Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 21. März
2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2016 wird
aufgehoben.
Die Beklagte hat die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des
Klägers gegen Sicherheitsleistung in einer die Kostenfestsetzung entsprechenden
Höhe abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der
Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid der beklagten Industrie- und
Handelskammer, deren Mitglied er ist.
Er
betreibt im Bezirk der Beklagten eine Unternehmensberatung, für die er zur
Gewerbesteuer veranlagt wird.
Mit
Bescheid vom 21. März 2016 setzte die Beklagte den IHK-Beitrag des Klägers für
das Jahr 2016 im Wege der vorläufigen Veranlagung auf der Bemessungsgrundlage
des Gewerbeertrags 2013 auf 181,48 € fest (davon 172,00 € Grundbeitrag und 9,48
€ Umlage).
Die
Festsetzung beruht auf der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das
Geschäftsjahr 2016, die die Vollversammlung der Beklagten in ihrer Sitzung am
9. Dezember 2015 beschlossen hat. Darin wird der Wirtschaftsplan 2016 im
Erfolgsplan mit Erträgen in Höhe von 8.367.900,00 €, Aufwendungen in Höhe von
12.760.200,00 €, geplantem Vortrag in Höhe von 0 € und einem Saldo der
Rücklagenveränderung in Höhe von Minus 4.392.300,00 €, sowie im Erfolgsplan mit
Investitionseinzahlungen in Höhe von 257.000,00 € und mit
Investitionsauszahlungen in Höhe von 464.500,00 € festgestellt.
Die
Beklagte wirtschaftet nach den Grundsätzen der Doppik. Im Jahresabschluss 2014
waren zum 31. Dezember 2014 eine Ausgleichs- und eine Liquiditätsrücklage
jeweils mit 4.700.000,00 €, eine Beitragssenkungsrücklage mit 3.530.387,21 €
und eine Instandhaltungsrücklage mit 300.000,00 € ausgewiesen. Ausweislich des
Jahresabschlusses 2015 bestanden die Ausgleichs- und die
Instandhaltungsrücklage zum 31. Dezember 2015 in unveränderter Höhe fort. Durch
Entnahmen zum Ausgleich eines negativen Jahresergebnisses wurde die
Beitragssenkungsrücklage dagegen vollständig aufgelöst und die Liquiditätsrücklage
auf 4.512.732,87 € reduziert. Unter Berücksichtigung der zum Jahresabschluss
2015 vorhandenen Rücklagen und nach Abzug der laut Wirtschaftsplan 2016
geplanten Rücklagenentnahmen für das Jahr 2016 war damit für 2016 eine
Ausgleichsrücklage in Höhe von 4.700.000,00 € – dies entspricht 36,82 % der
geplanten Aufwendungen –, eine Liquiditätsrücklage in Höhe von 120.432,87 € und
eine Instandhaltungsrücklage in Höhe von 300.000,00 € vorgesehen.
Nach
den Angaben in den Jahresabschlüssen 2014 und 2015 dient die Ausgleichsrücklage
zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen (2015 außerdem: zur
Absicherung allgemeiner Risiken) und die Liquiditätsrücklage zur
Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von
Krediten. Die Rücklagen für erhöhte Instandhaltungsarbeiten bestehen danach für
das unter Denkmalschutz stehende Gebäude S.-platz XX in M.
Die
Rücklagenentwicklung und die zugrundeliegende Risikoprognose war außerdem
Gegenstand einer Sitzung der Vollversammlung der Beklagten vom 7. September
2016. Die Vollversammlung nahm darin einstimmig eine Risikoprognose für die
Jahre 2015 bis 2016 zustimmend zur Kenntnis, in der die Gesamtrisikosumme der
Beklagten – bestehend aus den Einzelrisiken Einbruch und Schwankungen der Gewerbeerträge,
Gebührentatbestände, Steuernachzahlungen für die zurückliegenden Jahre,
biometrische Risiken Pensionen, Beteiligungen und Mitgliedschaften,
IT-Prozesse, Datenschutzvergehen, Rückzahlungsrisiko Fördermittel, fehlerhafte
Beschaffungsvorgänge, Verstoß gegen Geheimhaltungsrichtlinie, rechtliche
Risiken, Schadensereignisse, Vertragsrisiken, Personal und Finanzbereich – mit
5.436.000,00 € für das Jahr 2015 und 5.623.000,00 € für das Jahr 2016 beziffert
wurde. Außerdem beschloss die Vollversammlung eine geplante
Rücklagenentwicklung für das Jahr 2016, wonach die Rücklagen zum 31. Dezember
2016 in Höhe von 4.700.000,00 € Ausgleichsrücklage, 120.432,87 €
Liquiditätsrücklage und 300.000,00 € Instandhaltungsrücklage bestehen sollten.
Schließlich wurde die Bildung einer Zinsausgleichsrücklage zum 31. Dezember
2016 beschlossen.
Den
gegen die Beitragsfestsetzung gerichteten Widerspruch des Klägers wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2016 zurück. Der
Beitragsbescheid sei rechtmäßig, insbesondere sei die Rücklagenbildung nicht zu
beanstanden und entspreche den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts in
seinem Urteil vom 9. Dezember 2015 (10 C 6/15). Die Beklagte habe bereits im
Jahr 2006 durch ihre Vollversammlung den kontinuierlichen Abbau ihrer Rücklagen
mittels Beitragssenkung beschlossen und die Beitragssätze für das
Wirtschaftsjahr 2007 von 0,35 % auf 0,25 %, für 2008 von 0,25 % auf 0,12 % und
seit 2009 bis 2016 von 0,12 % auf 0,05 % gesenkt. Über diese
Wirtschaftsplan-Defizitfinanzierung habe sie ihre Rücklagen planmäßig abbauen
und damit den niedrigen Beitragssatz finanzieren können. Außerdem habe sie seit
dem Jahr 2012 ein Risikomanagementsystem eingerichtet, das die
rücklagenrelevanten Risiken erfasse und quantifiziere. Dies ermögliche eine
sachgerechte und systematische Ermittlung sowie eine systematische Gewichtung
der relevanten Risiken. Die Ausgleichsrücklage, die der Absicherung der Risiken
ertragswirksamer Schwankungen diene, sei durch dieses Risikomanagementsystem jährlich
mit einer tragfähigen Risikoprognose unterlegt und in ihrer aktuell dotierten
Höhe von 4,7 Mio. € sachgerecht begründet. Auch die anderen Rücklagen seien
ordnungsgemäß dotiert und in ihrer Höhe im Hinblick auf den jeweils verfolgten
Zweck angemessen. Es handele sich um zweckgebundene Rücklagen, deren Bildung
durch § 15a Abs. 2 Finanzstatut legitimiert sei und die einen hinreichend
konkreten Verwendungszweck aufwiesen, der im sachlichen Zusammenhang mit der
ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch die Beklagte stehe. Dies gelte auch
für die Beitragssenkungsrücklage, die zum 31. Dezember 2015 aber ohnehin
vollständig aufgelöst worden sei und damit für die streitgegenständliche
Beitragsveranlagung des Jahres 2016 nicht entscheidungserheblich sei. Die Liquiditätsrücklage
werde planmäßig mit dem Jahresabschluss 2016 abgebaut.
