Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, über
den Bauantrag der Klägerin vom 8. Februar 2017 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der
Beklagte zu 4/5 und die Klägerin zu 1/5.
Das
Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beteiligten dürfen die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung einer Arztpraxis in eine
Wohngruppe für Intensivpflegepatienten auf den Grundstücken Flurstücknummern
6059/122 und 6059/123 in R. (H. E.).
Der Bauantrag der
Klägerin ging am 14. Februar 2017 bei der Verbandsgemeindeverwaltung R. ein.
Die Ortsgemeinde R. erteilte am 2. März 2017 ihr Einvernehmen. Der Beklagte
bestätigte der Klägerin den Eingang des Bauantrages bei der Kreisverwaltung mit
Schreiben vom 30. März 2017. Am selben Tag forderte der Beklagte den
Fachbereich „Soziale Hilfen“, die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, das
Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) und den Fachbereich
„Gesundheit und Verbraucherschutz“ zur Stellungnahme zum Bauantrag auf.
Der Fachbereich
„Soziale Hilfen“ erklärte am 21. April 2017, dass keine Bedenken hinsichtlich
des Vorhabens bestünden.
Die Struktur- und
Genehmigungsdirektion Süd forderte zunächst am 3. Mai 2017 einen Flucht- und
Rettungsplan für die Arbeitsstätte, den die Klägerin am 19. Mai 2017
einreichte, und bemängelte sodann mit Schreiben vom 6. Juni 2017, dass die
Belange des Arbeits- und Immissionsschutzes nicht berücksichtigt seien,
Fluchtwege und Notausgänge auf möglichst kurzem Weg ins Freie oder in einen
gesicherten Bereich führen müssten und Notausgangstüren in Fluchtrichtung aufschlagen
müssten. Diese Forderungen seien bereits am 3. und 15. Mai 2017 kommuniziert,
aber nicht in der Planung umgesetzt worden. Nachdem die Klägerin überarbeitete
Planunterlagen eingereicht hatte, erklärte die Struktur- und
Genehmigungsdirektion am 4. Juli 2017, dass nunmehr keine Einwendungen mehr
bestünden.
Das LSJV als Beratungs- und Prüfbehörde nach dem
Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe – LWTG – stufte in seiner
Stellungnahme vom 8. Juni 2017 das geplante Vorhaben als Einrichtung mit
besonderer konzeptioneller Ausrichtung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 LWTG ein,
bemängelt aber insoweit, dass die übersandte Konzeption die vertragliche
Gewährleistung für jeden Mieter, den Pflegedienst frei wählen zu können, wie es
das LWTG vorsehe, noch nicht sicherstelle. Aus der Konzeption „Ambulant
betreute Wohngemeinschaft an der St.“ gehe hervor, dass die Klägerin die
Vermietung der Räumlichkeiten übernehme und die ambulanten pflegerischen
Leistungen die P. GmbH übernehmen würde. Die baulichen Vorgaben in den §§ 4 und
5 der Durchführungsverordnung zum LWTG – LWTGDVO – sah sie aber als erfüllt an.
Insbesondere seien die Anforderungen an die Größe der Bewohnerzimmer und die
gemeinschaftlichen Wohnflächen erfüllt. Ein Abstellraum für die Bewohner gemäß
§ 4 Abs. 3 LWTGDVO sei in der Planung zwar nicht vorgesehen, die Vorgabe könne
aber noch erfüllt werden. Es sei nicht davon auszugehen, dass alle Bewohner den
Abstellraum nutzten. Daher würden 0,5 m² Abstellfläche pro Bewohner angesetzt.
Die Fläche könne durch eine Abtrennung im Laborraum im Erdgeschoss oder im
Keller zur Verfügung gestellt werden. § 5 Abs. 1 LWTGDVO sehe vor, dass sich
nicht mehr als 2 Bewohner je einen Sanitärbereich teilen. Ein Sanitärbereich
umfasse eine Toilette, eine Dusche oder Badewanne, einen Waschtisch und Platz
für Hilfsmittel. In der Planung sei zwar nur ein Pflegebad für alle Bewohner
vorgesehen. Das sei aber unproblematisch, weil die Sanitäranlagen an die
Bedürfnisse der Bewohner anzupassen seien. Eine selbstständige Nutzung der
Nasszellen sei durch die Intensivpflegepatienten nicht mehr möglich, sodass
sich die Vorgabe erübrige. Allerdings müsse die Klägerin auch hier das
vorgelegte Konzept noch nachbessern. Nachdem die Klägerin am 6. September 2017
ein geändertes Konzept vorgelegt hatte, erklärte das LSJV mit Schreiben vom 26.
