begründung zu Ziel 59 LEP IV. Damit bringe der Planer zum Ausdruck, dass die Begrenzung auf maximal 10 % der Verkaufsfläche nicht ausreiche. Mit dem Oberverwaltungsgericht Niedersachsen sei davon auszugehen, dass diese absolute Grenze bei 700 m² liege. Es sei auch fraglich, ob es sich bei den genannten Sortimenten noch um Randsortimente handele, da mit ihnen 15 % des Umsatzes generiert werde. Ungeachtet dessen fehle es aber an der Innenstadtverträglichkeit. Dies ergebe sich nachvollziehbar aus dem Gutachten Dr. A. Ferner liege ein Verstoß gegen das Nichtbeeinträchtigungsgebot des Ziels 60 LEP IV vor, denn ausweislich des genannten Gutachtens sei bei einem Möbeleinzelhandelsmarkt in der von der Klägerin zugrunde gelegten Größe mit Umsatzverteilungen von mehr als 10 % und daher mit erheblichen Auswirkungen auf benachbarte zentrale Versorgungsbereiche zu rechnen. Entgegen der Auffassung in der Auswirkungsanalyse XXX GmbH sei insoweit ein Flächenleistungsansatz von 2.800 €/m² zugrunde zu legen, so dass von einer höheren Flächenproduktivität auszugehen sei. Schließlich verstoße die Planung auch gegen Ziel 46 RROP 2015, das großflächige Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf Gewerbe- und Industrieflächen nicht gestatte. Der Begriff der Gewerbe- und Industrieflächen in Ziel 46 RROP 2015 sei nicht in bauplanungsrechtlichem, sondern in raumordnungsrechtlichem Sinne zu verstehen. Insoweit ergebe sich aus der Verbindung mit Ziel 17 RROP 2015, dass die hier streitgegenständliche Projektfläche raumordnungsrechtlich als Gewerbegebiet mit besonderer regionaler Bedeutung festgesetzt worden und dies von der Bauleitplanung zu beachten sei. Auch das hilfsweise Verpflichtungsbegehren sei unbegründet, da jedenfalls die begehrte Zielabweichung die betroffenen Ziele der Raumordnung und Landesplanung in ihren Grundzügen berührten.

15

Die Beigeladenen zu 1) und 2) stellen keinen Antrag. Sie halten die Feststellungsklage ebenfalls für unzulässig. Auf prozessuale Nachteile könne sich die Klägerin allenfalls berufen, wenn sie vor Einleitung des Zielabweichungsverfahrens den Standpunkt eingenommen hätte, dass die von ihr in Aussicht genommenen bauleitplanerischen Maßnahmen mit den Zielen der Raumordnung in Einklang stünden und sie sich nur deshalb zur Antragstellung veranlasst gesehen habe, weil die Raumordnungsbehörden dies abweichend gesehen hätten. Dies sei nicht der Fall gewesen. Überdies fehle es der Feststellungsklage auch am Rechtsschutzinteresse. Dringe die Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren durch, erginge zu dem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag keine Entscheidung, so dass die hilfsweise angegriffenen Verwaltungsentscheidungen in Bestandskraft erwachsen würden und zwingend der angestrebten Bauleitplanung entgegenstünden. Überdies fehle der Klägerin auch das berechtigte Feststellungsinteresse, sofern sie die Feststellung begehre, dass die Darstellung des von ihr geplanten Sondergebiets gegen gar kein Ziel der Raumordnung aus dem Landesentwicklungsprogramm IV und dem regionalen Raumordnungsplan verstoße. Die allgemeine Feststellung der Raumverträglichkeit könne von der Klägerin nicht verlangt werden, da ein umfänglich hiermit korrespondierendes Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten nicht bestehe. In der Sache jedenfalls verstoße die beabsichtigte Planung gegen das Ziel 58 des LEP IV. Soweit die Klägerin die Raumverträglichkeit des Möbeleinzelhandelsbetriebs in der vorgesehenen Größenordnung geltend mache, sei dem entgegen zu halten, dass das Gutachten XXX GmbH an methodischen Fehlern leide und von daher nicht als Beurteilungsgrundlage geeignet sei. So seien vorhandene bzw. geplante Möbelanbieter bzw. Erweiterungen von bestehenden Märkten gar nicht in die Betrachtung mit einbezogen worden. Auch sei die Abgrenzung des Einzugsgebiets und dessen Zoneneinteilung fehlerhaft. Die angenommene Flächenproduktivität von 1.800 €/m² als „Worst Case“ erweise sich mit Blick auf die betreiberunabhängig geführte Planung als deutlich zu niedrig. Auch seien die Flächenproduktivitäten der im Einzugsgebiet belegen Bestandsmärkte zu niedrig angesetzt worden. Die Bindung freier Kaufkraft durch den geplanten Möbeleinzelhandel hindere sie im Ergebnis langfristig, verlorene Kaufkraft zurückzugewinnen. Eklatant sei dies in Bezug auf die Beigeladene zu 2), die in einem rechtkräftigen Bebauungsplan bereits ein Sondergebiet für einen Möbelmarkt ausgewiesen habe. Es werde übersehen, dass in ihren Gebieten das Angebot an Möbeln auf wenige Standorte konzentriert und bei mittelständischen Unternehmen gebündelt sei. Breche einer dieser Märkte infolge des Konkurrenzdrucks weg, vergrößere sich das bereits vorhandene Versorgungsdefizit. Außerdem sei fraglich, ob die Klägerin in Abweichung von der Liste innenstadtrelevanter Sortimente des Landesentwicklungsprogramms ihre eigene Sortimentsliste haben zugrunde legen dürfen.