Der
Kläger hat am 27. Oktober 2016 Klage erhoben. Der Bescheid sei rechtswidrig, da
Mitgliedsbeiträge nur insoweit erhoben werden dürften als nicht anderweitige
Mittel zur Verfügung stünden. Die Beklagte könne aber allein aus den zu hoch
dotierten Mitteln der Rücklagen ihre laufenden Kosten anderweitig decken. Wegen
einer überhöhten Rücklagenbildung beruhe der Beitragsbescheid deshalb auf einer
rechtswidrigen Wirtschaftsplanung der Beklagten. Die Rechtswidrigkeit der
Wirtschaftsplanung folge zunächst daraus, dass es an einer
(formal)ordnungsgemäßen Beschlussfassung der Vollversammlung zur
Rücklagenbildung für das Jahr 2016 fehle. Eine solche setze voraus, dass die
Mitglieder der Vollversammlung vor der Beschlussfassung über den Haushalt und
die Rücklagenbildung umfassend informiert worden seien und dies entsprechend
dokumentiert worden sei, was hier nicht erfolgt sei. Auch formelle Fehler der
Wirtschaftsplanung führten dabei zur Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung.
Die Annahme der Beklagten, hinsichtlich der Zulässigkeit der Rücklagenbildung
komme es allein auf eine materielle Betrachtung an, die sich ggf. auch
nachträglich herstellen bzw. begründen ließe, gehe dagegen fehl. Die
erforderliche Risikoabschätzung könne nach dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 vielmehr nur ex-ante erfolgen.
Im Nachhinein könne nicht mehr ermittelt werden, wie die Vollversammlung der
Beklagten in Kenntnis der Fakten unter Beachtung des Gebots der
Schätzgenauigkeit gehandelt hätte. Deswegen sei auch eine Korrektur durch eine
nachträgliche Beschlussfassung ausgeschlossen, da hierdurch das
Gestaltungsrecht bzw. die Gestaltungspflicht der Vollversammlung nicht ausgeübt
werden könne. Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2016 sei außerdem materiell
rechtswidrig, da die Beklagte bei dessen Aufstellung den ihr zustehenden
Gestaltungsspielraum überschritten habe. Die Rücklagenbildung sei überhöht und
verstoße gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit. Hinsichtlich der für die
erforderliche Risikoprognose maßgeblichen Tatsachengrundlage sei dabei der
Jahresabschluss zum Dezember 2014 zugrunde zu legen. Es treffe zwar zu, dass
für die Planung des Jahres 2016 ggf. auch auf aktuelle Entwicklungen aus dem
Haushaltsjahr 2015 eingegangen werden könne bzw. müsse. Dies gelte aber nur
dann, wenn sich anhand der Beratungen und Beschlüsse der Vollversammlung
nachvollziehen lasse, welche dieser Entwicklungen tatsächlich in die Beratungen
und die Beschlussfassung über den Haushalt 2016 eingeflossen seien. Dies sei
von der Beklagten nicht dargelegt, so dass nur die Zahlen des Jahresabschlusses
2014 als Kalkulationsgrößen für die Planung des Jahres 2016 heranzuziehen
seien. Auf dieser Tatsachengrundlage sei die Wirtschaftsplanung materiell
fehlerhaft, da die Rücklagen zu hoch dotiert seien. Nach der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 sei eine pauschale Festlegung
von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig. Dies gelte
auch für die Aufstellung eines Wirtschaftsplans nach den Grundsätzen der
Doppik. Daran gemessen sei die Ausgleichsrücklage für das Jahr 2016
rechtswidrig gebildet worden. Unzulässig sei bereits die pauschale Festlegung
in dem Finanzstatut der Beklagten, wonach die Ausgleichsrücklage bis zu 50 %
der geplanten Aufwendungen betragen dürfe. Daneben sei auch die durch die
Vollversammlung der Beklagten beschlossene Dotierung der Rücklagen innerhalb
des satzungsrechtlichen Korridors rechtswidrig, da die zum 31. Dezember 2014
bestehende Ausgleichsrücklage in Höhe von 4.700.000,00 € den notwendigen Bedarf
bei weitem übersteige. Die Beklagte könne nicht ernsthaft behaupten, dass für
das Jahr 2016 ein Beitrags- bzw. Ergebniseinbruch in dieser Größenordnung zu befürchten
sei. Insoweit seien auch Erfahrungswerte im Hinblick auf eine frühere – hier
wohl nicht erfolgte – Inanspruchnahme der Rücklage zu berücksichtigen. Gegen
eine Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit spreche weiter, dass die
Beklagte die Ausgleichsrücklage seit dem Jahr 2008 unverändert in gleicher Höhe
gebildet habe. Dies sei rechtfertigungsbedürftig, da sich das Haushaltsvolumen
in diesen Jahren verändert habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die
Beklagte mit der jährlichen Festlegung der Beiträge über die Wirtschaftssatzung
die Beitragseinnahmen passgenau steuern könne. Gegen eine sachgerechte Ausübung
des Gebots der Schätzgenauigkeit spreche weiter der Konjunkturbericht der
Beklagten aus dem Herbst 2015 für das Jahr 2016, wonach sich die Konjunktur
stabil auf hohem Niveau bewege und die Unternehmen mit einer Verbesserung ihrer
Geschäfte rechneten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es aus dem normalen
Geschäftsbetrieb der Beklagten erhebliche unbekannte Risiken gebe, die eine
erhebliche Rücklagenbildung rechtfertigen könnten. Die Behauptung der
Beklagten, es handele sich bei der Ausgleichsrücklage um eine Insolvenzrücklage
gehe fehl, da die Beklagte kraft Gesetzes nicht insolvenzfähig sei. Letztlich
werde durch die Ausführungen der Beklagten zum Rücklagenabbau bestätigt, dass
jahrelang rechtswidrig Vermögen gebildet worden sei. Die unzulässig gebildeten
Rücklagen habe die Beklagte für den Haushalt 2016 nicht konsequent genug
rückgeführt. Fehlerhaft sei weiter, dass neben der Ausgleichsrücklage eine
weitere Rücklage in Höhe von 300.000,00 € vorgesehen sei, ohne dass erkennbar
sei, wofür diese weitere Rücklage benötigt werde. Instandhaltungsarbeiten seien
nicht durch eine Rücklage abzusichern, sondern für den laufenden Haushalt
einzuplanen und aus ihm zu finanzieren. Anderes könne zwar bei einer
Baurücklage für größere Projekte gelten. Solche Rücklagen seien aber an klare
Vorgaben gebunden und nur zulässig, wenn ihr Bedarf dem Zweck nach und im
Hinblick auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme hinreichend konkretisiert sei.