September 2017, dass die Vorgaben des LWTG und der LWTGDVO nunmehr erfüllt
seien.
Nachdem der
Beklagte den Fachbereich „Gesundheit und Verbraucherschutz“ – im Folgenden
Gesundheitsbehörde – mit Schreiben vom 20. Juni 2017, vom 12. September 2017
und vom 7. November 2017 erneut zur Stellungnahme aufgefordert hatte, erklärte
er in einem Schreiben vom 15. November 2017, dass er keine Stellungnahme
abgeben könne, weil hierfür notwendige Unterlagen fehlen würden. Der Bereich Hygiene,
Infektionsschutz und Medizinprodukte falle dem Fachbereich der unteren
Gesundheitsbehörde zu. Die an die Klägerin zu stellenden Forderungen würden
sich nach dem Risikoprofil der geplanten Bewohner richten. Es bestehe hier ein
hohes Risiko für Besiedlung bzw. Erkrankung durch sogenannte Hospitalkeime.
Auch verfüge eine derartige Wohngruppe nicht über Fachpersonal analog einer
Intensivstation. Es könne daher für eine Wohngruppe nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 LWTG
kein geringerer Aufwand als für Konzepte mit umfassenden Leistungsangebot
verlangt werden. Ein tragfähiges Organisations- und Verantwortungskonzept nach
§ 16 LWTG liege nicht vor. Um die Anforderungen der §§ 1 Abs. 1 bis 3, 2 Abs. 2
bis 4 LWTG zu erfüllen, werde ein dauerhafter Ansprechpartner für bauliche,
hygienische und pflegerische Verantwortlichkeit benötigt. In dem Schreiben war
ein Fragenkatalog zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der
zukünftigen Bewohner enthalten. In einer E-Mail vom 20. Februar 2018 erklärte
die Gesundheitsbehörde nochmals, es handele sich
bei dem Vorhaben eher um eine medizinische Einrichtung mit erhöhtem
Risikoprofil und dem Hauptziel der Beatmungspflege als um eine LWTG-Wohngruppe
mit dem Hauptziel Teilhabe. Für eine Beatmungs-Patientenversorgung ergäben sich
bei medizinischen Einrichtungen eine Reihe von Anforderungen, die vorliegend
alle nicht erfüllt seien. So müsse vorab eine Stellungnahme eines
Krankenhaushygienikers vorgelegt werden und es müsse einen Hygieneplan und eine
detaillierte Betriebsbeschreibung geben. Der Betrieb müsse kontinuierlich durch
einen Krankenhaushygieniker begleitet werden und die üblichen Stationsräume wie
reine und unreine Arbeitsräume sowie ein Putzraum etc. müssten vorgehalten
werden. Aufgrund von §§ 1, 2 LWTG müssten dieselben Standards auch in
Intensivpflege-WGs nach dem LWTG gelten. Mit Schreiben vom 18. Juni 2018
erklärte die Gesundheitsbehörde erneut, dass eine abschließende Stellungnahme
nicht möglich sei, weil hierzu noch Unterlagen benötigt würden. Er forderte die
Vorlage eines Gutachtens eines Krankenhaushygienikers und eines Hygienekonzepts
aus den in den vorhergehenden Schreiben bereits erläuterten Gründen.
Am 19. Dezember
2017 wurde zudem der Feuerwehrtechnische Bedienstete des Beklagten um eine
Stellungnahme gebeten. Er forderte in seiner Stellungnahme am 20. Dezember
einige Nachbesserungen unter anderem zur Breite der Rettungswege, zu
Rauchwarnmeldern und Feuerlöschern sowie die Anfertigung eines Räumungskonzepts
und einer Brandschutzordnung. Ausweislich eines Vermerks in der Verwaltungsakte
wurde der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Stellungnahme am
21. Februar 2018 zugesandt.
Am 3. Juli 2018
leitete der Beklagte die Stellungnahme des Feuerwehrtechnischen Bediensteten
vom 20. Dezember 2017 und die Stellungnahme der Gesundheitsbehörde vom 18. Juni
2018 dem aktuellen Prozessbevollmächtigten zu mit der Bitte, die geforderten
Unterlagen bis zum 31. August 2018 vorzulegen.
