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Rechtsprechungsarchiv
des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz e.V.
Deinhardpassage 1
56068 Koblenz

1 K 584/19.MZ

GerichtVG MainzAktenzeichen1 K 584/19.MZ
EntscheidungsartUrteilDatum
24.09.2020
veröffentlicht in
rechtskräftigNein
Leitsatz
1. Richtiger Klagegegner ist gemäß § 20 Abs. 5 Nr. 2 BDSG die Aufsichtsbehörde (hier: der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz), die gemäß § 20 Abs. 4 BDSG beteiligungsfähig ist, wenn es um Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder einer juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder eines Landes über Rechte gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 DSGVO sowie § 61 BDSG geht.

2. Auch wenn bei einer personengenauen Auflösung einer Kameraüberwachung besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO erfasst werden können, besteht jedenfalls dann kein Verarbeitungsverbot, wenn der Verantwortliche keine Auswertungsabsicht in Bezug auf die sensiblen Daten hat.

3. Die Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DSGVO stellt rechtswidriges Verhalten in der Vergangenheit fest und kann neben weiteren Maßnahmen – z.B. nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DSGVO – angeordnet werden, die den rechtswidrigen Zustand für die Zukunft beseitigen und der Gefahrenabwehr zu dienen.

4. Auf Grundlage von Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO kann die Demontage der Verarbeitungsanlage (z.B. Kamera) nicht angeordnet werden.
RechtsgebieteDatenschutzrecht
SchlagworteAbbau, allgemeines Lebensrisiko, besondere Gefahrenlage, Daten, Datenschutz, Datenschutzrecht, Demontage, Eigentum, Einkaufszentrum, Einwilligung, Erforderlichkeit, Ermessen, Gefahrenlage, Interessenabwägung, Kamera, Lebensrisiko, öffentlicher Verkehrsraum, Reklametafel, sensible Daten, Straftat, Vandalismus, Verhältnismäßigkeit, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Verkehrsraum, Verwarnung, Videoüberwachung, Werbetafel, Zwangsgeld, Zwangsmittel, Zwangsmittelandrohung
NormenBDSG § 20,BDSG § 20 Abs 4,BDSG § 20 Abs 5,BDSG § 20 Abs 5 Nr 2,DSGVO Art 6,DSGVO Art 6 Abs 1,DSGVO Art 6 Abs 1 UAbs 1,DSGVO Art 6 Abs 1 UAbs 1 S 1,DSGVO Art 6 Abs 1 UAbs 1 S 1a,DSGVO Art 6 Abs 1 UAbs 1 S 1f,DSGVO Art 9,DSGVO Art 9 Abs 1,DSGVO Art 58,DSGVO Art 58 Abs 1,DSGVO Art 58 Abs 1a,DSGVO Art 58 Abs 2,DSGVO Art 58 Abs 2b,DSGVO Art 58 Abs 2d,LVwVG § 66,LVwVG § 66 Abs 1,LVwVG § 66 Abs 1 S 3
Volltext

Tenor

Es werden die Ziffer 2 hinsichtlich der Anordnung des Abbaus von Kamera 1 sowie die Ziffern 4 und 9 des Bescheids vom 23. November 2018 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine datenschutzrechtliche Verwarnung und weitere Anordnungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz – LfDI –, mit denen er dazu aufgefordert wird, die Kameraüberwachung seiner Werbetafel teilweise einzustellen oder zu modifizieren.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A. in B. Das Grundstück liegt an der Auffahrt zur Bundesstraße ... in einem Gewerbegebiet außerhalb der Ortslage von B. Auf dem Grundstück befinden sich ein Einkaufszentrum (...), ein Parkplatz sowie eine großflächige, zweiseitige Werbetafel mit LED-Anzeige. Die Tafel hatte einen Anschaffungswert von ca. 200.000,00 €. Der Kläger hat zum Schutz seiner Reklametafel auf jeder Seite zwei statische Videokameras installiert (vgl. Anlagen 1 bis 5 zum Schriftsatz des Klägers vom 19. Dezember 2018). Zwei Kameras erfassen jeweils im Wesentlichen die Tafel (Kameras 3 und 4); die anderen Kameras sind auf den Bereich vor der Reklametafel ausgerichtet, sodass eine der Kameras den Parkplatz und das anliegende Einkaufszentrum (Kamera 2) und die andere Kamera den Einmündungsbereich der Straße A. in die Bundesstraße ... aufnimmt (Kamera 1). Alle vier Kameras sind rund um die Uhr in Betrieb und erfassen ihr jeweiliges Blickfeld in kennzeichen- und personengenauer Auflösung. Die Aufnahmen werden in einem Aufzeichnungsgerät, das sich zwischen den beiden Reklametafeln befindet, für 48 Stunden gespeichert und sodann automatisch gelöscht. Zugang zu dem verschlossenen Aufzeichnungsgerät und den Aufnahmen hat allein der Kläger. Auf die Videoüberwachung wird mit einem Piktogramm auf dem Parkplatz hingewiesen.