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Die Beigeladenen zu 3) und 4) beantragen,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie machen geltend, die Feststellungsklage sei unzulässig, da die Klägerin von vornherein von der Notwendigkeit eines Zielabweichungsverfahrens ausgegangen sei. Damit sei für eine Feststellungsklage im Hinblick auf deren gesetzliche Subsidiarität kein Raum. Die angestrebte Planung sei in der Sache mit den Zielen 58 bis Z 60 LEP IV unvereinbar. Ziel 58 LEP finde auch auf Einzelhandelsbetriebe mit großflächigen innenstadtrelevanten Randsortimenten Anwendung. Dem stehe nicht das Ziel 59 LEP IV entgegen. Dieses Ziel sei aber ebenfalls verletzt, weil auch eine Fläche von 2.250 m² für innenstadtrelevante Sortimente ausweislich des Gutachtens Dr. A. nicht mehr innenstadtverträglich sei. Damit sei zugleich auch das Nichtbeeinträchtigungsgebot nach Ziel 60 LEP IV betroffen. Schließlich sei das Vorhaben auch mit dem Ziel 46 RROP 2015 unvereinbar, das vorsehe, dass großflächiger innenstadtrelevanter Einzelhandel auf Industrie- und Gewerbeflächen nicht gestattet sei. Der hier verwandte Begriff der Gewerbe- und Industrieflächen müsse in raumordnungsrechtlichem Sinne verstanden werden. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei auch dieses Ziel nicht auf großflächigen Einzelhandel mit innenstadtrelevantem Kernsortiment beschränkt. Eine Zielabweichung in dem von der Klägerin angestrebten Sinne scheide aus, weil die Grundzüge der Raumordnung und Landesplanung berührt würden.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Ordner) liegen der Kammer vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

20

Die Klage hat weder mit ihrem Haupt- noch mit ihrem Hilfsantrag Erfolg. Die mit dem Hauptantrag erhobene Feststellungsklage ist zulässig (1), aber unbegründet (2). Die mit dem Hilfsantrag erhobene Verpflichtungsklage ist ebenfalls unbegründet (3).

 

1)

21

Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig. Sie ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Die Beteiligten streiten insoweit darüber, ob die Planung mit den Zielen des Landesentwicklungsprogramms IV (LEP IV) sowie des Regionalen Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2015 (RROP 2015) vereinbar ist. Es ist damit die Anwendung von Rechtsnormen – hier des Landesplanungsgesetzes (LPlG) – auf einen bestimmten, überschaubaren Sachverhalt streitig. Hierin liegt ein der Feststellungsklage zugängliches Rechtsverhältnis (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1974 – 7 C 36/72 –, BVerwGE 45, 224 = juris Rn 11, und vom 13. Oktober 1971 – 6 C 57/66 –, BVerwGE 38, 346 = juris Rn. 26).

22

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Dieses ist gegeben, wenn die Rechtslage unklar ist, die zuständige Behörde anderer Rechtsauffassung als der Kläger ist und dieser sein künftiges Verhalten an der Feststellung orientieren will (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 28. November 1978 – II OE 105/76 –, NJW 1979, 997; VG Augsburg, Urteil vom 18. August 2016 – Au 5 K 16.577 –, juris Rn. 22), oder der Kläger Grund zur Besorgnis der Gefährdung seiner Rechte hat, z.B. wenn er der Auffassung ist, dass er für eine bestimmte Tätigkeit keine behördliche Erlaubnis benötigt, die Behörde insoweit jedoch eine andere Auffassung vertritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1972 – I C 33/68 –, BVerwGE 39, 247 = juris Rn. 7; OVG NW, Urteil vom 17. September 2013 – 13 A 1100/12 –, NVwZ 2013, 1555 = juris Rn. 56 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 43 Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Beklagte bestreitet die Vereinbarkeit der klägerischen Planung mit den vorgenannten Zielen der Raumordnung und Landesplanung und vertritt insoweit eine andere Rechtsauffassung als die Klägerin.

