vorgehend VG
Mainz, 1 L 445/20.MZ
Tenor
Die
Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Mainz vom 14. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Die
Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des
Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,00 €
festgesetzt.
Gründe
Die
Beschwerde ist unbegründet.
Das
Vorbringen in der Beschwerdebegründung, das der Senat allein berücksichtigen
kann (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder
Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
Das
Verwaltungsgericht hat den sinngemäß gestellten Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung
gemäß § 123 Abs. 1 VwGO festzustellen, § 4 Nr. 3 der aktuellen Zehnten
Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (10. CoBeLVO) vom 19. Juni 2020
(GVBl. S. 267) in Gestalt der Ersten Landesverordnung zur Änderung der Zehnten
Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 25. Juni 2020 (GVBl. S. 299)
stehe dem Betrieb der Prostitutionsstätte „L., in S. nicht entgegen, zu
Recht mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe einen
Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Diese rechtliche Würdigung ist vom
Inkrafttreten der Zweiten Landesverordnung zur Änderung der Zehnten
Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 14. Juli 2020 (GVBl. S. 332)
unberührt geblieben.
I.
Das
Verwaltungsgericht hat insbesondere zutreffend entschieden, dass die fragliche Verordnung
auch nicht deshalb rechtswidrig ist, weil der Verordnungsgeber von der
ursprünglich in § 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 der früheren Neunten Corona-Bekämpfungsverordnung
Rheinland-Pfalz vom 4. Juni 2020 (GVBl. S. 249 – 9. CoBeLVO –) zunächst mit
Wirkung vom 10. Juni 2020 vorgesehenen Öffnung von Prostitutionsstätten,
Bordellen und ähnlichen Einrichtungen mit der Ersten Landesverordnung
zur Änderung der Neunten Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 9.
Juni 2020 wieder Abstand genommen hat. Aus diesem Verfahrensablauf ergeben sich
keine Ermessensfehler in Bezug auf die mit § 4 Nr. 3 der 10. CoBeLVO
fortgeführte Untersagung der Öffnung der genannten Einrichtungen.
1. § 32
Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ermächtigt die
Landesregierung, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28
bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote
und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen (§ 32 Satz 1
IfSG). Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder
Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank,
krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die
notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG
genannten, soweit und solange es zur Verhinderung und Verbreitung übertragbarer Krankheiten
erforderlich ist (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG).
Die
danach gebotene Ermessensbetätigung ist dadurch gekennzeichnet, dass dem
Verordnungsgeber unter infektionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten ein weiter
Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. OVG Schleswig-Holstein,
Beschluss vom 29. April 2020 – 3 MR 10/20 –, juris, Rn. 23). Der hiernach weite
Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im
konkreten Einzelfall „notwendig“ sein muss. Diese Notwendigkeit ist während der
Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu
überprüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 2020 – 1 BvQ 31/20 –, juris,
Rn. 16). Der Verordnungsgeber hat daher laufend zu kontrollieren, ob bestehende
Einschränkungen ganz oder teilweise zurückgenommen werden müssen oder ob sogar
eine Verschärfung der Maßnahmen geboten ist (Thüringer OVG, Beschluss vom 8.
April 2020 – 3 EN 245/20 –, juris, Ls. 12). Dem Verordnungsgeber kommt auch bei
der ständig zu aktualisierenden Bewertung der Gefahrenlage ein weiter
Einschätzungsspielraum zu; dieser bezieht sich zudem auf die Frage, zu welchem
Zeitpunkt eine Maßnahme im Anschluss an eine solche Neubewertung gelockert wird
(OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2020 – 13 B 779/20.NE –, juris, Rn. 85).
2.