Dies sei hier nicht der Fall. Vielmehr bestätige sich durch den Vortrag der
Beklagten, wonach aktuell Leistungsangebote eingeholt würden, dass zum
Zeitpunkt der Bildung der Rücklagen bzw. der Beschlussfassung über den Haushalt
2016 die Voraussetzungen zur Bildung oder Schonung einer solchen Rücklage nicht
erfüllt gewesen seien.
Der
Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21. März
2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2016 aufzuheben.
Die Beklagte
beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie
trägt vor, der Beitragsbescheid sei rechtmäßig. Sie habe weder im
streitgegenständlichen Jahr 2016 noch in den Vorjahren eine unzulässige
Vermögensbildung betrieben. Der Vortrag des Klägers sei zu pauschal und
unsubstantiiert und nicht geeignet, das Gericht zur umfassenden Prüfung des
Finanzgebarens der Beklagten zu veranlassen. Eine vollständige
verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Wirtschaftsplanungen der Beklagten
könne nicht begehrt werden. Die Bildung von Rücklagen sei nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts prinzipiell zulässig und den
Industrie- und Handelskammern stehe hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
Die Rücklage müsse lediglich auf einer sachgerechten und vertretbaren Prognose
basieren. Nicht entscheidend sei dagegen, ob sich die Prognose im Nachhinein
als richtig erweise. Ebenso wenig müsse die Industrie- und Handelskammer für
ihre Prognose eine ganz bestimmte Methode anwenden. Insoweit dürften an das
haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit keine überzogenen oder
strengeren Anforderungen gestellt werden als an die Haushaltsplanung des
parlamentarischen Gesetzgebers. Verboten sei lediglich das Verschleiern oder
Vortäuschen von Beträgen und Sachverhalten. Außerdem bewirke nicht jeder (auch
nur formelle oder finanziell unerhebliche) Fehler in der Wirtschaftsplanung die
Rechtswidrigkeit der gesamten Beitragsveranlagung bzw. die Unwirksamkeit des
Haushaltsplans oder der Haushaltssatzung des relevanten Jahres. Anderenfalls
wäre die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres
haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig und die Beklagte könne für das
betreffende Jahr keinen rechtmäßigen Beitragsbescheid mehr erlassen, obwohl sie
hierzu nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG objektiv-rechtlich verpflichtet sei. Die
Heilungsmöglichkeit durch eine Nachtragswirtschaftssatzung stehe einer
Industrie- und Handelskammer nach Abschluss eines Wirtschaftsjahres nämlich
nicht mehr zur Verfügung. Im Interesse der Finanzierungssicherheit sowie der
Abgabengerechtigkeit sei deshalb eine materielle Betrachtungsweise vorzunehmen.
Ein rein formaler Fehler habe dagegen nur dann die Rechtswidrigkeit der
Beitragsveranlagung zur Folge, wenn er sich inhaltlich auf die Rücklagenhöhe und
damit einhergehend auf die Mittelbedarfsfeststellung ausgewirkt habe. Für das
IHK-Mitglied sei nämlich allein entscheidend, ob der in der Wirtschaftssatzung
festgesetzte Beitragssatz dem Kostendeckungsprinzip entspreche, der durch
Beiträge abzudeckende Mittelbedarf also in der Sache richtig sei. Allein ein
materieller Ansatz werde auch der Rechtsnatur des Wirtschaftsplans bzw. der
Wirtschaftssatzung als Rechtsnorm gerecht. Aus diesem Grund könnten die
risikorelevanten Gesichtspunkte – unter Berücksichtigung der geforderten ex
ante-Perspektive – noch nachträglich und bis zum Abschluss des gerichtlichen
Verfahrens dargelegt werden. Dagegen komme es nicht auf eine streng formale
Sicht an, ob eine Vollversammlung die Risiken im Zeitpunkt der Aufstellung des
Wirtschaftsplans konkret und uneingeschränkt validiert und dies dokumentiert
habe. Tatsächlich sei die Rücklagendotierung hier aber auch formell
ordnungsgemäß erfolgt. Die Anforderungen des Finanzstatuts seien beachtet
worden und die Vollversammlung habe sich mit der Rücklagendotierung und den
relevanten Aspekten ausreichend befasst. So seien die relevanten
Haushaltsfragen zunächst vorbereitend in der Etatkommission und anschließend im
Präsidium erörtert worden. Die Mitglieder der Vollversammlung hätten vor der
Sitzung alle relevanten Unterlagen (insbesondere die Tagesordnung, die Entwürfe
des Wirtschaftsplans sowie der Wirtschaftssatzung und eine Hochrechnung der
Daten zum jeweils laufenden Wirtschaftsjahr) erhalten. In der Vollversammlung
habe der Hauptgeschäftsführer alle wesentlichen haushaltsrelevanten
Einzelpositionen – einschließlich der Informationen über Zweck, Art und Höhe
der vorgeschlagenen Rücklagen – im Detail vorgestellt. Vor der Beschlussfassung
hätten die Mitglieder Fragen stellen können. Dieses Verfahren entspreche den
Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts, das auch für die Aufstellung des
Wirtschaftsplans einer Industrie- und Handelskammer gelte. Im beschlossenen
Gesamtplan seien dagegen weder die Höhe noch die sachliche Berechtigung einzelner
Rücklagen abzubilden, sondern lediglich die Entnahmen aus und die Zuführung zu
Rücklagen. Der tatsächliche Bestand an Rücklagen werde entsprechend § 85 Nr. 2
der Bundeshaushaltsordnung als Übersicht zur jährlichen Haushaltsrechnung für
das abgelaufene Haushaltsjahr offengelegt. Diese Bilanzen würden den
Mitgliedern der Vollversammlung übersandt und außerdem im Internet
veröffentlicht. Obwohl damit bei der Beschlussfassung im Dezember 2015 bereits
alle formellen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien, habe sich die
Vollversammlung in ihrer Sitzung vom 7. September 2016 nochmals intensiv mit
der relevanten Risikobetrachtung befasst und dabei die IHK-spezifischen Risiken
sachgerecht und vertretbar quantifiziert. Weiter sei die satzungsrechtliche
Regelung eines Rücklagenkorridors im Finanzstatut nicht zu beanstanden. Die
konkrete Ausgleichsrücklage sei auch materiell dem Grunde und der Höhe nach
rechtmäßig gebildet. Grundlage für die maßgebliche Prognose sei nicht allein
der Jahresabschluss 2014, die Beklagte habe vielmehr ergänzend auch die
Entwicklungen durch den Wirtschaftsplan 2015 und die Hochrechnung für die Jahre