Die Klägerin hat am
16. Juli 2018 Klage erhoben.
Sie trägt vor,
sie begehre lediglich die Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung zur
Wohnnutzung. Die Nutzung der Räumlichkeiten als LWTG-Wohngruppe habe nichts mit
der Umnutzung als Wohnung zu tun. Das Gesundheitsamt sei weder für die
beantragte Nutzung, noch für die eingesetzten Pflegedienste im Rahmen des
Baugenehmigungsverfahrens zuständig. Für die Einhaltung der Vorgaben des LWTG
sei einzig das LSJV zuständig, nicht der Beklagte und auch nicht das
Gesundheitsamt. Der Beklagte nehme daher Prüfungsaufgaben wahr, die ihm im Wege
der Prüfung des Bauantrages nicht zustünden. Er habe das Schreiben des
Feuerwehrtechnischen Bediensteten vom 20. Dezember 2017 erst im Juli 2018 als
Auflage übermittelt. Sie werde die Anforderungen bis zum Termin zur mündlichen
Verhandlung erfüllen. Sie müsse die geforderten Unterlagen nicht vorlegen. Es
würden in der Zukunft verschiedene Pflegedienste involviert werden und die
Patienten hätten sehr unterschiedliche Krankheitsbilder. Diese Variablen seien
noch unbekannt und könnten daher nicht bewertet werden.
Die Klägerin hat
ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die begehrte
Baugenehmigung für die Nutzungsänderung zu erteilen. In der mündlichen
Verhandlung am 13. Dezember 2018 hat sie dem Beklagten Brandschutzunterlagen
zu dem Bauvorhaben übergeben, die bei der Erteilung der Baugenehmigung zu
berücksichtigen sind. Die Beteiligten waren sich einig, dass der Beklagte
jedenfalls die Brandschutzunterlagen noch prüfen muss. Die Klägerin meint aber
nach wie vor, dass sie das vom Gesundheitsamt geforderte Gutachten eines
Krankenhaushygienikers und den entsprechenden Hygieneplan dem Beklagten nicht
zur Prüfung vorlegen muss.
Sie beantragt
nunmehr,
den
Beklagten zur Verbescheidung des Bauantrages unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.
Der Beklagte
beantragt,
die
Klage abzuweisen.
Er meint, die
Klage sei schon unzulässig, weil keine Untätigkeit seinerseits vorliege. Der Bauantrag der
Klägerin sei nicht vollständig, weshalb die Frist des § 75 Satz 1 und 2
Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – noch nicht in Gang gesetzt sei und daher
nicht von einer behördlichen Untätigkeit ausgegangen werden könne. Einerseits
seien die eingereichten Bauzeichnungen mit Frist zum 31. August 2018 wegen der
Anforderungen der Brandschutzdienststelle zu überarbeiten gewesen, wobei die
Anforderungen auch nicht erst im Juli 2018, sondern bereits im Februar 2018
bekannt gegeben worden seien. Die Gesundheitsbehörde könne ihre fachliche
Stellungnahme solange nicht abgeben, wie die letztmalig im Schreiben vom 3.
Juli 2018 geforderten Unterlagen nicht vorgelegt würden. Diese behördliche
Forderung werde dem Regelungsgehalt des § 63 Abs. 2 Landesbauordnung – LBauO –
gerecht. Der Zweck der Nachforderung der Unterlagen liege darin, eine aus
hygienerechtlicher Sicht abschließende und dabei auf die baulichen
Anforderungen des Vorhabens bezogene Stellungnahme abgeben zu können. Die
Forderungen stünden auch nicht im Widerspruch zu den Regelungen im LWTG. Zwar
seien in der LWTGDVO bauliche Anforderungen normiert und das für den Vollzug
des LWTG zuständige LSJV habe keine Einwände geltend gemacht. Den Regelungen
des LWTG komme aber keine Sperrwirkung zu. Dafür spreche bereits § 20 Abs. 7
LWTG, wonach die Überwachung der Einrichtung in baurechtlicher,
brandschutzrechtlicher, gewerberechtlicher, gesundheitlicher, hygienischer und
pflegerischer Hinsicht durch die dafür zuständigen Behörden erfolge.
Zur Klärung der Frage, ob die von der Gesundheitsbehörde geforderten
Unterlagen vorgelegt werden müssten, sei allenfalls eine Feststellungsklage
statthaft.