Gemessen hieran begegnet der Umstand, dass der Verordnungsgeber die zunächst
beabsichtigte Öffnung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen
Einrichtungen durch die Erste Landesverordnung zur Änderung der Neunten
Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 9. Juni 2020 wieder
zurückgenommen und diesen Rechtszustand mit § 4 Nr. 3 der 10. CoBeLVO aufrecht
erhalten hat, keinen rechtlichen Bedenken.
a)
Nach der Pressemitteilung des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und
Demografie des Landes Rheinland-Pfalz (MSAGD) vom 8. Juni 2020 (abrufbar unter
www.msagd.rlp.de) zum Erlass einer Änderungsverordnung zur Neunten
Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz lag der ursprünglichen Entscheidung
des Verordnungsgebers, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen eine Öffnung unter
Hygieneauflagen und mit eingeschränktem Leistungsspektrum ab dem 10. Juni 2020
zu ermöglichen, zugrunde, dass es in Anlehnung an die körpernahen
Dienstleistungen folgerichtig sei, gewisse Dienstleistungen auch in Bordellen
zuzulassen. Dies hätte auch sogenannte – von der Antragstellerin angebotene –
„erotische Massagen“ betroffen. Seitdem habe der Verordnungsgeber – so die
Pressemitteilung – eine große Resonanz erhalten, auch von Ordnungsämtern, dass
sie, anders als für andere „körpernahe Dienstleistungen“, die vorgesehenen
weitreichenden Hygiene-, Vorsichts- und Reinigungsvorgaben in Bordellen nicht
gleichermaßen effektiv kontrollieren könnten und dass die Nachverfolgung bei
Auftreten von Infektionsfällen bei realistischer Betrachtung nur schwer zu
gewährleisten sei.
b) Mit
diesen Erwägungen hat der Verordnungsgeber seinen bei der Neubewertung der
infektionsschutzrechtlichen bzw. epidemiologischen Gefahrenlage zustehenden
Ermessensspielraum nicht überschritten.
Ob der
Verordnungsgeber insoweit – wie das Verwaltungsgericht meint – einem erhöhten
Begründungserfordernis unterliegt, weil sich die Betreiber von
Prostitutionsstätten mit der Verkündung der Neunten Corona-Bekämpfungsverordnung
Rheinland-Pfalz vom 4. Juni 2020 auf die Wiedereröffnung ihrer Betriebe
einstellen konnten und der Verordnungsgeber diese auf einem behördlichen
Hygienekonzept beruhende Zulassungsentscheidung bereits nach einem sehr kurzen
Zeitraum und einem im Wesentlichen unverändert gebliebenen Infektionsgeschehen
wieder zurückgenommen hat, kann hier offen bleiben. Gegen die Annahme des
Verwaltungsgerichts eines erhöhten Begründungsbedarfs spricht jedoch die
Tatsache, dass die Regelungen der Neunten Corona-Bekämpfungsverordnung
Rheinland-Pfalz stets erst zum 10. Juni 2020 in Kraft treten sollten und daher
zu keiner Zeit ein tatsächlicher Betrieb von Prostitutionsstätten, Bordellen und
ähnlichen Einrichtungen erlaubt war.
Materiell-rechtlich
ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber die Lockerung
von Beschränkungen (auch) davon abhängig macht, dass eine gebotene effektive
Kontrolle möglich ist, um eine gegebenenfalls notwendige Nachverfolgung von
Infektionsketten und -verläufen zu gewährleisten. Der Senat teilt die
Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass bei Prostitutionsstätten, Bordellen und
ähnlichen Einrichtungen ein drohendes Kontrolldefizit jedenfalls im
Zusammenhang mit der Überprüfung von Kontaktdaten nachvollziehbar ist (vgl. BA
S. 18 f.). Bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen besteht – anders als
bei sonstigen körpernahen Dienstleistungen oder im Bereich der Gastronomie –
ein erhöhtes Bedürfnis an Diskretion, das es für diesen Bereich
wahrscheinlicher erachten lässt, dass Kunden unzutreffende Kontaktdaten angeben
(vgl. auch OVG des Saarlandes, Beschluss vom 4. Juni 2020 – 2 B 201/20 –,
juris, Rn. 14). Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann daher nicht von einem
bloß durch den Verordnungsgeber behaupteten, nicht durch Tatsachen unterlegten
Kontrolldefizit ausgegangen werden.