2015 und 2016 in den Blick zu nehmen. Dabei habe die Ausgleichsrücklage den
zulässigen Zweck, haushalterische Risiken abzudecken und diene nach § 15a Abs. 2
des Finanzstatuts dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen. Sie werde
gebildet, um eine hinreichende Risikovorsorge zu betreiben und die Beiträge
auch bei schwankender Konjunktur stabil halten zu können. Die mit der
Ausgleichsrücklage abzufangenden möglichen Schwankungen könnten sich
insbesondere ergeben infolge der heterogenen Wirtschaftsstruktur des
IHK-Bezirks und der damit einhergehenden vielfältigen Abhängigkeit von
strukturellen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu der Gefahr
mehrjähriger wirtschaftlicher Rezessionen, des Ausfalls mehrerer bzw. großer
Beitragszahler, der Orientierung des IHK-Beitrags an der gewerbesteuerlichen
Bezugsgröße des Gewerbeertrags und damit der Anlehnung an das
Gewerbesteueraufkommen, das hohen Schwankungen unterliege und deshalb zu
Schätzungsrisiken bei der Prognoseentscheidung im Rahmen der Haushaltsplanung
führe. Hinzugekommen seien im Hinblick auf den seit 2014 erweiterten
Rücklagenzweck weitere haushalterische Risiken, so insbesondere infolge
möglicher gesetzgeberischer oder durch Rechtsprechungsentwicklung ausgelöste
Änderungen im Bereich des Gewerbesteuerrechts oder des IHK-Gesetzes, des
Rückgangs von Entgelt- und Gebühreneinnahmen (insbesondere für Prüfungen und
berufliche Weiterbildungsveranstaltungen), möglicher Schadensersatzforderungen
anderer Kammern und der Prüfungsteilnehmer wegen bundesweiter Wiederholungen
bundeseinheitlicher Prüfungen aufgrund schuldhafter Verletzungen der
Geheimhaltungspflichten durch Mitarbeiter der Beklagten, möglicher
Nachbesteuerung einzelner Tätigkeiten für vergangene Jahre, biometrischer
Risiken im Hinblick auf die Pensionsrückstellung, Risiken im Zusammenhang mit
den IT-Prozessen und weiterer rechtlicher Risiken. Dieses (nicht abschließende)
Risikoszenario liege tatsächlich und jährlich wiederkehrend vor und mache die
Vorhaltung einer angemessenen Ausgleichsrücklage zwingend erforderlich. Dagegen
könne die Beklagte das Beitragsaufkommen nicht durch die jährliche Festlegung
der Beiträge passgenau steuern und die Bestimmung des Schwankungsrisikos auf
den Jahreszyklus beschränken, da es zwei bis vier bzw. fünf Jahre dauern könne,
bis die Finanzverwaltung die endgültigen Bemessungsgrundlagen melde und das
jeweilige Jahr auf dieser Grundlage abgerechnet werden könne, um die daraus
resultierenden Nachforderungen oder Rückzahlungen wahrzunehmen. Hinzukomme,
dass sich die jeweiligen Konjunkturprognosen nicht auf das laufende
Beitragsjahr, sondern erst in künftigen Jahren auswirkten, da die Grundbeiträge
und Umlagen zunächst gegenwartsbezogen auf Basis geschätzter
Bemessungsgrundlagen veranlagt und erst mehrere Jahre später nach der
finanzamtlichen Mitteilung der tatsächlichen Bemessungsgrundlage festgesetzt
würden. Die Ausgleichsrücklage sei im Hinblick auf die beschriebenen
Schwankungsrisiken auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der
vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten
Konjunkturkrisen gebildet. Es sei dagegen nicht entscheidend, ob die Beklagte
die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit habe in Anspruch nehmen müssen. Es
handele sich nämlich nach ihrem Sinn und Zweck um eine „Insolvenzrücklage“, die
– etwa wie eine Brandschutzversicherung – im Fall der Fälle zur Verfügung
stehen und die Handlungsfähigkeit und sachgerechte Aufgabenerfüllung der
Beklagten sichern müsse. Zur Ermittlung und Validierung der Risiken habe die
Beklagte sei dem Jahr 2012 ein Risikomanagementsystem eingeführt, mit dessen
Hilfe die rücklagenrelevanten Risiken ermittelt, quantifiziert und systematisch
gewichtet würden. Die Ausgleichsrücklage sei durch dieses System jährlich mit
einer tragfähigen Risikoprognose unterlegt und deren Höhe von 4,7 Mio. €, die
mit 36,8 % der geplanten Aufwendungen am unteren Ende des satzungsrechtlichen
Rücklagenkorridors liege, hierdurch sachgerecht und vertretbar begründet. Die
Eignung des Risikomanagementsystems für die Risikobewertung sei nochmals im
Zuge des Jahresabschlusses 2016 von den Rechnungsprüfern der Beklagten geprüft
und testiert worden. Die Rechnungsprüfungsstelle habe hierzu festgestellt, dass
für die Dotierung der Ausgleichsrücklage in Umsetzung des Gebots der
Schätzgenauigkeit eine Risikoinventur zur Ermittlung des Gesamtrisikovolumens
durchgeführt worden sei, hierzu die identifizierten Risiken nach
Eintrittswahrscheinlichkeit, Zeitbezug und Schadenshöhen bzw. -bändern bestimmt
worden seien, so das maximal zu erwartende Gesamtrisikovolumen gewichtet
hergeleitet worden sei und die der Risikoermittlung zugrunde liegenden Annahmen
plausibel aus den spezifischen Gegebenheiten abgeleitet worden seien. Weiter
seien auch die anderen Rücklagen rechtmäßig dotiert. Die
Instandhaltungsrücklage diene einem konkreten Verwendungszweck, der im
sachlichen Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch die
Beklagte stehe. Die Vorhaltung einer Instandhaltungsrücklage als
zweckgebundener Rücklage sei zulässig und die Entscheidung zu deren Bildung
sachgerecht und vernünftig. Die Höhe der Rücklage sei im Hinblick auf den
verfolgten Zweck angemessen. Die Mittel dienten der Finanzierung von
Instandhaltungsmaßnahmen, insbesondere an dem denkmalgeschützten IHK-Gebäude in
M. Der prognostizierte Finanzbedarf für die erforderlichen
Instandhaltungsmaßnahmen am Dach, der Fassade und am Heizungssystem dieses Gebäudes
betrage etwa 500.000,00 €. Hinzu komme ein weiterer Instandhaltungsbedarf an
einem IHK-Gebäude in W. in Höhe von etwa 150.000,00 €. Der Bedarf sei damit
konkret beziffert und die Kostenschätzung durch eine gutachterliche
Stellungnahme eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen
bestätigt. Nicht einbezogen worden seien dabei die Kosten für laufende
Instandhaltungen bzw. Instandsetzungen, die aus dem laufenden Haushalt
finanziert würden. Demgegenüber seien die Instandhaltungsrücklagen entgegen der
Auffassung des Klägers nicht aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren.