23

Entgegen der Auffassung von Beklagtem und Beigeladenen steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO will mithin unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht. Davon kann dann keine Rede sein, wenn die Feststellungsklage einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiter reicht, als er mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage erlangt werden kann, wenn also die genannten Klagemöglichkeiten zu keinem gleichwertigen Rechtsschutz führen. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn sich der Kläger mit der Erhebung einer Verpflichtungsklage in Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsauffassung setzen müsste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 2014 – 4 B 55/13 –, RdL 2014, 347 = juris Rn. 4 m.w.N., und Urteil vom 26. Septem- ber 2012 – 8 C 26/11 –, BVerwGE 144, 211 = juris Rn. 19; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 3. März 2016, 9 K 2050/14 –, juris Rn. 30). So liegt es hier, denn die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Planung nicht der Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens bedarf, weil sie mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung vereinbar ist, und sie strebt mit ihrem Hauptantrag die entsprechende Feststellung an. Mit dieser Feststellung würde sich eine auf Zulassung einer Zielabweichung gerichtete Verpflichtungsklage erübrigen. Hinzu kommt, dass die Klägerin in dieser Situation bei einer Verweisung auf die Durchführung einer Verpflichtungsklage auch in eine unsichere Rechtsposition gedrängt würde. Klagt sie nämlich auf Erteilung eines positiven Zielabweichungsbescheids und käme das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Planung mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung vereinbar ist, wäre die Klage mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen mit der Folge, dass sie als unterlegener Beteiligter gemäß § 154 Abs. 1 und 3 VwGO die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten eventuell Beigeladener tragen müsste.

24

Soweit der Beklagte und die Beigeladenen der von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage entgegenhalten, die Klägerin habe mit der unbedingten Stellung ihres Zielabweichungsantrags selbst zum Ausdruck gebracht, dass sie die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens für erforderlich erachte, steht dies der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Unabhängig davon, ob die Klägerin ursprünglich selbst der Auffassung gewesen ist, dass ihre Planung nur im Wege der Zielabweichung zulässig ist, oder ob sie den Zielabweichungsantrag im Hinblick auf die im Vorfeld des Verfahrens geäußerte Rechtsauffassung der oberen Landesplanungsbehörde (vgl. insoweit den Aktenvermerk der Beklagten vom 4. März 2013) gestellt hat, bestimmt sich das von der Klägerin angestrebte Rechtsschutzziel nach dem Parteiwillen, wie er sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aufgrund des gesamten Vorbringens darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2012 – 9 B 56/11 –, NVwZ 2012, 375 = juris Rn. 7, und Urteil vom 23. Februar 1993 – 1 C 16/87 –, NVwZ 1993, 781 = juris Rn 13). Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin hinreichend deutlich ihre Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht, die Planung bedürfe aufgrund ihrer Vereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung keiner Zielabweichung.

25

Schließlich fehlt der Feststellungsklage im Hinblick auf eine etwaige Bindungswirkung des hinsichtlich der Planung ergangenen Zielabweichungsbescheids nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere steht dem Vorhaben nicht die Tatbestandswirkung eines in Bestandskraft erwachsenen Zielabweichungsbescheids entgegen. Zwar folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG und § 43 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG –, dass ein (rechtswirksamer) Verwaltungsakt von allen Staatsorganen zu beachten und ihren Entscheidungen als gegeben zugrunde zu legen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2007 – 4 BN 17/07 –, BauR 2007, 1712 = juris Rn. 8 zu einem Zielabweichungsbescheid; Urteil vom 20. Januar 2003 – 4 CN 14/01 –, BVerwGE 117, 351 = juris Rn. 14) mit der Folge, dass die in dem Verwaltungsakt getroffene Regelung auch in anderen Verfahren als maßgeblich zu beachten ist. Gleichwohl schließt dies ein rechtlich schützenswertes Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung nicht von vornherein aus. Die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts hindert nämlich die zuständige Behörde nicht, den Verwaltungsakt von Amts wegen oder auf Antrag hin nach den Vorschriften der §§ 48 ff. VwVfG oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen durch einen Zweitbescheid aufzuheben oder abzuändern (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2014, § 43 Rn. 21). Sollte daher auf den Hauptantrag der Klägerin hin die begehrte Feststellung ausgesprochen werden, steht damit fest, dass es einer Zielabweichung nicht bedarf mit der Folge, dass sich der Zielabweichungsbescheid – insbesondere soweit er den Zielabweichungsantrag ablehnt – als rechtswidrig erweist. In diesem Fall kann die Klägerin gegenüber dem Beklagten zumindest die Rücknahme des Zielabweichungsbescheids gemäß § 48 VwVfG geltend machen, über die nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist.

 

2)

26

Die Klage auf Feststellung der Vereinbarkeit des geplanten großflächigen Möbeleinzelhandelsbetriebs mit den Zielen des Landesentwicklungsprogramms IV und den Zielen des Regionalen Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2015 ist jedoch unbegründet. Die Planung der Klägerin steht jedenfalls nicht mit dem in Ziel 58 LEP IV enthaltenen Integrationsgebot in Einklang (a) und ist auch nicht mit Ziel 46 RROP vereinbar (b).

27

a) Die Planung der Klägerin verstößt gegen das in Ziel 58 LEP IV enthaltene Integrationsgebot, weil der großflächige Möbeleinzelhandelsmarkt mit einem Verkaufsflächenanteil von 2.250 m² für innenstadtrelevante Sortimente nicht in einem städtebaulich integrierten Bereich, sondern in einem nach dem Einzelhandelskonzept der Klägerin als Ergänzungsstandort für großflächigen Einzelhandel mit nicht innenstadtrelevantem Sortiment ausgewiesenen Gemeindegebietsteil verwirklicht werden soll.