aa)
Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, aus den „vorgelegten
Behördenvorgängen“ zur Ersten Landesverordnung zur Änderung der Neunten
Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 9. Juni 2020 ergebe sich, dass
„keine geänderte Einschätzungsprärogative“ in Bezug auf die der Verordnung vom
4. Juni 2020 zugrundeliegende Einschätzung über die Zulassung von
Prostitutionsstätten mit eingeschränktem Leistungsangebot und Beachtung eines
Hygienekonzepts „angestellt“ worden sei. Erfolglos bleibt ferner der Einwand,
für die Verordnungsänderung habe es einer geänderten, an konkreten Ereignissen
orientierten Gefährdungseinschätzung bedurft; daran fehle es.
Soweit
die Antragstellerin hiermit zum Ausdruck bringt, dass ein drohendes
Kontrolldefizit sowie Schwierigkeiten bei der Nachverfolgung von
Infektionsfällen in Bezug auf Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnlichen
Einrichtungen bereits bei Erlass der Verordnung vom 4. Juni 2020 bekannt
gewesen und insoweit eine Änderung der tatsächlichen Situation nicht
eingetreten sei, ergeben sich hieraus keine durchgreifenden Ermessensfehler.
Dies mag zwar dafür sprechen, dass der Verordnungsgeber bei seiner ursprünglichen
Entscheidung für eine Öffnung von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen
Einrichtungen in Bezug auf drohende Kontrolldefizite einer Fehleinschätzung
unterlegen war. Auch in diesem Fall wäre der Verordnungsgeber jedoch nicht daran
gehindert gewesen, die Sachlage unter Berücksichtigung der (berechtigten)
Kritik der Ordnungsämter neu zu bewerten und die Verordnung entsprechend zu
ändern. Von daher kommt es auch nicht entscheidend auf das Beschwerdevorbringen
an, der Antragsgegner habe nicht glaubhaft gemacht, dass sich zwischen dem 4.
Juni 2020 und dem 9. Juni 2020 im Personalbestand der Kontrolleure eine
Änderung ergeben hat, die zu einem Kontrolldefizit geführt haben könne (vgl.
Schriftsatz vom 21. Juli 2020, S. 8).
bb)
Erfolglos bleibt außerdem das Beschwerdevorbringen, der Verordnungsgeber habe
eine eigene Wertung vorgenommen, über sie sich das Gericht nicht hinwegsetzen
dürfe, indem er mit dem Hygienekonzept der Neunten Corona-Bekämpfungsverordnung
vom 4. Juni 2020 den Betreibern der in Rede stehenden Einrichtungen die
Verpflichtung auferlegt habe, bestimmte Besuchsdaten sowie das Einverständnis
zur Ermöglichung einer Kontaktpersonennachverfolgung zu dokumentieren. Hieraus
kann die Antragstellerin nicht den Schluss ziehen, dass der Erwägung des
Verordnungsgebers, wonach potentielle Ermittlungen von Kontaktdaten der
Besucher einer Prostitutionsstätte nicht zuverlässig erfolgen könnten, vor
diesem Hintergrund keine Bedeutung zukomme (vgl. Schriftsatz vom 21. Juli 2020,
S. 9). Das in Rede stehende Kontrolldefizit besteht nämlich nicht nur für die
zuständigen Ordnungsbehörden, sondern zugleich für die Betreiber von
Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen. Es liegt nahe,
dass es viele Besucher dieser Einrichtungen wegen einer negativen
gesellschaftlichen Bewertung dieses Verhaltens oder aus persönlichen Gründen
scheuen werden, ihre Daten korrekt anzugeben, um sich nicht bei einer im
Einzelfall erforderlichen telefonischen oder schriftlichen Nachverfolgung oder