Geschäfte der laufenden Verwaltung seien nur solche, die gleichsam alltäglich
anfielen oder anfallen könnten und keinen solchen Finanzbedarf auslösten,
dessen Behandlung in die Budgethoheit der Vollversammlung falle. Ein solches
Geschäft liege bei der Beauftragung der betroffenen Instandhaltungsmaßnahmen
mit einem höheren sechsstelligen Volumen nicht vor. Die Voraussetzungen zur
Bildung der Instandhaltungsrücklage seien auch bereits bei der Beschlussfassung
über den Haushalt 2016 erfüllt gewesen. Hinsichtlich der Höhe der Rücklagen
müsse schließlich berücksichtigt werden, dass die Beklagte ihre Rücklagen seit
Jahren im Wege einer Defizitplanung abgeschmolzen und dadurch die Beitragslast
gering gehalten habe. Schließlich seien bei der Bewertung der Rücklagen die
Besonderheiten des doppischen Haushalts zu würdigen, wohingegen der vom
Bundesverwaltungsgericht entschiedene Fall einen Haushalt betroffen habe, der
nach den Grundsätzen der Kameralistik aufgestellt worden sei. Die Betrachtung
einer Rücklage als Mittelreserve sei aber seit Einführung der doppischen
Haushaltsführung nicht mehr möglich und führe zu einem fehlerhaften
verwaltungsgerichtlichen Prüfungsansatz. Während Rücklagen in der Kameralistik
der Ansammlung liquider Mittel für bestimmte Zwecke gedient hätten und zu 100%
mit Barmitteln hinterlegt gewesen seien, seien sie in der Doppik Teil des
Eigenkapitals und damit den Passiva zugeordnet. Die Ausweisung eines bestimmten
Betrags bei einer Rücklagenposition lasse in einem doppischen System indes
nicht den Schluss zu, dass der so zweckbestimmte Betrag tatsächlich zur
Verfügung stehe, also der Rechtsträger insoweit „liquide“ sei. Es verbiete sich
deswegen – anders als in der Kameralistik – eine Gleichsetzung von Rücklagen
und Mittelreserve. Über welches Vermögen die Körperschaft verfüge, lasse sich
nur durch den Blick auf die Aktivseite des Haushalts bzw. der Bilanz bestimmen.
Bei der Beklagten sei ein derart zweckfreies Vermögen bzw. ungebundene liquide
Mittel nicht vorhanden gewesen. Sämtliche Mittel auf der Aktivseite seien für
Zwecke zulässiger IHK-Tätigkeiten vorgesehen gewesen bzw. an solche Zwecke
gebunden.
Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen, die dem Gericht vorlagen und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die
zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
1.
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur
vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern – Industrie-
und Handelskammergesetz, IHKG – i.V.m. § 1 der Beitragsordnung der Beklagten.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der
Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach
Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer
Beitragsordnung aufgebracht. Die Beitragserhebung knüpft also nach der
gesetzgeberischen Konzeption an eine zweistufige Willensbildung der Industrie-
und Handelskammer an. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den
Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Dieser gilt für ein Haushaltsjahr
(Wirtschaftsjahr) und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem
Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer
prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben
den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer
zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung
im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (vgl. BVerwG,
Urteil vom 9. Dezember 2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 12;
VGH BW, Urteil vom 2. November 2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 29).
a) Die
Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung setzt also voraus, dass – auf einer ersten
Stufe – die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan
(Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt
und – auf einer zweiten Stufe – der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan)
festgesetzte Mittelbedarf der Kammer durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf
die Kammerzugehörigen umgelegt und die Beitragsordnung im Einzelfall fehlerfrei
angewendet wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 10 C 6/15 –,
BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 13). Demnach ist in einem
Beitragsanfechtungsverfahren nicht nur die – hier nicht beanstandete – Umlegung
des festgestellten Mittelbedarfs auf die Kammerzugehörigen gerichtlich zu
überprüfen, sondern inzident auch die Festsetzung des Mittelbedarfs im
Wirtschaftsplan (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 10 C 6/15 –,
BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 13 und 15; VGH BW, Urteil vom 2. November 2016 –
6 S 1261/14 –, juris Rn. 30).
b) Die
gerichtliche Kontrolldichte bei der Überprüfung der Haushaltspläne
(Wirtschaftspläne) ist allerdings beschränkt. So kommt den Industrie- und
Handelskammern bei deren Aufstellung aufgrund ihrer Selbstverwaltungsautonomie
ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle
unterliegt aber, ob die Industrie- und Handelskammer bei der Ausübung dieses
Gestaltungsspielraums den hierfür konkret in den jeweils zu beachtenden
Rechtsnormen angelegten Rahmen gewahrt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember
2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16; VGH BW, Urteil vom 2.
November 2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 30). § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet
insoweit bei Aufstellung und Ausführung der Wirtschaftspläne die Beachtung der
Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine
pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Außerdem
sind nach § 3 Abs. 7a IHKG für die Aufstellung und den Vollzug der
Wirtschaftspläne – unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen
Haushaltsrechts – die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung
in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches anzuwenden.
Schließlich sind die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie
ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.
Dezember 2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16). Zu den
Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt dabei das Gebot der
Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der
Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine
Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht
ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.