Wegen
der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schriftsätze
der Beteiligten und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen, deren Inhalt
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, mit der die
Klägerin nunmehr nur noch die Verpflichtung des Beklagten zur Verbescheidung ihres Bauantrages begehrt,
hat Erfolg.
I.
Die Bescheidungsklage ist als
Verpflichtungsklage in Gestalt der Untätigkeitsklage zulässig.
Die Verpflichtungsklage ist die gemäß §
42 Abs. 1 VwGO statthafte Klageart, da die Klägerin den Erlass eines von ihr
beantragten Verwaltungsaktes fordert. Insbesondere ist hier nicht die
Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Einerseits ist sie schon
nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Verpflichtungsklage gegenüber
subsidiär. Andererseits geht es der Klägerin nicht nur darum, im Vorfeld des
Baugenehmigungsverfahrens die Frage zu klären, ob sie zur Vorlage der von der
Gesundheitsbehörde geforderten Unterlagen im Baugenehmigungsverfahren
verpflichtet ist, sondern darum, die von ihr beantragte Baugenehmigung zu
erhalten. Würde man der Klägerin die Möglichkeit der Erhebung der
Verpflichtungsklage verwehren, so könnte der Beklagte den Erlass des begehrten
Verwaltungsaktes entgegen der Intention des § 75 VwGO zumindest so lange hinauszögern,
bis ein Hauptsacheverfahren betreffend die Feststellung abgeschlossen wäre. Ein
derartiges Vorgehen ist der Klägerin im Lichte des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz –
GG – nicht zumutbar. Die Behörde ist gemäß § 75 VwGO gehalten, innerhalb
angemessener Zeit über einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes zu
entscheiden. Zu dieser Entscheidung gehört auch die Einschätzung, welche
Unterlagen nötig sind, um eine Regelung treffen zu können. Diese Frage ist im
Verwaltungsverfahren betreffend den gestellten Antrag zu entscheiden und nicht
etwa in einem gesonderten Feststellungsverfahren.
Die Klägerin konnte die Klage als
Untätigkeitsklage erheben, weil eine Untätigkeit der Behörde über einen
unangemessen langen Zeitraum ohne zureichenden Grund im Sinne des § 75 VwGO vorliegt.
Ob auch ein unvollständiger Antrag die Frist des §
75 VwGO in Lauf setzt, wird nicht einheitlich beantwortet. Rennert in Eyermann,
VwGO, 14. Aufl. 2014, § 75 Rn. 5, bejaht dies mit der Überlegung, dass die zur
Behebung der Unvollständigkeit erforderliche Zeit die angemessene
Entscheidungsfrist verlängern und das Unterlassen der Vervollständigung zur
Ablehnung des Antrags als unbegründet führen könne. Ähnlich argumentiert König,
in: Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 64 Rn. 12: Die in den in Art. 64
Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 BayBO enthaltenen Vorschriften über die Ergänzung
und Berichtigung von Anträgen sowie die Nachreichung von Unterlagen zeigten,
dass auch ein unvollständiger Antrag behandelt werden müsse und dessen Unvollständigkeit
allein kein zureichender Grund für eine Untätigkeit der Behörde sei. Brenner in
Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 75 Rn. 25, vertritt hingegen die
Auffassung, dass der Antrag die der Sache nach erforderlichen Angaben und
Unterlagen enthalten müsse, und bezieht sich dabei auf eine Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
27. Februar 2003 – 5 S 1279/01 –, Rn. 24, juris; ebenso Bayerischer VGH,
Beschluss vom 3. Juni 2016 – 15 BV 15.2441 –).
Im vorliegenden Fall begann die Frist des § 75 VwGO entgegen der
Auffassung des Beklagten zu laufen. § 75 VwGO soll verhindern, dass die Behörde durch
Untätigbleiben dem Bürger die Möglichkeit eines wirksamen Rechtsschutzes nehmen
kann. Aus Art. 19 Abs. 4 GG lässt sich kein Gebot einer von vorneherein
bestimmten höchstzulässigen Dauer des Verfahrens ableiten. Die Angemessenheit
der Verfahrensdauer ist vielmehr nach den besonderen Umständen des einzelnen
Falles zu bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1995 – 1 BvR 54/94 –, Rn.
5, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. Juni 2016 – 15 BV 15.2441 –, Rn.