im Zusammenhang mit der Einleitung von Quarantänemaßnahmen mit „unliebsamen“
Fragen im Familien- oder Bekanntenkreis konfrontiert zu sehen (OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 4. Juni 2020 – 2 B 201/20 –, juris, Rn. 14). Vor
diesem Hintergrund legt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde keine
hinreichenden Möglichkeiten und Instrumente von Prostitutionsstätten,
Bordellen und ähnlichen Einrichtungen zur Sicherstellung der
Nachverfolgungsmöglichkeit im Falle des Auftretens von Infektionen dar (vgl. § 146
Abs. 4 Satz 3 VwGO). Insbesondere ist dem Vorbringen nicht zu entnehmen, dass
die von einem Besucher der genannten Einrichtungen anzugebenden persönlichen
Daten anhand des Personalausweises überprüft werden und dieser bei einer
Weigerung aufgefordert würde, die Einrichtung zu verlassen (vgl. dazu OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 6. August 2020 – 2 B 258/20 –, juris, Rn. 16, 20).
cc)
Soweit die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen der Sache nach die
Glaubhaftigkeit der in der Pressemitteilung vom 8. Juni 2020 zum Ausdruck
kommenden Motivlage des Verordnungsgebers in Zweifel zieht, vermag sie damit
nicht durchzudringen. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Einwand überhaupt den
Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, da die
Antragstellerin insoweit ihre Ausführungen aus der Antragsschrift vom 29. Juni
2020 (vgl. S. 7 f.) wörtlich wiederholt.
Die
Antragstellerin meint, „der vermutlich wahre Grund“ für die Wiederherstellung
des Verbots von Prostitutionsstätten liege darin, dass der Verordnungsgeber mit
der Verordnung vom 4. Juni 2020 kein eigenes vollständiges Hygienekonzept
entwickelt, sondern insoweit das Infektionsschutzkonzept des
Unternehmensverbandes Erotik Gewerbe Deutschland e.V. in Bezug genommen habe.
Der Verband habe dieses Konzept allerdings nachträglich geändert und darin
ausgeführt, dass alle prostitutiven Leistungen – nicht nur Massagen – nach
Maßgabe der Hygieneregeln erlaubt seien. Dies habe das Vorhaben des
Verordnungsgebers, Prostitutionsstätten nur mit eingeschränktem Leistungsspektrum,
namentlich erotischer Massagen, zulassen zu wollen, konterkariert.
Mit
diesem Beschwerdevorbringen werden die aus der Pressemitteilung vom 8. Juni
2020 zitierten Erwägungen des Verordnungsgebers indes nicht unglaubhaft. Das
Vorbringen der Antragstellerin betrifft lediglich den Umfang erotischer
Dienstleistungen. Hieraus lässt sich nicht ohne weiteres ein drohendes
Kontrolldefizit im Zusammenhang mit der Überprüfung von Kontaktdaten und der
Nachverfolgung von Infektionsfällen als selbständig tragender Grund für eine
Neubewertung der Gefahrenlage in Abrede stellen.
c) Auf
die in der Pressemitteilung darüber hinaus genannte Begründung für die
vorgenommene Neubewertung, Bordelle in anderen Bundesländern blieben weiterhin
geschlossen, es gelte daher, eine Verlagerung von Sexualdienstleistungen nach
Rheinland-Pfalz zu vermeiden und eine Öffnung von Bordellen solle im
Gleichklang der Bundesländer erfolgen, kommt es daher nicht
entscheidungserheblich an. Das hierauf bezogene Beschwerdevorbringen bedarf
somit keiner Erörterung.
II.