3

Nachdem zwischen den Beteiligten verschiedene Korrespondenz erfolgt ist und der Kläger zu den vom Beklagten beabsichtigten Maßnahmen angehört wurde, ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2018 (zugestellt am 26. November 2018) Maßnahmen auf Grundlage der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) – DSGVO – an. Hinsichtlich Kamera 1 sprach der Beklagte eine Verwarnung aus (Ziffer 1 des Bescheids) und forderte den Kläger dazu auf, die Datenverarbeitung durch diese Kamera einzustellen und sie abzubauen (Ziffer 2 des Bescheids) sowie den Abbau durch Vorlage eines Lichtbildes nachzuweisen (Ziffer 4 des Bescheids). Gemäß Ziffer 3 des Bescheids soll Kamera 2 so eingestellt werden, dass sie während der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums keine Aufnahmen fertigt. Dies soll durch Vorlage eines Ausdrucks bzw. eines Lichtbildes der entsprechenden Einstellungen nachgewiesen werden (Ziffer 5). Die Kameras 3 und 4 sollen so ausgerichtet werden, dass die bisher darauf ersichtliche Straße, der Parkplatz und ein benachbartes Wohnhaus nicht mehr in den Erfassungswinkel der Kamera fallen (Ziffer 6). Auch dies muss durch einen Bildschirmausdruck nachgewiesen werden (Ziffer 7). Für die Umsetzung der Anordnungen wurde eine Frist bis zum 15. Dezember 2018 gesetzt (Ziffer 8); diese Frist wurde auf Bitte des Klägers bis zum 4. Januar 2019 verlängert. Außerdem wurden Zwangsgelder in Höhe von 1.000,00 €, 2.500,00 € und 5.000,00 € bei Missachtung der Anordnungen angedroht (Ziffer 9).

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Der Kläger hat am 26. Juni 2019 Klage erhoben. Der Bescheid vom 23. November 2018 sei rechtswidrig, weil die Videoüberwachung an seiner Reklametafel rechtmäßig sei. Sie diene der Wahrnehmung seines Hausrechts und dem Schutz seiner berechtigten Interessen, da er seine Werbetafel vor Beschädigungen schützen wolle. Er habe ein berechtigtes Interesse daran, sein Eigentum zu schützen und unberechtigte Personen vom Betreten seines Areals fernzuhalten sowie Straftaten an seinem Eigentum zu verhindern oder jedenfalls verfolgen zu können. In der Vergangenheit sei es immer wieder zu Straftaten auf dem Gelände gekommen, so sei mehrmals und auch im Jahr 2020 in den Lebensmitteldiscounter, den .... und das ... (Einkaufszentrum) eingebrochen worden, es habe Graffiti und Fälle von Fahrerflucht gegeben und es sei Altöl auf dem Gelände entsorgt worden. Es sei auch in Zukunft zu erwarten, dass hier Straftaten begangen würden. Die Videoüberwachung sei auch erforderlich, da das Ziel – Abschreckung von Störern und Straftätern sowie ihre Identifizierung – mit dieser Maßnahme erreicht werden könne. Die Überwachung der LED-Werbeanlage sei erfolgreich, da die Anlage bisher nicht angegriffen bzw. beschädigt worden sei. Es gebe kein anderes, gleich wirksames, aber weniger in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung der Betroffenen einschneidendes Mittel. Bei Einkaufszentren handele es sich grundsätzlich um einen potentiell gefährdeten Bereich, der als typischer Gefährdungspunkt kameraüberwacht werden solle. Insbesondere sei der Einsatz von Wachpersonal nicht zumutbar. Auch ein Zaun sei ungeeignet, weil über den Zaun Steine auf die Werbetafel geworfen werden könnten. Die Kameras müssten den Bereich vor den Tafeln erfassen, da die LED-Tafeln durch Steinwürfe oder den Einsatz von Drohnen beschädigt werden könnten. Der Einmündungsbereich an der Bundesstraße ... müsse zur Kennzeichenerfassung und damit Identifizierung von Tätern überwacht werden. Nur eine vollumfängliche, zeitlich uneingeschränkte Überwachung sei effektiv, da tagsüber bereits Fälle von Fahrerflucht aufgetreten seien und Straftaten auch tagsüber vorbereitet werden könnten. Zugleich könne nur das Zusammenspiel aller vier Kameras einen effektiven Schutz der Werbetafeln sicherstellen. Bei der Interessenabwägung müsse schließlich auch berücksichtigt werden, dass Videoüberwachung heute allgegenwärtig sei und die Aufnahmen vorliegend nur dann gesichtet würden, wenn ein Schadensereignis eingetreten sei; im Übrigen würden die Aufnahmen ungesehen automatisch gelöscht. Die Abbauverfügung hinsichtlich Kamera 1 sei rechtswidrig, weil schon eine Abschaltung ausreiche, um weitere Datenverarbeitungen zu verhindern. Gegen eine abgeschaltete Kamera könne nicht auf der Grundlage der Datenschutzgrundverordnung vorgegangen werden. Die Verwarnung in Bezug auf Kamera 1 sei rechtswidrig, weil sie zeitgleich mit der Verfügung, den Betrieb der Kamera einzustellen und diese abzubauen, ergangen sei. Erst, wenn eine Verwarnung missachtet worden sei, könne darauf mit einer schärferen Abhilfebefugnis reagiert werden. Außerdem fehle es hinsichtlich der Verwarnung an einer Anhörung.