15, juris). Hier liegt es so, dass ein Dissens der Beteiligten darüber besteht,
was überhaupt zu den vorzulegenden Bauunterlagen gehört. Der Beklagte fordert
von der Klägerin die Vorlage eines Gutachtens eines Krankenhaushygienikers und
eines Hygieneplans, von denen die Klägerin der Meinung ist, dass sie sie nicht
vorlegen muss. In dieser Situation wäre die Konsequenz, würde man der
Auffassung des Beklagten folgen, dass der Beklagte nie über den Antrag
entscheiden müsste, weil er die Antragsunterlagen für unvollständig hält, und
die Klägerin keine Untätigkeitsklage erheben könnte, weil die Frist des § 75
VwGO nicht in Gang gesetzt wäre. Der Ansicht des Beklagten kann unter
Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots umfassenden Rechtsschutzes
nicht gefolgt werden. Unter den hier vorliegenden Umständen ist der Beklagte
gehalten, eine Entscheidung zu treffen, weil sich aufgrund der Weigerung der Klägerin,
die geforderten Unterlagen nachzureichen, eine Änderung der Situation nicht
mehr ergeben wird. Ist der Beklagte in einer solchen Situation der Ansicht,
dass der Bauantrag nicht vollständig ist und die Einreichung weitere Unterlagen
nicht mehr erfolgen wird, so muss er den Antrag ablehnen oder aber sich eine
unbegründete Untätigkeit vorhalten lassen.
II.
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verbescheidung ihres Bauantrages,
weil die Unterlagen zum Bauantrag dem Beklagten vollständig im Sinne des § 63
Abs. 2 LBauO vorliegen.
Das bis dahin noch fehlende Brandschutzkonzept hat die Klägerin dem
Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung übergeben.
Die Vorlage der weiter geforderten Unterlagen – das Gutachten des
Krankenhaushygienikers und den Hygieneplan – darf der Beklagte von der Klägerin
im Baugenehmigungsverfahren hingegen nicht verlangen.
Für die Pflicht zur Vorlage fehlt eine Rechtsgrundlage, denn die anhand
der Unterlagen zu prüfenden hygienischen Betriebsbedingungen gehören nicht zur
baurechtlichen Prüfungskompetenz des Beklagten.
Im geplanten Vorhaben soll eine Wohngruppe gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 LWTG
eingerichtet werden. Es handelt sich dabei um eine Wohngruppe bestehend aus
fünf intensivpflegebedürftigen Patienten, die jeweils ein Zimmer in der
Wohngruppe bewohnen. Die Wohngruppen mit besonderer konzeptioneller Ausrichtung
zeichnen sich dadurch aus, dass die Bewohner ein Zimmer anmieten und sowohl
ihren Pflegedienst, als auch ihren Anbieter für Verpflegungs- und sonstige
Unterstützungsleistungen selbst frei wählen können. Im Gegensatz hierzu stehen
Einrichtungen mit umfassenden Leistungsangebot nach § 4 LWTG. In diesen
Einrichtungen kommen sämtliche Dienste „aus einer Hand“.
Im Baugenehmigungsverfahren sind gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO neben
bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Regelungen auch sonstige
öffentlich-rechtliche Vorschriften zu prüfen. Sonstige öffentlich-rechtlichen
Vorschriften sind Rechtsnormen außerhalb des Baurechts, die materielle
Anforderungen an bauliche Anlagen stellen (Jeromin, LBauO Rheinland-Pfalz,
Kommentar, 3. Auflage 2012, § 70, Rn. 25).
Hierzu gehören die baulichen Mindestvorgaben in §§ 3 – 7 LWTGDVO. Deren
Einhaltung hat das LSJV gemäß §§ 32, 35 Abs. 2
LWTG zu überprüfen, was hier auch geschehen ist. Die Vorgaben sind erfüllt.
In der LWTGDVO ist weder die Begutachtung durch einen Krankenhaushygieniker
vorgeschrieben, noch ist die Erstellung von Hygieneplänen gefordert.
Im LWTG selbst ist in § 15 Abs. 1 Nr. 6 geregelt, dass der Träger für
einen ausreichenden Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen Sorge
tragen und in Hygieneplänen die innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur
Sicherstellung der erforderlichen Infektionshygiene unter Beachtung der
gesetzlichen Vorgaben in Abstimmung mit den dafür zuständigen Behörden
festlegen muss. Diese Vorschrift gilt aber lediglich für Einrichtungen mit
umfassenden Leistungsangebot nach § 4 LWTG und betrifft nicht die vom Beklagten
im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden baulichen Anforderungen für das
Bauvorhaben.