28

Gemäß Ziel 58 Satz 1 LEP IV ist die Ansiedlung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten nur in städtebaulich integrierten Bereichen, das heißt in Innenstädten und Stadt- sowie Stadtteilzentren, zulässig (städtebauliches Integrationsgebot). Die städtebaulich integrierten Bereiche (zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des BauGB) sind von den zentralen Orten in Abstimmung mit der Regionalplanung verbindlich festzulegen und zu begründen. Vorliegend ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass das geplante Sondergebiet „großflächiger Einzelhandel“ für einen Möbeleinzelhandelsmarkt mit einer Verkaufsfläche von 45.000 m² einschließlich 2.250 m² für innenstadtrelevante Sortimente in zweierlei Hinsicht die in der Rechtsprechung anerkannte Grenze der Großflächigkeit (derzeit 800 m² Verkaufsfläche, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 – 4 C 10/04 –, BVerwGE 124, 364 = juris Rn. 16 f.) überschreitet. Soweit die Klägerin der Auffassung ist, Ziel 58 LEP IV sei von vornherein nicht einschlägig, weil es nur großflächige Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevantem Kernsortiment betreffe, während der ihrer Planung zugrundeliegende Möbeleinzelhandelsmarkt als großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit nicht innenstadtrelevantem Kernsortiment vorrangig von Ziel 59 LEP IV mit der Möglichkeit der Errichtung an einem Ergänzungsstandort erfasst werde, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ist Ziel 58 Satz 1 LEP IV nach Auffassung der Kammer dahingehend zu verstehen, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe jedenfalls dann zwingend in städtebaulich integrierten Lagen anzusiedeln sind, wenn sie neben einem nicht innenstadtrelevanten Sortiment ein innenstadtrelevantes Randsortiment führen, das die anerkannte Grenze der Großflächigkeit um ein Mehrfaches (hier nahezu um ein Dreifaches) überschreitet.

29

Bereits der Wortlaut von Z 58 Satz 1 LEP IV streitet dafür, dass das Integrationsgebot nicht auf großflächige Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevantem Kernsortiment beschränkt ist, denn er spricht lediglich von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten. Maßgeblich ist danach bei großflächigem Einzelhandel die Zentrenrelevanz des Sortiments. Er enthält keine Differenzierung nach Haupt- oder Randsortimenten. Hätte der Verordnungsgeber – das Landesentwicklungsprogramm wird gemäß § 8 Abs. 1 Satz 7 LPlG durch Rechtsverordnung der Landesregierung für verbindlich erklärt – beabsichtigt, das Integrationsgebot nach Ziel 58 LEP IV nur auf großflächige Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevantem Kernsortiment zu beziehen, hätte es nahegelegen, dies auch im Wortlaut der Regelung eindeutig zum Ausdruck zu bringen, wie dies etwa in Raumordnungsprogrammen anderer Bundesländer (vgl. etwa Ziffer 2.3 03 Satz 6 Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen 2008; Z. 2.6.4 Landesentwicklungsprogramm Thüringen 2025) geschehen ist.

30

Auch eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung von Ziel 58 LEP IV führt zu dem Ergebnis, dass das Integrationsgebot auf Einzelhandelsbetriebe Anwendung findet, die innenstadtrelevante Sortimente jedenfalls in einem die Grenze der Großflächigkeit erheblich überschreitenden Umfang führen. Das Integrationsgebot hat die Aufgabe, die nach Art eines Kondominiums einander ergänzenden Rechtskreise Raumordnungs- und Städtebaurecht im Einzelfall zu verklammern und insbesondere die Handelsfunktion zu sichern und entwickeln zu helfen, welche vor allem in Innenstädten und Ortsmitten erfüllt werden soll. Ein attraktiver und funktionsfähiger Handelsplatz „Innenstadt“ ist eine der maßgeblichen Leitvorstellungen der Raumordnung. Deren Funktionsfähigkeit soll bei/trotz Ansiedlung oder Erweiterung von Einzelhandelsgroßprojekten gewahrt und gestärkt werden (vgl. zu Vorstehendem OVG Niedersachsen, Urteil vom 6. Juni 2016 – 1 KN 83/14 –, BauR 2016, 1439 = juris Rn. 29). Das den Schutz zentraler Versorgungsbereiche bezweckende Integrationsgebot dient damit der Sicherstellung einer raumstrukturell und -funktionell verträglichen Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe zum Schutz der zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde (vgl. Begründung zu Z 58 LEP IV, S. 98; ferner BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 4 C 8/10 –, BVerwGE 138, 301 = juris Rn. 18; VGH BW, Urteil vom 22. November 2013 – 3 S 3356/11 –, ESVGH 64, 127 = juris Rn. 45). Dieses Ziel würde unterlaufen werden, wenn außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit innenstadtrelevanten Sortimenten allein deshalb zugelassen werden könnte, weil sich das innenstadtrelevante Sortiment als Randsortiment darstellt, während ein vergleichbarer großflächiger Einzelhandelbetrieb mit innenstadtrelevantem (Kern)Sortiment zwingend nur in einer städtebaulich integrierten Lage zulässig wäre. Hinsichtlich etwaiger Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche macht es nämlich keinen Unterschied, ob innenstadtrelevante Sortimente als Kern- oder Randsortiment geführt werden. Insofern ist es erforderlich, für Neben- und Randsortimente eine deutliche Grenze zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2013 – 4 CN 6/11 –, BauR 2013, 1402 = juris Rn. 21; VGH BW, Urteil vom 4. Juli 2012 – 3 S 351/11 –, BauR 2013, 425 = juris Rn. 83).