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Der Kläger beantragt,

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die in dem Bescheid des Beklagten vom 23. November 2018 unter Ziffern 1 bis 7 verfügten Anordnungen bzw. Maßnahmen sowie die unter Ziffer 9 des Bescheids verfügten Zwangsmittelandrohungen aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

9

Die vom Kläger veranlasste Datenverarbeitung verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO. Die Verwarnung und die Abbauverfügung hinsichtlich Kamera 1 seien rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Verwarnung sei Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DSGVO. Die Kamera erfasse öffentlichen Verkehrsraum, nämlich die Bundesstraße ... und die Straße A. sowie den angrenzenden Rad- und Fußgängerweg und eine Bahntrasse. Die Überwachung des öffentlichen Straßenverkehrs sei eine staatliche Aufgabe und müsse nicht vom Kläger wahrgenommen werden. Außerdem beeinträchtige sie die Rechte der Verkehrsteilnehmer in erheblichem Umfang und sei ohne Bezug zu konkretem deliktischen Verhalten rechtswidrig. Dem vom Kläger entworfenen, nicht hinreichend substantiierten Bedrohungsszenario könne auch nicht wirksam durch eine Videoüberwachung begegnet werden. Jedenfalls überwögen die Rechte der Betroffenen: Es werde eine Vielzahl von Passanten gefilmt, obwohl sie nicht auf den Parkplatz führen und sich zudem einwandfrei verhielten. Die Verwarnung sei auszusprechen gewesen, weil Kamera 1 offensichtlich rechtswidrig und deshalb im Sinne einer effektiven Rechtsdurchsetzung zu sanktionieren sei. Da eine erhebliche Anzahl rechtswidriger Verarbeitungsvorgänge stattfinde, sei es zudem erforderlich gewesen, die Einstellung und den Abbau der Videokamera 1 anzuordnen. Weiterhin sei zu beachten, dass bei einer bloßen Abschaltung von Kamera 1 diese dann als faktische Attrappe einen unzulässigen Überwachungsdruck generiere. Nur durch eine Entfernung der Kamera könne darüber hinaus sichergestellt werden, dass die unzulässige Videoüberwachung nicht wiederaufgenommen werde. In Bezug auf Kamera 2 müssten die Aufnahmezeiten auf den Zeitraum außerhalb der Öffnungszeiten der anliegenden Einzelhandelsbetriebe beschränkt werden. Zwar seien die vom Kläger berichteten strafrechtsrelevanten Vorfälle auf dem Gelände nicht hinreichend schwer, häufig und substantiiert vorgetragen. Eine Überwachung des Parkplatzes außerhalb der Öffnungszeiten könne jedoch noch als verhältnismäßig gewertet werden. Insofern sei auch zu beachten, dass sich während der Öffnungszeiten eine Vielzahl von Menschen, darunter auch Kinder, auf dem Parkplatz befänden und deren Grundrechte und Grundfreiheiten die Interessen des Klägers als Verantwortlichem überwögen. Die Kameras 3 und 4 müssten so ausgerichtet werden, dass sie nur noch die Werbetafel erfassen, da diese Kameras nach den Angaben des Klägers nur der Überwachung der LED-Reklametafel dienten. Zur Erfüllung dieses Zwecks sei es nicht erforderlich, Teile des öffentlichen Verkehrsraums und eines anliegenden Wohnhauses sowie des Parkplatzes zu überwachen. Die Informationsersuchen über die Erfüllung der angeordneten Maßnahmen seien gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DSGVO notwendig, um eine Kontrolle der zukünftigen Datenverarbeitung zu gewährleisten.

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Mit Beschluss vom 24. Juni 2019 wurde das Verfahren vom Verwaltungsgericht Koblenz zum Verwaltungsgericht Mainz verwiesen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (2 Bände) und die Verwaltungsakte (1 Heft) des Beklagten Bezug genommen; diese lagen der Kammer vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

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Die zulässige (I.) Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang in der Sache Erfolg (II.).

 

I.

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Die Klage ist zulässig.