Soweit
die Antragstellerin meint, Prostitutionshandlungen seien unter bestimmten
Voraussetzungen ausschließlich nach Maßgabe des § 6 der 10. CoBeLVO als (bloße)
Dienstleistungen mit Kundenverkehr zu bewerten (vgl. Schriftsatz vom 30. Juli
2020, S. 9), vermag dies nicht zu überzeugen.
1.
Ohne Erfolg verweist die Antragstellerin insoweit auf den
(binnen)systematischen Regelungszusammenhang des § 4 der 10. CoBeLVO, aus dem
ihrer Auffassung nach – in Anlehnung an § 11 Abs. 5 der Sechsten Bayerischen
Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – folge, dass der Begriff des
Bordellbetriebs nur solche Einrichtungen erfasse, in denen ein gleichzeitiges
Zusammentreffen einer Vielzahl von Personen möglich sei (vgl. auch BayVGH,
Beschluss vom 24. Juli 2020 – 20 N 20.1611 –, juris, Rn. 4).
Zum
einen enthält § 4 Nr. 3 der 10. CoBeLVO – anders als die bayerische Rechtslage
– den Begriff „Prostitutionsstätten“. Eine Prostitutionsstätte im Sinne des § 2
Abs. 4 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) kann nach den
Mindestanforderungen des § 18 ProstSchG sowie dem jeweiligen Betriebskonzept (§
16 ProstSchG) allerdings auch eine Räumlichkeit (z.B. Wohnung) sein, die nicht
auf ein Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen ausgelegt ist. Von daher
sind normative Ansätze für die nach der Vorstellung der Antragstellerin
gebotene einschränkende Normauslegung des § 4 Nr. 3 der 10. CoBeLVO weder
substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich.
Zum
anderen legt die Antragstellerin nicht dar, dass in der von ihr in S.
betriebenen Prostitutionsstätte „L.“, bei der es sich offenbar um ein
„Großbordell“ handelt (vgl. www....de; OVG RP, Beschluss vom 27. August 2009 –
8 A 10480/09.OVG –, BA S. 4), ein gleichzeitiges Zusammentreffen einer Vielzahl
von Personen nicht möglich sei. Vielmehr ist dies auch nach dem „Individuellen
Infektionsschutzkonzept“ der Antragstellerin nicht völlig ausgeschlossen (vgl.
Blatt 61R der Gerichtsakte: „... nicht mehr als 10 Kunden gleichzeitig im Haus ...“).
2.
Eine andere rechtliche Würdigung folgt auch nicht aus dem Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. August 2020 – 2 B 258/20 –,
dessen Sachverhalt und rechtliche Grundlagen nach Auffassung der
Antragstellerin mit dem vorliegenden Verfahren im Wesentlichen deckungsgleich
seien.
Streitgegenständlich
war dort die Regelung in § 7 Abs. 1 der saarländischen Verordnung zur
Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 24. Juli 2020 (VO-CP, Amtsblatt 2020 I S.