Dezember 2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16; BVerfG, Urteil
vom 9. Juli 2007 – 2 BvF 1/04 –, BVerfGE 119, 96 und juris Rn. 104; VGH BW,
Urteil vom 2. November 2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 30). Verletzt ist das
Gebot der Schätzgenauigkeit dabei jedenfalls durch bewusst falsche Etatansätze,
aber auch durch "gegriffene" Ansätze, die trotz naheliegender
Möglichkeiten besserer Informationsgewinnung ein angemessenes Bemühen um
realitätsnahe Prognosen zu erwartender Einnahmen oder Ausgaben vermissen lassen
(vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 – 2 BvF 1/04 – BVerfGE 119, 96 und juris
Rn. 104).
c) Bei
der Überprüfung von Rücklagen ist weiter zu berücksichtigen, dass den Kammern
die Bildung von Vermögen verboten ist. Das schließt die Bildung von Rücklagen
zwar nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger
Kammertätigkeit. Grundsätzlich handelt es sich insoweit bei den Mitteln für
angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im
Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch
Beiträge zu decken sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 10 C 6/15
–, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16). Insbesondere handelt es sich bei der
Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder -ausfällen
um einen solchen sachlichen Zweck, der sich im Rahmen zulässiger
Kammertätigkeit bewegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 10 C 6/15 –,
BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 18; VGH BW, Urteil vom 2. November 2016 – 6 S
1261/14 –, juris Rn. 34).
Weiter
muss allerdings auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck
gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre
nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung
gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage
nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst
wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das
Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem
Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) – und damit jährlich – erneut treffen. Ein
Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein,
wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er
eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 –
10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 18; VGH BW, Urteil vom 2. November
2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 31).
d) An
diesen Grundsätzen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik festzuhalten.
So ist die Bildung von angemessenen Rücklagen nach der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015, die eine nach den Grundsätzen
der Kameralistik aufgestellte Haushaltsplanung betraf, ausdrücklich auch nach
der Einführung der Verwaltungsdoppik für die Industrie- und Handelskammern als
nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin
notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung (vgl. BVerwG, Urteil
vom 9. Dezember 2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16 f.
m.w.N.). Die zwischen Kameralistik und Doppik im Hinblick auf Rücklagen
bestehenden Unterschiede rechtfertigen aus Sicht der Kammer auch in der Sache
kein Abweichen vom Prüfungsmaßstab und -umfang. Zwar werden im doppischen
System Rücklagen buchungstechnisch nicht auf der Aktivseite, sondern als
Passivposten der Jahresbilanz dargestellt. Die bei Bedarf verfügbaren liquiden
Mittel sind demgegenüber allein auf der Aktivseite, insbesondere im
Umlaufvermögen, ausgewiesen. Anders als unter der Kameralistik sind die
Rücklagen in der Doppik demnach nicht unmittelbar mit liquiden Mittel
gleichzusetzen. Allerdings sind auch im doppischen System die auf der
Passivseite einer Vermögensrechnung aufgeführten Rücklagen durch entsprechende
Aktiva zu unterlegen, die gegebenenfalls kurzfristig aufgelöst werden können,
da sie nur so den ihnen zugeschriebenen Zweck erfüllen können (vgl. VGH BW,
Urteil vom 2. November 2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 33 m.w.N.; VG Köln,
Urteil vom 15. Februar 2017 – 1 K 1473/16 –, GewArch 2017, 194 und juris Rn. 69
ff.; VG Braunschweig, Urteil vom 20. April 2017 – 1 A 221/16 –, UA S. 11 f.).
Nichts Anderes gilt auch im Falle der Beklagten. Ausweislich der Bilanz 2015
betrug das Umlaufvermögen der Beklagten zum 31. Dezember 2015 11.047.022,25 €,
davon allein 10.414.480,72 € Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei
Kreditinstituten und Schecks. Die Kammer geht daher davon aus, dass die
Rücklagen tatsächlich mit ausreichend liquiden Mitteln hinterlegt waren. Dem
steht nicht entgegen, dass das Umlaufvermögen nach den Angaben der Beklagten
auf der Passivseite nicht nur die Rücklagen, sondern auch die
Pensionsrückstellungen und sonstigen Rückstellungen (laut Bilanz 2015 in Höhe
von 19.446.966,12 €) finanziere, da diese Rückstellungen – wie die Beklagte
eingeräumt hat – auf der Aktivseite außerdem durch die Finanzanlagen in Höhe
von 16.743.4006,53 € hinterlegt sind.
2.
Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen ist der streitgegenständliche
Beitragsbescheid vom 21. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.
September 2016 rechtswidrig, da die Festsetzung des Mittelbedarfs der Beklagten
in ihrem Wirtschaftsplan 2016 den rechtlichen Anforderungen nicht genügt.
a) Die
Kammer geht zwar davon aus, dass der Wirtschaftsplan 2016 der Beklagten im
Hinblick auf die Bildung einer Ausgleichsrücklage in Höhe von 4.700.000,00 €
nicht zu beanstanden sein dürfte.
(1) So
dürfte es in formeller Hinsicht zunächst nicht darauf ankommen, ob die dem
Wirtschaftsplan und der Rücklagenbildung zugrundeliegende Risikoprognose nur
einer materiellen Prüfung aus einer ex ante-Perspektive zu unterziehen ist,
oder ob darüber hinausgehend auch zu prüfen ist, ob die Vollversammlung eine
den Anforderungen entsprechende Risikoprognose bei Verabschiedung des Wirtschaftsplans
tatsächlich vorgenommen und protokolliert hat (für einen formalen Ansatz VG Düsseldorf,
Urteil vom 30. März 2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 350, 360; wohl auch Jahn,
GewArch 2016, 263, 269). Auch bei einer formalen Betrachtung wäre ein etwaiger
Mangel bei der Beschlussfassung über die Wirtschaftssatzung 2016 durch die
Vollversammlung der Beklagten am 9. Dezember 2015 nämlich nach Auffassung der
Kammer durch die Befassung der Vollversammlung mit der Risikoprognose für das
Jahr 2016 in der Sitzung vom 7. September 2016 geheilt worden (für eine solche
Heilungsmöglichkeit auch VG Braunschweig, Urteil vom 20. April 2017 – 1 A
221/16 –, UA S. 14 f.; VG Bayreuth, Urteil vom 7. Dezember 2016 – B 4 K 15.580
–, juris Rn. 38 f.; Jahn, GewArch 2016, 263, 269; offen gelassen in VG
Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 388; nicht
vergleichbare Sachverhaltskonstellationen lagen dagegen den Entscheidungen
BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 C 20/09 –, BVerwGE 137, 171-179, Rn. 45
ff. und OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. September 2012 – 1 L 124/11 –, juris
Rn. 57 ff. zugrunde).