14

Statthaft ist gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – die Anfechtungsklage, da es sich bei der angefochtenen Verwarnung um einen – zumindest feststellenden – Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – i.V.m. § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – handelt. Schließlich wird mit der Verwarnung festgestellt, dass der Adressat gegen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) – DSGVO – verstoßen hat. Zwar wird durch die Verwarnung keine konkrete, unmittelbare Rechtspflicht ausgelöst. Gleichwohl wird mit der Verwarnung implizit ausgedrückt, dass sich der Adressat künftig datenschutzkonform verhalten soll. Darüber hinaus handelt es sich bei der Verwarnung um eine Abhilfemaßnahme der Datenschutzbehörde, mit der ein – wenn auch regelmäßig eher geringfügiger – Datenschutzverstoß geahndet wird (vgl. Körffer, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 58, Rn. 18; Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, 2. Aufl. 2018, Datenschutz-Grundverordnung, Art. 58, Rn. 20). Auch bei den übrigen Verfügungen, die dem Kläger bestimmte Handlungspflichten auferlegen, handelt es sich um Verwaltungsakte.

15

Der Kläger ist Adressat belastender Verwaltungsakte und damit klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.

16

Ein Vorverfahren war gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO sowie § 20 Abs. 6 Bundesdatenschutzgesetz – BDSG – entbehrlich.

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Die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO wurde gewahrt.

18

Richtiger Klagegegner ist gemäß § 20 Abs. 5 Nr. 2 BDSG der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz – LfDI –. Gemäß § 20 Abs. 4 BDSG ist der LfDI beteiligungsfähig, wenn es – wie hier – um Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder einer juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder eines Landes über Rechte gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 DSGVO sowie § 61 BDSG geht. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG ist das Bundesdatenschutzgesetz hier auch anwendbar, da der Kläger die Verarbeitung von personenbezogenen Daten Dritter vornimmt und eine nicht-öffentliche Stelle ist. Der Kläger hatte zwar zunächst das Land Rheinland-Pfalz als Klagegegner angeführt; allerdings war hier durch Auslegung unzweifelhaft zu ermitteln, dass der Kläger die Klage gegen den LfDI, der den angefochtenen Bescheid erlassen hat, richten wollte. Unter entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO ergibt sich, dass die fehlerhafte Bezeichnung des Beklagten unerheblich ist, wenn erkennbar ist, gegen wen sich die Klage richtigerweise richten sollte. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn – wie hier – die Klage zunächst gegen den Rechtsträger gerichtet ist, auch wenn (ausnahmsweise) die Behörde Klagegegnerin ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. März 1991 – 22 A 871/90 –, juris, Rn. 5 ff.; Kintz, in: BeckOK VwGO, 54. Ed. 1. Juli 2020, § 78, Rn. 43). Die Kammer hat daher das Rubrum dahingehend von Amts wegen geändert, dass Klagegegner der LfDI ist. Die Beteiligten, die in der mündlichen Verhandlung am 24. September 2020 hierauf hingewiesen worden sind, haben gegen die Rubrumsänderung keine Einwände erhoben.

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Das Verwaltungsgericht Mainz ist gemäß § 20 Abs. 1 und Abs. 3 BDSG – i.V.m. Art. 78 Abs. 1 DSGVO örtlich zuständig. Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht Mainz an den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24. Juni 2019 gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG gebunden.

 

II.

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Die Klage hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Die vom Kläger angegriffenen Verfügungen unter den Ziffern 1, 3, 5, 6 und 7 des Bescheids vom 23. November 2018 des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Verfügungen unter den Ziffern 4 und Ziffer 9 sowie teilweise die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheids des Beklagten sind hingegen rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, sodass sie aufzuheben gewesen sind.

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1. Die in Bezug auf Kamera 1 ausgesprochene Verwarnung (Ziffer 1 des Bescheids vom 23. November 2018) ist rechtmäßig. Kamera 1 filmt den Einmündungsbereich der Straße „A.“ in die Bundesstraße ... sowie einen Fahrrad- und Fußweg und eine Bahntrasse.

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Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Verwarnung ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DSGVO. Danach ist es der Aufsichtsbehörde gestattet, einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter zu verwarnen, wenn er mit Verarbeitungsvorgängen gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen hat. Dass der Beklagte in seinem Bescheid als Rechtsgrundlage Art. 58 Abs. 1 Buchst. b DSGVO genannt hat, ist offensichtlich einem redaktionellen Versehen geschuldet. Der Beklagte hat im Laufe des Verfahrens klargestellt, dass die Verwarnung auf Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DSGVO gestützt werden sollte.

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Die vorliegende Verwarnung ist formell rechtmäßig; insbesondere war der beklagte LfDI für den Erlass der Verfügung gemäß Art. 51 Abs. 1, 55 Abs. 1 DSGVO, § 40 Abs. 1 BDSG, § 15 Abs. 2 LDSG zuständig. Sofern ein Anhörungsfehler darin zu erkennen wäre, dass der Kläger in der Anhörung vom 10. August 2018 nicht auf den möglichen Ausspruch einer Verwarnung hingewiesen wurde – sondern nur Maßnahmen nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DSGVO angekündigt wurden –, wäre dieser Fehler jedenfalls dadurch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt, dass die Anhörung nachgeholt wurde. Schließlich hat sich der Beklagte im Rahmen des Klageverfahrens intensiv mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt und insbesondere auch zu dessen Vortrag hinsichtlich der Verwarnung inhaltlich Stellung genommen.