678), der ein generelles und unbeschränktes Verbot der Erbringung entgeltlicher
sexueller Dienstleistungen sowie der Ausübung des Prostitutionsgewerbes
enthält. Mit dem genannten Beschluss hat das Oberverwaltungsgerichts des
Saarlandes die Regelung vorläufig außer Vollzug gesetzt, „soweit sie ein
uneingeschränktes und generelles Verbot sowohl der Erbringung entgeltlicher
sexueller Dienstleistungen als auch der Ausübung des Prostitutionsgewerbes im
Sinne des § 2 Abs. 3
des ProstSchG enthält, unabhängig von der Frage der Einhaltung
spezieller Hygienekonzepte im Einzelfall auch bei kleinen Prostitutionsstätten,
in denen eine Begegnung zwischen den Kunden ausgeschlossen und zudem der
Kontakt auf eine Dienstleisterin pro Kunde beschränkt ist“. Den Ausgangspunkt für
diese (nur) teilweise vorläufige Außervollzugsetzung des § 7 Abs. 1 VO-CP
bildet die Überlegung, dass es dem saarländischen Verordnungsgeber auch im
Falle von Prostitutionsstätten ein zentrales Anliegen sei, Ansteckungsrisiken
entgegen zu wirken, die sich aus einem „persönlichen Zusammentreffen einer
Vielzahl von Menschen“ ergeben. Es komme daher zunächst wesentlich darauf an,
ob der konkrete Betrieb über Räumlichkeiten verfüge, die zum gleichzeitigen
Aufenthalt von mehr als zwei Personen vorgesehen oder ob Räumlichkeiten
vorhanden seien, in denen sich mehrere Personen zum Zwecke der Anbahnung
sexueller Dienstleistungen zeitgleich aufhalten sollen. Sofern im konkreten
Einzelfall solche Räumlichkeiten nicht vorhanden oder nicht zugänglich seien,
sei der Betrieb der jeweiligen Prostitutionsstätte grundsätzlich möglich,
sofern ein individuelles Hygiene- beziehungsweise Schutzkonzept vorliege, das
mindestens Aussagen zu Terminvereinbarung, Regelungen für den Zutritt, zur
Kontaktvermeidung, Registrierung, Desinfektion, Reinigung, zu Abstands- und
Hygieneregeln, zum Tragen von Mund-/Nasenbedeckung, zu maximalen Dauer der
Dienstleistung sowie zur Belüftung vorsehe (vgl. juris, Ls. und Rn. 15).
Gemessen
hieran kann die Antragstellerin ihr Antragsbegehren nicht mit Erfolg auf die
vorgenannte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes stützen.
Dabei kann offen bleiben, ob dessen Überlegungen auf die rheinland-pfälzische
Rechtslage in § 4 Nr. 3 der 10. CoBeLVO überhaupt übertragbar sind. Die
Antragstellerin fällt aufgrund des Umfangs ihres Bordellbetriebs in der L.-Straße
.. in S. jedenfalls nicht in die nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts
des Saarlandes einer besonderen Regelung bedürftigen Gruppe der „kleinen
Prostitutionsstätten“.
III.
Erfolglos
bleibt ferner der Hinweis der Beschwerde, das Verwaltungsgericht Berlin habe
festgestellt, dass zwischen der Prostitutionsausübung als solcher und den
Anwendungen in BDSM-Studios ein wesentlicher Unterschied in infektiologischer
Hinsicht bestehe, da sich das Angebot in den letztgenannten Einrichtungen
allenfalls auf Berührungen mit der Hand beschränke, weshalb in der Regel
zwischen den Beteiligten ein größerer Abstand bestehe (vgl. Beschlüsse vom 22.
Juli 2020 – VG 14 L 163/20 und VG 14 L 173/20 –, BeckRS 2020, 17618 Rn. 16 und
BeckRS 2020, 17619 Rn. 15). Die Antragstellerin legt bereits ein derart
eingeschränktes Leistungsangebot in Bezug auf die von ihr in Speyer betriebene
Prostitutionsstätte nicht substantiiert dar. Soweit die Antragstellerin zudem
auf eine neue Rechtsentwicklung in Berlin in Bezug auf die Zulassung sexueller
Leistungen ab dem 8. August 2020 ohne Geschlechtsverkehr und ab dem 1.
September 2020 ohne Einschränkungen hinweist (vgl. Pressemitteilung der
Senatskanzlei vom 4. August 2020, abrufbar unter www.berlin.de), hat dies auf
die rheinland-pfälzische Rechtslage keine Auswirkungen.
IV.
Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Beschwerde, aus der Stellungnahme des
Robert Koch-Instituts (RKI) mit Schreiben vom 1. August 2020 zu einer Anfrage
des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V., Berlin, ergebe
sich, dass das Infektionsrisiko durch prostitutive Leistungen bei Beachtung
eines geeigneten Hygienekonzepts nicht abweichend von sonstigen körpernahen
Dienstleistungen zu beurteilen sei, so dass die vom Verordnungsgeber behauptete
Gefährdungslage „im Umfang des Begehrens der Beschwerdeführerin“ nicht bestehe.