31

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus einer Zusammenschau mit dem Ziel 59 LEP IV, im Gegenteil. Nach diesem Ziel ist die Ansiedlung und Erweiterung großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit nicht innenstadtrelevanten Sortimenten auch an Ergänzungsstandorten der zentralen Orte zulässig. Danach ist zur Steuerung der Entwicklung außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche eine Zulassung großflächiger Einzelhandelsbetriebe auch an anderen Standorten zulässig, ohne dass hierdurch die Zielrichtung des städtebaulichen Integrationsgebots nach Ziel 58 LEP IV in Frage gestellt wird. Zudem beschränkt Ziel 59 Satz 3 LEP IV innenstadtrelevante Sortimente auf Randsortimente mit innenstadtverträglicher Größenordnung. Ziel 59 LEP IV weist – im Gegensatz zu anderen Raumordnungsplänen und -programmen (vgl. etwa Ziffer 2.3 03 Satz 8 Buchst. a) Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen 2008; Ziffer 1.7.3.3 des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar) – zwar keine absolute Flächenobergrenze für innenstadtrelevante Randsortimente auf. Wie sich jedoch aus der Begründung des Landesentwicklungsprogramms IV (S. 99) ergibt, sollen innenstadtrelevante Randsortimente in der Regel nicht mehr als zehn Prozent der Verkaufsfläche umfassen. Diese Regel kann im Einzelfall hintanzustellen sein, wenn – wie hier – ein flächenintensives Hauptsortiment um ein sehr kleinteiliges, deutlicher weniger Fläche beanspruchendes Randsortiment ergänzt werden soll. Darüber hinaus ist aber eine Begrenzung der absoluten Größenordnung vor dem Hintergrund möglicher Beeinträchtigungen der zentralen Versorgungsbereiche u.a. der Standortgemeinde zu prüfen, wobei als Anhaltspunkt für die Beschränkung innenstadtrelevanter Randsortimente die Schwelle der Großflächigkeit dienen kann (vgl. S. 99 LEP IV, auch unter Z 60). Damit gibt auch Ziel 59 LEP IV deutlich zu erkennen, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe nur dann an Ergänzungsstandorten zulässig sein sollen, wenn sie innenstadtrelevante Randsortimente führen, die die Schwelle der Großflächigkeit jedenfalls nicht erheblich übersteigen. Dieser Ansatz ist im Ergebnis auch geeignet, schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche und Versorgungskerne zu verhindern oder zumindest zu begrenzen. Denn es liegt auf der Hand, dass die Attraktivität eines Sortiments mit dessen Umfang und den Möglichkeiten wächst, es darzubieten (vgl. HessVGH, Urteil vom 15. September 2015 – 4 C 2000/12.N –, juris Rn. 79). Wo dabei im Einzelnen die Grenze zu ziehen ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, denn die Planung der Klägerin für einen Möbeleinzelhandelsmarkt mit einer die Grenze zur Großflächigkeit um das fast Dreifache übersteigenden Verkaufsfläche für innenstadtrelevantes Angebot überschreitet jedenfalls deutlich das Maß dessen, was als Fläche für innenstadtrelevante Sortimente außerhalb integrierter Lagen zulässig ist.

32

Ist mithin das Integrationsgebot in Ziel 58 LEP IV auch von solchen großflächigen Einzelhandelsbetrieben zu beachten, die neben einem nicht innenstadtrelevanten Hauptsortiment innenstadtrelevante Randsortimente in deutlich die Grenze der Großflächigkeit überschreitendem Umfang führen, verstößt die streitgegenständliche Planung der Klägerin gegen dieses Ziel. Bereits aus diesem Grunde muss der Klage mit dem Hauptantrag der Erfolg verwehrt bleiben, so dass offenbleiben kann, ob die Planung darüber hinaus auch mit anderen Zielen des Landesentwicklungsprogramms IV – etwa dem Nichtbeeinträchtigungsgebot nach Ziel 60 LEP IV – kollidiert.

33

b) Des Weiteren verletzt die Planung der Klägerin auch das Ziel 46 Satz 1 des Regionalen Raumordnungsplans Rheinhessen-Nahe 2015. Danach ist die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf Industrie- und Gewerbeflächen nicht gestattet. Dem widerspricht die klägerische Planung, mit der die Ausweisung eines Sondergebiets „Großflächiger Einzelhandel“ auf einer mit dem Bebauungsplan „Gewerbe- und Industriepark B. am Rhein und G.“ bislang als Gewerbe- bzw. Industriegebiet festgesetzten Fläche verfolgt wird.