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Ob eine Datenverarbeitung gegen die Datenschutzgrundverordnung verstößt, richtet sich nach Art. 5 ff. DSGVO. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO müssen personenbezogene Daten auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden. Die Verwarnung ist auch materiell rechtmäßig, da die Überwachung durch die Kamera 1 hier rechtswidrig erfolgt ist. Die Videoüberwachung stellt eine Datenverarbeitung dar (a), bei der auch personenbezogene Daten verarbeitet werden (b). Auch wenn es sich nach Auffassung der Kammer bei den verarbeiteten Daten nicht um besonders sensible Daten handelt und damit vorliegend kein Verarbeitungsverbot gemäß Art. 9 DSGVO besteht (c), verstößt die Videoüberwachung durch Kamera 1 gegen die Datenschutzgrundverordnung, da sie nicht nach Art. 6 DSGVO gerechtfertigt ist (d).

25

a) Der Kläger ist eine datenverarbeitende Stelle, indem er mit seiner Kamera Videoaufnahmen von Dritten anfertigt. Bei der Kameraüberwachung handelt es sich um die Verarbeitung von Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Eine Datenverarbeitung ist danach jeder Vorgang, der mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten ausgeführt wird. Von dem Begriff der Verarbeitung ist jeglicher Umgang mit personenbezogenen Daten erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 – 6 C 2/18 –, juris, Rn. 43; SaarlOVG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 2 A 662/17 – juris, Rn. 38; Schild, in: BeckOK Datenschutzrecht, 33. Ed. 1. August 2020, DS-GVO, Art. 4, Rn. 34).

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b) Bei der Kameraüberwachung werden auch personenbezogene Daten verarbeitet. Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt unter den Begriff „personenbezogene Daten“, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 a.a.O., juris, Rn. 43; SaarlOVG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O., juris, Rn. 38; OVG Nds, Urteil vom 29. September 2014 – 11 LC 114/13 – juris, Rn. 28 f.; Schild, in: BeckOK Datenschutzrecht, 33. Ed. 1. August 2020, DS-GVO, Art. 4, Rn. 14b). Die hier verwendete Kamera erfasst Personen und Fahrzeuge in kennzeichen- und personengenauer Auflösung.

27

c) Die gesteigerten Anforderungen, die gemäß Art. 9 DSGVO an die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten gestellt werden, mussten im vorliegenden Fall nicht eingehalten werden. Gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person grundsätzlich untersagt.

28

Zwar ist es bei einer personengenauen Auflösung der Kameraaufnahmen grundsätzlich möglich, dass besondere Kategorien personenbezogener Daten erfasst werden. Schließlich lassen sich durch das äußere Erscheinungsbild der gefilmten Personen möglicherweise ihre rassische und ethnische Herkunft (Hautfarbe, Haare), ihre politische Meinung (z.B. „Palästinensertuch“), ihre religiöse oder weltanschauliche Überzeugung (z.B. religiöse Kleidungsstücke wie Kopftuch oder Kippa), Gesundheitsdaten (z.B. Brille, Rollstuhl) oder die sexuelle Orientierung (z.B. homosexuelles Paar) erkennen.

29

Allerdings geht es dem Kläger nicht darum, genau diese personenbezogenen Daten besonderer Kategorien zu erfassen. Der Kläger beabsichtigt mit der Videoüberwachung Strafprävention und Strafverfolgung. Bei der Überwachung erhält er einen Mischdatensatz aus besonders sensiblen und nicht-sensiblen Daten, wobei er keine Auswertungsabsicht in Bezug auf die sensiblen Daten hat. Ohne das Vorliegen einer solchen Auswertungsabsicht bestehen für die betroffenen Personen keine besonderen Risiken, sodass der Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 DSGVO nicht eröffnet ist (vgl. Schulz, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, DS-GVO, Art. 9, Rn. 13; Schneider/Schindler, Videoüberwachung als Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, ZD 2018, 463, beck-online).

30

d) Die Videoüberwachung durch Kamera 1 ist aber gemäß Art. 6 DSGVO rechtswidrig. Danach ist eine Datenverarbeitung nur dann rechtmäßig, wenn mindestens eine der unter Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchst. a bis Buchst. f DSGVO genannten Bedingungen erfüllt ist. Hier liegt jedoch weder eine Einwilligung der betroffenen Personen i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchst. a DSGVO vor (aa), noch erfolgte die Videoüberwachung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchst. f DSGVO im überwiegenden Interesse des Klägers oder eines Dritten (bb).

31

aa) Eine Datenverarbeitung ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 Buchst. a DSGVO rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat. Gemäß der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 11 DSGVO ist eine Einwilligung jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.