Der Beklagte meint, dass er die Unterlagen aufgrund des § 2 Abs. 3 der
Landesverordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen
Einrichtungen – MedHygVO – von der Klägerin fordern kann.
Das ist aber nicht der Fall.
Die Wohngruppe nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 LWTG unterfällt nicht dem
Anwendungsbereich der MedHygVO. Gemäß § 1 Abs. 2 MedHygVO gilt sie nur für
Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare
medizinische Versorgung erfolgt, Dialyseeinrichtungen und Tageskliniken. Die
Wohngruppe unterfällt keiner dieser Kategorien.
Die Anforderungen der MedHygVO sind auch nicht analog anzuwenden auf die
Wohngruppe, weil die MedHygVO ersichtlich nur Anwendung auf Einrichtungen
finden soll, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische
Versorgung erfolgt. Das ist bei der Wohngruppe gerade nicht der Fall. Die
Patienten sollen in einer Wohngruppe nicht therapiert und/oder geheilt werden,
wie das in Krankenhäusern der Fall ist, sondern sie sollen dort wohnen und gepflegt
werden. Es handelt sich dabei um eine Wohnform als Alternative zu einem
Pflegeheim bzw. zur Pflege zu Hause durch Angehörige, ggf. unterstützt durch
einen ambulanten Pflegedienst. Dass der Gesetzgeber ausdrücklich auch für
intensivpflegebedürftige Menschen die Möglichkeit eröffnet hat, sich für eine
solche Wohngruppe zu entscheiden, zeigt, dass er gerade nicht die Notwendigkeit
sieht, Intensivpflegepatienten nur in einer Umgebung unterzubringen, die einer
Intensivstation im Krankenhaus entspricht, sondern als Alternative zur
häuslichen Pflege eben auch die Unterbringung in einer Wohngruppe möglich sein
soll, in der in der Regel auch bessere Bedingungen für die Pflege geschaffen
sind, etwa durch die Ausstattung mit einem Pflegebad etc.
Überdies ist die Einhaltung hygienerechtlicher Vorgaben eine
betriebsbezogene Anforderung, keine bauliche. Dem Gesundheitsamt bleibt es daher
unbenommen, den Betrieb ständig zu überwachen. In § 20 Abs. 7 LWTG ist
ausdrücklich geregelt, dass die Überwachung der Einrichtung in baurechtlicher,
brandschutzrechtlicher, gewerberechtlicher, gesundheitlicher, hygienischer und
pflegerischer Hinsicht durch die dafür zuständigen Behörden erfolgt. Die
Befugnis zur Überwachung führt aber nicht dazu, dass schon im
Baugenehmigungsverfahren zu prüfen ist, ob die hygienerechtlichen Anforderungen
während des Betriebes eingehalten werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, 3 VwGO. Die Klägerin hat einen
Teil der Kosten zu tragen, weil sie die Klage teilweise zurückgenommen hat. So
hat sie in der Klageschrift ursprünglich die Verpflichtung des Beklagten zur
Erteilung der Baugenehmigung beantragt. Erst in der mündlichen Verhandlung hat
sie sich entschieden, lediglich die Verpflichtung des Beklagten zur
Verbescheidung ihres Bauantrags zu beantragen. Begehrt ein Kläger statt der
Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsakts nur die Verpflichtung zur
Verbescheidung, entspricht zwar der Streitgegenstand einer solchen Klage im
Wesentlichen demjenigen der Verpflichtungsklage, so dass der Übergang von einem
Verpflichtungs- zu einem Bescheidungsantrag keine Klageänderung darstellt
(BVerwG, Beschl. v. 24. Oktober 2006 – 6 B 47.06 –, NVwZ 2007, 104, m. w.
Nachw.). Eine solche Beschränkung des Klageantrags auf die Verbescheidung in
der mündlichen Verhandlung stellt aber eine teilweise Klagerücknahme dar (vgl.
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. September 2007 – 2 L 224/05 –, Rn. 24,
juris).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes
wird auf 20.000,00 €
festgesetzt (§§ 52 Abs.1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1.1 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 18.
Juli 2013 beschlossenen Änderungen).