34

Die in Ziel 46 Satz 1 RROP 2015 enthaltene Regelung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf großflächige Einzelhandelsmärkte mit innenstadtrelevantem Kernsortiment beschränkt. Bereits der Wortlaut der Regelung spricht ganz allgemein von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten, ohne danach zu differenzieren, ob der großflächige Einzelhandelsmarkt innenstadtrelevante Sortimente als Kernsortiment oder als Randsortiment – in welcher Größenordnung auch immer – führt. Des Weiteren ergibt auch eine an Sinn und Zweck der Regelung orientierte Auslegung kein anderes Ergebnis. Das Verbot der Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf Industrie- und Gewerbeflächen dient zum einen dazu, vorhandene Gewerbe- und Industrieflächen für Nutzungen vorzuhalten, die in besonderem Maße auf große Grundstücke und Flächen angewiesen sind. Da diese auch für den Einzelhandel interessant sind, würde diese Intention bei einer Zulassung von großflächigem Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten gefährdet. Großflächiger innenstadtrelevanter Einzelhandel weist nämlich – unabhängig davon, ob als Kern- oder Randsortiment – eine gegenüber dem produzierenden Gewerbe deutlich höhere Flächenproduktivität auf und ist damit in der Lage, höhere Grundstücksmieten zu erwirtschaften mit der Folge, dass es infolge der höheren Wirtschaftskraft zu einem Verdrängungswettbewerb zu Lasten des produzierenden Gewerbes kommen kann. Dem will Ziel 46 Satz 1 RROP 2015 ersichtlich entgegenwirken. Zum anderen aber dient der Ausschluss von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf in der Regel nicht integrierten Industrie- und Gewerbeflächen zumindest auch dem Schutz einer verbraucherorientierten Versorgung (vgl. insoweit auch G 41 RROP sowie dessen Begründung, S. 34 des regionalen Raumordnungsplans). Auch diese Zielrichtung wäre gefährdet, wenn großflächig innenstadtrelevante Sortimente an nichtintegrierten Standorten angeboten würden. Insoweit kann auf die diesbezüglichen Ausführungen zu Ziel 58 LEP IV Bezug genommen werden, die sich gleichermaßen auf Ziel 46 RROP 2015 übertragen lassen.

35

Eine Vereinbarkeit der Planung der Klägerin mit Ziel 46 RROP 2015 ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass nach dessen Satz 2 für großflächigen Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten die planerischen Voraussetzungen (Sondergebiete) geschaffen werden sollen, in denen die Zweckbestimmung und Art der Nutzung geregelt ist (§ 11 BauNVO). Soweit die Klägerin Ziel 46 Satz 2 RROP 2015 für sich in Anspruch nimmt und in dem Sinn versteht, dass der Träger der Bauleitplanung durch Umplanung von Gewerbe- und Industrieflächen in Sondergebiete die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Sortimenten schaffen kann, missversteht er dessen Regelungsgehalt. Die Bestimmung in Ziel 46 Satz 2 RROP 2015 stellt keine Ausnahmeregelung von der in Satz 1 nach Wortlaut und Inhalt ersichtlich zielförmig normierten Unzulässigkeit großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf Industrie- und Gewerbeflächen dar, sondern regelt – wofür sowohl Wortlaut als auch der Verweis auf § 11 Abs. 3 der Baunutzungs-Verordnung (BauNVO) sprechen – lediglich die Form, in der die Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel geplant werden soll. Gegen eine Öffnungsklausel in Ziel 46 Satz 2 RROP 2015 für die Umnutzung von Gewerbe- und Industriegebieten spricht die Begründung zu Ziel 46 2015, wonach Einzelhandel mit innenstadtrelevantem Sortiment in Gewerbegebieten nicht zulässig und in erster Linie innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs anzusiedeln ist und bestehende Bebauungspläne dies berücksichtigen sollen und gegebenenfalls anzupassen sind (vgl. S. 35 des Regionalen Raumordnungsplans). Diese nach Vorstellung des Plangebers bestehende Anpassungspflicht von Bebauungsplänen an die in Ziel 46 Satz 1 RROP 2015 enthaltene Festlegung würde aber geradezu außer Kraft gesetzt, wenn – wie die Klägerin meint – Ziel 46 Satz 2 RROP 2015 die Ermächtigung für die Umplanung bestehender Gewerbe- und Industrieflächen enthielte. Gegen die Ansicht der Klägerin spricht ferner, dass ihr Verständnis von Ziel 46 Satz 2 RROP 2015 dazu führen würde, dass es letztlich der planenden Gemeinde auf der Ebene der Bauleitplanung überlassen bliebe, Umfang und Inhalt eines Ziels der Raumordnung und Landesplanung zu bestimmen und ggfls. zu umgehen. Eine solche Sichtweise wäre nur schwerlich mit dem System der überörtlichen und örtlichen räumlichen Gesamtplanung vereinbar, wie es in dem Verhältnis von Landesplanung/Raumordnung und Bauleitplanung zueinander mit der Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 des Baugesetzbuchs (BauGB) zum Ausdruck kommt. Hiervon ausgehend lässt Z 46 RROP 2015 zwar grundsätzlich die Ausweisung von Sondergebieten für großflächigen Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten – in der Regel in integrierten Lagen – zu, schließt aber zugleich diese Möglichkeit durch Umplanung bestehender Gewerbe- und Industrieflächen aus, zumal wenn es sich – wie bei dem in Rede stehenden Standort – um eine Gewerbe- und Industriefläche handelt, die bereits im Regionalen Raumordnungsplan Rheinhessen-Nahe 2004 als besonderer Standort für Industrie und Gewerbe ausgewiesen war (vgl. Ziffer 2.3.2 Ziel 2 RROP 2004) und nunmehr als Gewerbestandort mit überregionaler und regionaler Bedeutung definiert ist (vgl. Ziel 17 RROP 2015). Damit ist die von der Klägerin mit ihrer Planung beabsichtigte Umwandlung von Gewerbe- und Industrieflächen in ein Sondergebiet „Großflächiger Einzelhandel“ nur unter Verstoß gegen Ziel 46 Satz 1 RROP 2015 möglich, so dass die mit dem Hauptantrag erhobene Feststellungsklage auch insoweit unbegründet ist.