32

Die von der Videoüberwachung betroffenen Personen haben weder schriftlich noch mündlich in die Datenverarbeitung eingewilligt, wenn sie überhaupt zur Kenntnis genommen haben, dass eine Kameraüberwachung stattfindet. Eine (konkludente) Willenserklärung ist auch nicht in dem Lesen des Hinweisschildes (Piktogramm) an der Werbetafel zu erkennen. Auch bei deutlich sichtbar angebrachten Hinweisen ist nicht von einem Einverständnis mit der Überwachung auszugehen, wenn die betroffenen Personen den überwachten Bereich betreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 a.a.O., juris, Rn. 23; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 –, juris, Rn. 40). Darüber hinaus kann es bei Betroffenen an der erforderlichen Einwilligungsfähigkeit fehlen, etwa bei Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (vgl. OVG Nds, Urteil vom 29. September 2014 a.a.O., juris, Rn. 33).

33

bb) Die Videoüberwachung ist auch nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchst. f DSGVO gerechtfertigt. Danach ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. In einem zweistufigen Prüfprogramm ist zunächst die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung festzustellen (1) und sodann eine Abwägung der Interessen des verantwortlichen Datenverarbeiters bzw. eines Dritten mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen vorzunehmen (2).

34

(1) Die hier vom Kläger veranlasste Kameraüberwachung ist schon nicht erforderlich, sofern sie während der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums in Betrieb ist und Aufnahmen anfertigt.

35

Eine Datenverarbeitung ist erforderlich, wenn der Verantwortliche zur Wahrung berechtigter, d.h. schutzwürdiger und objektiv begründbarer Interessen darauf angewiesen ist. Hierfür ist nach Erwägungsgrund 47 zur Datenschutz-Grundverordnung unter anderem bedeutsam, ob die Datenverarbeitung für die Verhinderung von Straftaten unbedingt erforderlich ist, ob sie absehbar, d.h. branchenüblich ist, oder ob die Betroffenen in der konkreten Situation vernünftigerweise damit rechnen müssen, dass ihre Daten verarbeitet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 a.a.O., juris, Rn. 47).

36

Dabei ist es Sache des Verantwortlichen darzulegen, aus welchen Gründen er eine Videoüberwachung seiner Räume für angezeigt hält. Anhand seiner Angaben ist zu beurteilen, ob und in welchem Umfang die Maßnahme erforderlich ist. Behörden und Gerichte müssen im Rahmen ihrer Pflicht zur Sachaufklärung darauf hinwirken, dass der Verantwortliche die angeführten Gründe erläutert oder ergänzt. Nach dem allgemein anerkannten Begriffsverständnis ist Erforderlichkeit anzunehmen, wenn ein Grund, etwa eine Gefährdungslage, hinreichend durch Tatsachen oder die allgemeine Lebenserfahrung belegt ist, und ihm nicht ebenso gut durch eine andere gleich wirksame, aber schonendere Maßnahme Rechnung getragen werden kann. Schonender als die Videoüberwachung sind insbesondere Maßnahmen, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Besucher der öffentlich zugänglichen Räume nicht berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 a.a.O., juris, Rn. 26; SaarlOVG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O., juris, Rn. 46).

37

Es stellt somit zwar grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen dar, eine Kameraüberwachung zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten einzusetzen. Allerdings ist eine solche Überwachungsmaßnahme nur dann erforderlich, wenn eine Gefährdungslage besteht, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Eine solche Gefährdung kann sich nur aus tatsächlichen Erkenntnissen ergeben; subjektive Befürchtungen oder ein Gefühl der Unsicherheit reichen nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 a.a.O., juris, Rn. 28; SaarlOVG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O., juris, Rn. 45);

38

Unter Anwendung des dargestellten Rechtsmaßstabs ist eine besondere Gefährdungslage für die Werbetafel, deren Schutz der Kläger mit der Videoüberwachung bezweckt, vorliegend nur außerhalb der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums anzuerkennen. Im Übrigen ist eine besondere Gefährdungslage, die sich auf das zu schützende Objekt – hier: die Werbetafeln – beziehen muss, um dessen Videoüberwachung zu rechtfertigen, nicht ersichtlich.