(2)
Die Ausgleichsrücklage dient mit dem Ausgleich aller ergebniswirksamen
Schwankungen und der Absicherung allgemeiner Risiken auch einem sachlichen
Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit.
(3)
Nicht zu beanstanden ist der im Finanzstatut der Beklagten für die Höhe der
Ausgleichsrücklage vorgegebene Rahmen. Dies folgt bereits daraus, dass § 15a
Abs. 2 Satz 2 des Finanzstatuts der Beklagten vom 1. Januar 2014 – Finanzstatut
– nur eine Obergrenze für die Ausgleichsrücklage (höchstens 50 % der geplanten
Aufwendungen) festlegt, aber keinen Mindestwert.
(4)
Schließlich dürfte unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der
Beklagten hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsrücklage kein Verstoß gegen das
Gebot der Schätzgenauigkeit vorliegen. Dagegen spricht bereits, dass die Höhe
der Ausgleichsrücklage mit 36,82 % der für das Jahr 2016 geplanten Aufwendungen
eher im unteren Bereich des Rücklagenkorridors von 30-50 % – wie er zwar nicht
im aktuell einschlägigen Finanzstatut der Beklagten, aber in § 15 Abs. 3 Satz 1
des vorhergehenden Finanzstatuts der Beklagten und im Musterfinanzstatut des
Deutschen Industrie- und Handelskammertags vorgesehen ist – angesiedelt ist
(vgl. dazu VG Braunschweig, Urteil vom 20. April 2017 – 1 A 221/16 –, UA S. 12
f., das bei einer Rücklage von bis zu 50 % der geplanten Aufwendungen sogar von
einer Vermutung für die Angemessenheit der Rücklage ausgeht; nach dem VG
Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 345 f. soll
eine solche Vermutung allenfalls unterhalb der 30%-Marke greifen; siehe auch VG
Köln, Urteil vom 15. Februar 2017 – 1 K 1473/16 –, GewArch 2017, 194 und juris
Rn. 81 ff.). Vor allem aber hat der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung das Risikomanagementsystem der
Beklagten sowie die konkret festgelegte Höhe der Risikopositionen an einzelnen
Beispielen für die Kammer nachvollziehbar dargestellt und plausibilisiert.
Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich auch aus dem Ergebnisprotokoll der
Vollversammlung der Beklagten vom 7. Dezember 2016 kein Widerspruch zu der
festgestellten Risikoprognose. Soweit darin auf eine erwartete Schadenshöhe von
2,3 Mio. € nach den Berechnungen des alten Risikomanagementsystems verwiesen
wird, bezieht sich dieser Betrag nicht auf das Gesamtrisiko, sondern nur auf
die einzelne Risikoposition „Geheimhaltung von Prüfungsaufgaben“. Dies ergibt
sich nicht nur aus dem Gesamtkontext des Abschnitts, sondern auch aus der im
Folgenden vorgenommenen Gewichtung der Schadenshöhe von 2,3 Mio., die zu einem
Risikoausmaß in Höhe von 698.000,00 € führt; dies entspricht exakt dem Betrag,
den die Beklagte für das Risiko „Geheimhaltung von Prüfungsaufgaben“ unter der
Position „Verstoß gegen Geheimhaltungsrichtlinie“ in ihre Risikoprognose für
2016 eingestellt hat (vgl. Risiko-Beschreibung der IHK für XXX – Anlage I, S.
7). Weiter geht die Kammer davon aus, dass die Frage, ob Rücklagen in der Vergangenheit
– ungeplant – in Anspruch genommen werden mussten, zwar indizielle Bedeutung im
Rahmen der Risikoprognose erlangen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember
2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil
vom 30. März 2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 372). Daraus kann aber nicht
umgekehrt geschlossen werden, dass die Bildung oder Beibehaltung von
angemessenen Rücklagen allein deswegen ausgeschlossen wäre, weil in der
Vergangenheit befürchtete Risiken tatsächlich ausgeblieben sind. Schließlich
hat der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Beklagten in der mündlichen
Verhandlung klargestellt, dass Schwankungen im Beitragsaufkommen entweder im
Rahmen der Planerträge oder im Risikomanagement, nicht aber doppelt berücksichtigt
werden. Weiter erklärt sich das Gleichbleiben der Ausgleichsrücklage in einer
Höhe von 4.700.000,00 € über mehrere Jahre nach den Angaben des
stellvertretenden Hauptgeschäftsführers der Beklagten plausibel dadurch, dass
sich die Beklagte im Interesse der Beitragszahler bewusst für eine Unterdeckung
der jeweils festgestellten – höheren – Risiken entschieden habe. Dies dürfte
von ihrem weiten Gestaltungsspielraum gedeckt sein. Von „gegriffenen“ Zahlen
dürfte vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden können.
b)
Allerdings genügt die Instandhaltungsrücklage in Höhe von 300.000,00 € nicht
den rechtlichen Anforderungen.
Die
Jahresabschlüsse 2014 und 2015 verweisen als Zweck dieser Rücklage auf „erhöhte
Instandhaltungsarbeiten für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude S.-platz
XX“. Diese Zweckbestimmung genügt jedoch den satzungsrechtlich geforderten
Anforderungen an eine zweckbestimmte Rücklage nicht, da es an einer
Konkretisierung des Zeitpunkts der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Rücklage
fehlt.
Der
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt – wie bereits festgestellt –, ob
die Beklagte bei der Ausübung des ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraums
den durch Rechtsnormen angelegten Rahmen gewahrt hat, wobei zu diesem zu beachtenden
– und von den Verwaltungsgerichten zu prüfenden – Rahmen ausdrücklich auch
ergänzende Satzungsbestimmungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember
2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16).
Den
anzuwendenden Rahmen für zweckbestimmte Rücklagen – wie hier die
Instandhaltungsrücklage – bildet § 15a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 Finanzstatut. Zwar
enthält § 15a Finanzstatut unmittelbar nur Vorgaben für den Jahresabschluss und
nicht für den hier zu überprüfenden Wirtschaftsplan, der in den §§ 7 ff.