 

3)

36

Auch die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Zulassung einer Zielabweichung von Ziel 58 LEP IV und Ziel 17 RROP 2015 für die Darstellung eines Sondergebiets mit der Zweckbestimmung großflächiger Möbeleinzelhandel in dem beantragten Umfang hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Hinsichtlich beider Zielfestlegungen liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung nicht vor.

37

Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LPlG kann die obere Landesplanungsbehörde im Einvernehmen mit den fachlich berührten Stellen der oberen Verwaltungsebene die Abweichung von einem Ziel des Landesentwicklungsprogramms zulassen, wenn diese aufgrund veränderter Tatsachen oder Erkenntnisse unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und das Landesentwicklungsprogramm in seinen Grundzügen nicht berührt wird. Ergänzend bestimmt § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG, dass die obere Landesplanungsbehörde im Benehmen mit den fachlich berührten Stellen der oberen Verwaltungsebene und der jeweiligen Planungsgemeinschaft die Abweichung von einem Ziel des regionalen Raumordnungsplans zulassen kann, wenn diese aufgrund veränderter Tatsachen oder Erkenntnissen unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und der regionale Raumordnungsplan in seinen Grundzügen nicht berührt wird. Diese Voraussetzungen sind – ohne dass es hier ihrer vollständigen Betrachtung bedarf – nicht gegeben, denn die begehrte Abweichung von Ziel 58 LEP IV und Ziel 17 RROP 2015 (gemeint ist wohl zumindest auch Ziel 46 RROP) dürfte unter raumordnungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar sein (a); sie berührt jedenfalls die Grundzüge des Landes- und des Regionalplanes (b).

38

a) Wann die Zulassung einer Zielabweichung mit raumordnungsrechtlichen Gesichtspunkten vereinbar ist, ist im Gesetz selbst nicht definiert. Im Hinblick darauf, dass das Zielabweichungsverfahren lediglich die Korrektur seiner zielförmigen Aussagen im Einzelfall ermöglichen soll, wird eine Vertretbarkeit unter raumordnungsrechtlichen Gesichtspunkten dann anzunehmen sein, wenn wegen der veränderten Tatsachen die Zulassung einer Abweichung raumordnerisch sinnvoll ist und eine effektive Verwirklichung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung im Übrigen nicht erschwert wird (vgl. Bäumler in: Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, Landesplanungsgesetz, Stand: Oktober 2013, § 8 Anm. 4). Der Begriff der Vertretbarkeit mit raumordnungsrechtlichen Gesichtspunkten ist jedoch nicht mit dem Begriff der städtebaulichen Vertretbarkeit in § 31 Abs. 2 BauGB gleichzusetzen. Das Zielabweichungsverfahren ist vielmehr auf den Härtefall ausgerichtet, bei dem die Planaussage in Gestalt der Regelvorgabe dem Vorhaben zunächst entgegensteht, gleichwohl eine Zulassung vertretbar erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 4 C 8/10 –, BVerwGE 138, 301 = juris Rn. 27; Hess.VGH, Urteil vom 15. September 2015, a.a.O. = Rn. 57), wenn also raumordnerische Besonderheiten vorliegen (vgl. OVG NW, Beschluss vom 20. Mai 2014 – 11 A 2921/11 –, ZfB 2015, 40 = juris Rn. 45). Daran fehlt es vorliegend sowohl im Hinblick auf Ziel 58 LEP IV als auch hinsichtlich des Ziels 17 bzw. 46 RROP 2015. Zwar mag mit Blick auf das Einzelhandelskonzept der Klägerin die Zulassung einer Abweichung – wie auch mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Dezember 2015 vorgenommen – vom Ansatz her als raumordnerisch sinnvoll angesehen werden. Allerdings fehlt es in Bezug auf einen Möbeleinzelhandelsmarkt in der von der Klägerin ihrer Planung zugrunde gelegten Größe an einem die Zielabweichung rechtfertigenden Härtefall. Dieser liegt insbesondere nicht darin begründet, dass es sich bei dem geplanten großflächigen Möbelmarkt um einen Einzelhandelsbetrieb handeln würde, der von den in Rede stehenden Zielen der Raumordnung und Landesplanung nur unzureichend erfasst würde. Vielmehr würde eine effektive Verwirklichung sowohl von Ziel 58 LEP IV als auch von den Zielen 17 und 46 RROP 2015 erschwert, weil die Zulassung einer Verkaufsfläche von 2.250 m² für innenstadtrelevante Sortimente an einem nicht integrierten Standort – in einem als Gewerbe- und Industriefläche festgesetzten Bereich – das mit dem Integrationsgebot zum Ausdruck gebrachte Bestreben der Vermeidung von Beeinträchtigungen für die städtebaulich integrierten Bereiche in nicht geringem Umfang behindern würde. Hierfür sprechen auch die Feststellungen in dem Gutachten des Büros Dr. A., denen zur Überzeugung der Kammer realistischere Ansätze – etwa hinsichtlich der Bestimmung des Einzugsgebiets und der wegen der Nichtbenennung des ansiedlungswilligen Möbeleinzelhändlers höheren Flächenproduktivität je m² Verkaufsfläche – zugrunde liegen als der von der Klägerin vorgelegten Auswirkungsanalyse der XXX GmbH. Dass Gutachten, das nicht von vornherein unbeachtliche Zweifel an der Methodik der Auswirkungsanalyse der XXX GmbH aufzeigt, kommt – wie insbesondere die auf der Grundlage verschiedener Szenarien beruhenden Vergleichsberechnungen dokumentieren – letztlich zu dem Ergebnis, dass lediglich ein Möbelmarkt in der Größe, wie er in dem angefochtenen Zielabweichungsbescheid zugelassen wurde, mit Blick auf die Auswirkungen auf integrierte Lagen der Standortgemeinde und anderer Kommunen als noch mit dem Integrationsgebot vereinbar angesehen werden kann. Zudem würde die Zulassung eines Möbelmarktes in der der klägerischen Planung zugrunde liegenden Größe auch in erheblicher Hinsicht mit dem in der regionalplanerischen Festsetzung zum Ausdruck kommenden Willen, Gewerbe- und Industrieflächen dem produzierenden Gewerbe vorzubehalten, kollidieren, wenn auf einer solchen Fläche Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten in einer die Grenze zur Großflächigkeit um das fast dreifache übersteigenden Größe zugelassen werden würde.