39

Bei der Bewertung, ob eine besondere Gefährdungslage für die Werbeanlage besteht, ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Anlage bisher nicht von Dritten beschädigt worden ist. Die streitgegenständliche Werbeanlage ist durch ihre Höhe und den abgeschlossenen Zugang zu dem Betriebsraum zwischen den beiden Werbetafeln bereits dadurch überdurchschnittlich gut gegen Vandalismus geschützt, als weder die Tafeln noch der Betriebsraum für Dritte zugänglich sind. Der Kläger geht daher selbst davon aus, dass Beschädigungen der Werbeanlage allein von außen bzw. vom Boden aus – zum Beispiel durch den Wurf von Gegenständen oder den Einsatz von Drohnen – erfolgen könnten. Der Kläger hat auch nicht überzeugend vorgetragen, dass Werbeanlagen generell einem erhöhten Sachbeschädigungsrisiko ausgesetzt sind. Sofern er angibt, dass er von Geschehnissen Kenntnis erlangt habe, bei denen Werbeanlagen beschossen worden seien, lässt sich aus diesen – im Übrigen nicht weiter substantiierten oder belegten – Vorfällen jedenfalls kein allgemein erhöhtes Gefährdungsrisiko für Werbeanlagen ableiten. Ob die vom Kläger an der Werbeanlage angebrachten Überwachungskameras einen derartigen Abschreckungseffekt bewirken, dass potentielle Täter von einer Sachbeschädigung absehen und sich nur deshalb das besondere Gefährdungsrisiko bisher nicht realisiert hat, kann nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden. Schließlich wird auch das anliegende Einkaufszentrum jedenfalls durch Kamera 2 und – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat – weitere Kameras am Einkaufszentrum überwacht und es sind gleichwohl Einbruchsdelikte begangen worden.

40

Sofern der Kläger weiter – allerdings unsubstantiiert und ohne entsprechende Nachweise – vorträgt, dass es auf dem Parkplatz bereits mehrere Fälle von Fahrerflucht gab, ist hierin ebenfalls kein Umstand zu erkennen, der eine besondere Gefährdungslage begründen würde, sondern es realisiert sich allenfalls ein allgemeines Lebensrisiko. Auch seine Befürchtung, dass Lastwagen die Werbetafel streifen und beschädigen könnten, begründet nur ein allgemeines Risiko, aber keine besondere Gefährdungslage, die eine Videoüberwachung rechtfertigt. Zudem ist auf dem mit Anlage 2 mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 vom Kläger vorgelegten Foto erkennbar, dass unterhalb der Werbeanlage am Rand bzw. am Übergang zur Straße „A.“ größere Steine liegen, die ein Überfahren des Bordsteins und ein Streifen der Werbetafel durch Lastwagen verhindern dürften. Sofern am Rand zur Bundesstraße ... bislang noch keine entsprechenden „Poller“ installiert wurden, ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch hier ein solcher Schutz eingesetzt werden könnte, der die Werbetafel schützt und zugleich eine Videoüberwachung entbehrlich macht.

41

Die Kammer erkennt aber an, dass sich angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls die Gefährdung des Umfelds jedenfalls teilweise auf die Gefährdungslage der Werbeanlage auswirkt. Es kann dahinstehen, ob bei Einkaufszentren – möglicherweise auch in ihrer Umgebung – generell eine besondere Gefährdungslage angenommen werden kann, wie der Kläger offenbar meint. Schließlich sind im vorliegenden Fall Straftaten im Bereich des Einkaufszentrums tatsächlich begangen worden. Der Kläger hat von verschiedenen kriminellen Vorfällen in der näheren Umgebung der Werbeanlage berichtet: Es habe Einbrüche, Graffitis und beleidigende Schmierereien im Bereich des Einkaufszentrums und an einer benachbarten Lagerhalle gegeben, was er teilweise durch Vorlage entsprechender Fotos belegt hat, was aber im Übrigen auch nicht vom Beklagten substantiiert bestritten worden ist. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Diebstahlsdelikte aus Täterperspektive einen gewissen unmittelbaren Nutzen versprechen (Diebesgut) und Wandschmierereien mit Sprühfarben zum einen mit einer Meinungsäußerung verbunden sein und zum anderen grundsätzlich sehr einfach und schnell und ohne besonders großes Entdeckungsrisiko begangen werden können, sodass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die gleichen Tätergruppen auch die Werbeanlage des Klägers beschädigen würden. Der Kläger hat aber glaubhaft und nachvollziehbar erläutert, dass er in B. ein bekannter Unternehmer sei und die begangenen Straftaten jedenfalls teilweise mit einem Angriff auf seine Person verbunden seien. Er verweist insofern insbesondere auf Schmierereien an einer benachbarten Lagerhalle, mit denen er persönlich beleidigt und bedroht wurde, von denen er Fotos zur Akte gereicht hat. Er müsse daher befürchten, dass man ihm schaden wolle, sodass sein Eigentum gefährdet sei und er es berechtigterweise schütze. Aufgrund der verschiedenen Straftaten, die im Umfeld der Werbeanlage auf dem Grundstück des Klägers begangen wurden und die teilweise einen unmittelbaren Angriff auf die Person des Klägers darstellten, handelt es sich bei der nachvollziehbaren Sorge des Klägers vor Beschädigungen auch seiner hochpreisigen Werbeanlage grundsätzlich nicht nur um subjektive Befürchtungen, sondern kann eine besondere Gefährdungslage hier aus tatsächlichen Erkenntnissen abgeleitet werden.