Das
RKI ist zwar nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 IfSG besonders zur
Beurteilung der epidemiologischen Lage berufen. Der Inhalt des Schreibens vom
1. August 2020 lässt die von der Beschwerde gezogene Schlussfolgerung jedoch
nicht zu.
1. Das
Schreiben des RKI vom 1. August 2020 geht zunächst auf die Frage ein, ob davon
auszugehen sei, dass es sich bei Sexarbeitenden um „Super-Spreader“ des
Covid-19 Virus handele und von ihnen ein größeres Übertragungsrisiko ausgehe
als von anderen körpernahen Dienstleistungen bzw. Aktivitäten. Hierzu wird
ausgeführt, es gebe bisher keine Evidenz zu Übertragungsrisiken von Sexarbeitern
bzw. Sexarbeiterinnen im Kontext von SARS-CoV-2. Das Hygienekonzept des
Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. enthalte wichtige
Maßnahmen und wende diese für das Setting Sexarbeit grundsätzlich angemessen
an. Das Risiko einer Übertragung könne allerdings nicht vollständig
ausgeschlossen werden, insbesondere da es bei sexuellen Handlungen zum
vermehrten Ausstoß von Aerosolen und damit potentiell Viren kommen könne.
Selbst
wenn von Beschäftigten in Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen
Einrichtungen kein größeres Übertragungsrisiko ausginge als von anderen
körpernahen Dienstleistungen bzw. Aktivitäten, begegnet die in § 4 Nr. 3 der
10. CoBeLVO getroffene Regelung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keinen
durchgreifenden Ermessensfehlern. Die hier vom Verordnungsgeber vorgenommene
Differenzierung zwischen Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen
Einrichtungen einerseits und sonstigen körpernahen Dienstleistungen
andererseits ist – wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat
(vgl. BA S. 14 f.) – durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Zum einen sind
sonstige körpernahen Dienstleistungen in der Regel mit geringerer körperlicher
Anstrengung und daher mit einem deutlich geringeren Ausstoß von Aerosolen
verbunden. Zum anderen besteht dort regelmäßig auch keine Scheu, die
Kontaktdaten zu hinterlassen. Insbesondere letzteres rechtfertigt eine andere
Behandlung (vgl. HessVGH, Beschluss vom 8. Juni 2020 – 8 B 1446/20.N –, juris Rn. 41; OVG
Lüneburg, Beschluss vom 9. Juni 2020 – 13 MN 211/20 –, Rn. 39 f. 46 f.). Hiergegen
trägt die Beschwerde nichts vor.
2. Das
RKI verhält sich ferner zu der Frage, ob eine Illegalisierung in Form eines
Sexkaufverbots nach dem Schwedischen Modell in Deutschland dazu beitragen kann,
die öffentliche Gesundheit dauerhaft zu schützen, vor allem mit Blick auf die
Prävention und Verbreitung von sexuell übertragbaren Infektionen. Der Antwort
des RKI hierauf lässt sich indes kein Bezug zu der CoViD-19-Pandemie entnehmen.
Vielmehr kommt das RKI insoweit zu dem Ergebnis, dass ein Sexkaufverbot
angesichts einer fehlenden Evidenz, die öffentliche Gesundheit dauerhaft zu
schützen, der in Deutschland langjährig bewährten HIV/STI-Präventionsstrategie
und dem Konzept der strukturellen Prävention entgegenstehen würde. Hieraus
vermag die Beschwerde nichts für sich herzuleiten.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die
Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5
sowie in Anlehnung an Nr. 54. Februar 1 des Streitwertkataloges für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit (LKRZ 2014, 169).