Finanzstatut geregelt ist. Da nach der Regelungskonzeption des Finanzstatuts im
Wirtschaftsplan aber nur die Rücklagenveränderungen anzusetzen und auszuweisen
sind (vgl. § 7 Abs. 2 Finanzstatut), die Rücklagen selbst dagegen (nur) in der
Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind
(vgl. § 15a Abs. 2 Satz 4 Finanzstatut), können die satzungsrechtlichen
Anforderungen an die Bildung bzw. Beibehaltung von Rücklagen allein § 15a Abs. 2
Finanzstatut entnommen werden. Danach muss die Beklagte zwingend eine
Ausgleichsrücklage zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen bilden,
die bis zu 50 % der Summe der geplanten Aufwendungen betragen kann (vgl. § 15a
Abs. 2 Sätze 1 und 2 Finanzstatut). Neben der Ausgleichsrücklage ist zwar gemäß
§ 15a Abs. 2 Sätze 3 und 4 Finanzstatut die Bildung zweckbestimmter Rücklagen,
die in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln
auszuweisen sind, zulässig. Allerdings sind nach § 15a Abs. 2 Satz 5
Finanzstatut nicht nur der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu
konkretisieren, sondern auch der Zeitpunkt der voraussichtlichen
Inanspruchnahme. Daran fehlt es hier. Der Zeitpunkt der voraussichtlichen
Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage wird weder in den Jahresabschlüssen
noch sonst auch nur annähernd umschrieben. Die Jahresabschlüsse 2014 und 2015
enthalten keinerlei Angaben zum geplanten Zeitpunkt der Inanspruchnahme der
Instandhaltungsrücklage. Auch aus dem Wirtschaftsplan 2016 ergibt sich hierzu
nichts. Die Instandhaltungsrücklage war auch nicht Gegenstand der
nachträglichen Beschlussfassung am 7. September 2016. Soweit die Beklagte in
der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die Inanspruchnahme der
Instandhaltungsrücklage für das Jahr 2016 tatsächlich beabsichtigt gewesen sei,
hat sich dies weder in den beschlossenen Jahresabschlüssen, dem Wirtschaftsplan
noch in einem sonstigen Beschluss der Vollversammlung niedergeschlagen. Auch
ein Protokoll der Vollversammlung, aus dem sich dies ergeben würde, hat die
Beklagte nicht vorgelegt. Die Sitzung vom 7. September 2016 hatte nur die
übrigen Rücklagen zum Gegenstand. Lediglich im Ergebnisprotokoll über die
Sitzung der Etatkommission vom 23. November 2015 findet sich der Hinweis, dass
die Instandhaltungsrücklage gemäß aktueller Situation in 2016/2017 „angefasst“
werden müsse, da werterhaltende Maßnahmen geplant seien und die 300.000,00 €
dafür benötigt würden. Vor dem Hintergrund, dass die Instandhaltungsrücklage
für das IHK-Gebäude in M. nach Angaben der Beklagten bereits seit dem Jahr 2006
in unveränderter Höhe bestand, ohne dass die erforderlichen Sanierungsarbeiten
an Dach, Fassade und Heizung vorgenommen wurden, ist dies jedoch nicht
hinreichend konkret. Es ist nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Wirtschaftsplanung
bereits konkrete Planungen für eine Sanierung des Gebäudes bestanden. Die
vorgelegten Wertermittlungsgutachten für die Gebäude in M. und W. stammen aus
dem Oktober 2016 und im Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 hat die Beklagte
mitgeteilt, dass „aktuell“ Leistungsangebote der potentiellen Auftragnehmer
eingeholt würden. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden,
dass aus ex ante-Perspektive bei Aufstellung des Wirtschaftsplans im Dezember
2015 bereits ein Planungsstand erreicht gewesen wäre, der einen Zeitplan für
die voraussichtliche Inanspruchnahme der Rücklage ermöglicht hätte.
Der
Fehler der mangelnden Konkretisierung des Zeitpunkts der voraussichtlichen
Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage ist hier auch nicht deswegen
unbeachtlich, weil nach dem Wertermittlungsgutachten zum IHK-Gebäude in M. vom
25. Oktober 2016 – das IHK-Gebäude in W. muss insoweit außer Betracht bleiben,
da dieses in der ausgewiesenen Zweckbestimmung nicht genannt wird –wohl
tatsächlich ein Sanierungsbedarf in Höhe von rund 500.000,00 € und damit in
einer Höhe besteht, die den Betrag der Rücklage sogar übersteigt. Wie aus § 15a
Finanzstatut folgt, dürfen zweckbestimmte Rücklagen nur gebildet werden, wenn
ein entsprechender Bedarf nicht nur in der Höhe, sondern auch in zeitlicher
Hinsicht hinreichend konkret vorliegt. Es besteht eine strenge Zweckbindung für
„andere“ Rücklagen, die sich auf die zeitliche Dimension erstreckt. Ihre
Bildung ist deshalb mit einem Zeitplan unterlegt, innerhalb dessen sie für den
vorgesehenen Zweck zu verbrauchen sind (vgl. Jahn, GewArch 2016, 263, 267;
siehe auch VG Köln, Urteil vom 16. Juni 2016 – 1 K 1138/15 –, juris Rn. 55-58;
VG Hamburg, Urteil vom 2. März 2016 – 17 K 2912/14 –, juris Rn. 46). Die
Anforderungen an eine hinreichende Konkretisierung des Zeitpunkts der
voraussichtlichen Inanspruchnahme einer zweckgebundenen Rücklage dienen damit
letztlich dem Ziel, die Bildung ungebundener Mittel – und damit versteckten
Vermögens – zu verhindern.
Insoweit
kommt es weiter nicht darauf an, ob ein Fehler in der Wirtschaftsplanung nur
dann im Beitragsanfechtungsverfahren berücksichtigt werden darf, wenn er
finanziell erheblich ist, sich also auf die Beitragspflicht auswirkt. Dies ist
hier nämlich der Fall. Nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
würde sich ohne den Ansatz der Instandhaltungsrücklage der einzelne Beitrag je
Mitglied um etwa 10 € reduzieren.
Dies
führt hier schließlich nicht zu einer nur teilweisen Aufhebung des
Beitragsbescheids (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sondern zur Aufhebung in
vollem Umfang, da die exakte Bestimmung der Höhe von einer erneuten
Entscheidung der Beklagten, in welcher Höhe und Relation die Grundbeiträge
und/oder der Umlagesatz zu reduzieren sind, abhängig wäre (vgl. OVG RP, Urteil
vom 23. September 2014 – 6 A 11345/13 –, AS RP-SL 44, 331 und juris Rn. 36 f.).
c) Auf
eine Überprüfung der Liquiditätsrücklage und der in der Vollversammlung vom 7. September
2016 neu beschlossenen Zinsausgleichsrücklage kommt es demnach nicht mehr an.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der
Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der
Streitwert wird auf 181,48 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).