39

b) Jedenfalls aber würden durch die Zulassung einer Zielabweichung in der von der Klägerin begehrten Größenordnung das Landesentwicklungsprogramm sowie der regionale Raumordnungsplan in ihren Grundzügen berührt. Was die "Grundzüge der Planung" im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 1 bzw. § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG sind, ist gesetzlich nicht definiert. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist darunter die Planungskonzeption zu verstehen, die die im Einzelnen aufgeführten Ziele trägt und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2005 – 9 VR 43/04 –, UPR 2005, 390 = juris Rn. 12). Insofern kann auf die zu § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010, a.a.O. = juris Rn. 26). Wann eine Planänderung die Grundsätze der Planung berührt, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Wie auch im Fall des § 31 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Frage, ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, weil sie nur den – gleichsam formalen – Festsetzungsinhalt treffen, nicht hingegen auch das, was an Planungskonzeption diese Festsetzung trägt, nach dem im Raumordnungsplan zum Ausdruck gekommenen planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte landesplanerische Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Die Abweichung muss – soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein – durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss – mit anderen Worten – angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (vgl. vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010, a.a.O. = juris Rn. 26 ;OVG RP, Urteil vom 5. September 2006 – 8 A 10343/06.OVG –, BauR 2007, 63 = juris Rn. 21 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 9. März 1990 – 8 C 76/88 –, BVerwGE 85, 66 = juris Rn. 19). Hieran gemessen sind die Grundzüge der Planung berührt, denn durch die Realisierung eines großflächigen Möbeleinzelhandelsmarkts mit einer Verkaufsfläche von 2.250 m² für innenstadtrelevante Sortimente würden – wie oben im Einzelnen unter Berücksichtigung der Hintergründe der Ziele ausgeführt – sowohl das Integrationsgebot als auch das Verbot der Zulassung von großflächigem Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf Gewerbe- und Industrieflächen wesentlich berührt. Beide Ziele treffen in ihrem jeweiligen Planungsgefüge grundlegende raumordnerische Entscheidungen bezüglich der Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten; die begehrte Abweichung erweist sich wegen Charakters und ihres Umfangs hinsichtlich beider Ziele nicht mehr von minderem Gewicht und berührt daher die Grundzüge des jeweiligen Raumordnungsplans.

40

Kann damit die beantragte Abweichung wegen einer Betroffenheit der Grundzüge beider Pläne nicht zugelassen werden, kommt es auf die von der Klägerin hilfsweise unter Beweis gestellte Tatsache – dass die von dem XXX GmbH-Gutachten für das geplante Vorhaben angenommene Flächenproduktivität von 1.800 je m² Verkaufsfläche angesichts des Wettbewerbsumfelds einen Worst-Case abbildet – aus Rechtsgründen nicht an.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen zu 1) und 2) keinen Antrag gestellt haben und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen sind, entspricht es billigem Ermessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

42

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

 

Beschluss

43

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).