42

Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass die Werbeanlage des Klägers nur außerhalb der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums besonders gefährdet ist. Insofern ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass sich die Anlage in exponierter Lage an der – wie die Beteiligten mitgeteilt haben – vielbefahrenen Bundesstraße ... sowie an der Zufahrtsstraße zum Gewerbegebiet unmittelbar am Parkplatz des Einkaufszentrums befindet. Es ist daher davon auszugehen, dass Sachbeschädigungen an der Werbetafel – um deren Schutz es dem Kläger mit der Videoüberwachung geht – während der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums nicht wahrscheinlich sind, weil in dieser Zeit mit einigem Durchgangsverkehr sowie einparkenden und Waren einpackenden Kunden des Einkaufszentrums zu rechnen ist. Etwaige Täter, die die Werbeanlage beschädigen wollten, würden während der Öffnungszeiten ein hohes Entdeckungsrisiko eingehen.

43

Die Videoüberwachung ist auch grundsätzlich geeignet, um den Überwachungszweck – hier: den Schutz des klägerischen Eigentums – zu erfüllen. Denn es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die Wahrscheinlichkeit, dass derartige Taten begangen werden, umso geringer ist, je höher das Risiko ist, entdeckt und zur Verantwortung gezogen zu werden. Dieses Risiko ist aber nach der Installation von Videokameras aus Sicht von potentiellen Tätern größer geworden, denn sie können nicht wissen, wann sie von der Kamera erfasst werden, und nicht ausschließen, bei der Begehung eventueller Verstöße von einem Mitarbeiter des Klägers am Bildschirm beobachtet zu werden (vgl. SaarlOVG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O., juris, Rn. 46). Außerdem ist es möglich, dass die Kamera Aufnahmen von einem etwaigen Tatgeschehen anfertigt, sodass insbesondere der Täter identifizierbar und eine Strafverfolgung erleichtert werden kann. Für etwaige Bedrohungen der Kameras durch Drohnen ist die Videoüberwachung nach Überzeugung der Kammer allerdings nicht geeignet, da diese ohne weiteres aus Bereichen gesteuert werden können, die außerhalb des Erfassungswinkels der Kamera liegen.

44

Auf mildere Mittel, also Maßnahmen, die in gleich effektiver Weise dem Schutz der Werbetafeln dienen, dabei aber weniger Rechte Dritter berühren, kann der Kläger nach Auffassung der Kammer nicht verwiesen werden. Der Kläger hat mitgeteilt, dass die Versicherung der streitgegenständlichen Werbeanlage jährlich 10.000,00 € kosten würde, was nach Auffassung der Kammer dem Kläger nicht wirtschaftlich zumutbar ist. Auch der Einsatz von Wachpersonal wäre mit hohen, unzumutbaren Kosten verbunden (vgl. SaarlOVG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O., juris, Rn. 47; OVG Nds, Urteil vom 29. September 2014 a.a.O., juris, Rn. 57). Da sich die Werbetafel unmittelbar an der Straße befindet, würde auch eine Einfriedung des Geländes keinen hinreichenden Schutz versprechen, weil Gegenstände auch von außerhalb des Zaunes auf die Anlage geworfen werden könnten. Auch ein physischer Schutz, zum Beispiel eine Plexiglasscheibe vor der Werbetafel, scheidet aus, da sich die Werbetafel nach den – nachvollziehbaren – Angaben des Klägers während des Betriebs erwärmt und die Hitze abgeleitet werden muss. Darüber hinaus könnten durch Sonnenspiegelungen Autofahrer geblendet oder die Anzeige der Werbung gestört werden.

45

(2) Allerdings überwiegen die schutzwürdigen Interessen der von der Videoüberwachung mit Kamera 1 betroffenen Personen das Interesse des Klägers am Schutz seines Eigentums.

46

Die Interessenabwägung erfolgt situations- und kontextbezogen. Die Intensität des aus der Überwachung resultierenden Grundrechtseingriffs darf nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen. Das Gewicht des Eingriffs wird maßgeblich durch Art und Umfang der erfassten Informationen, durch Anlass und Umstände der Erhebung, den betroffenen Personenkreis, das Vorhandensein von Ausweichmöglichkeiten und die Art und den Umfang der Verwertung der erhobenen Daten bestimmt. Bei der Abwägung sind alle in Frage stehenden (Grund-)Rechtspositionen in Betracht zu nehmen und zu einem möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Dies sind das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht der von den Kameras erfassten Personen auf informationelle Selbstbestimmung und Schutz ihrer personenbezogenen Daten, während sich der Kläger in erster Linie auf sein Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen kann, welches durch Beschädigungen seiner Werbeanlage beeinträchtigt würde und welches er durch die Überwachungsmaßnahme präventiv schützen sowie im Falle einer Sachbeschädigung den Verantwortlichen aufdecken möchte (vgl. SaarlOVG, Urteil vom 14. Dezember 2017 a.a.O., juris, Rn. 48 f.; OVG Nds, Urteil vom 29. September 2014 a.a.O., juris, Rn. 63).

47

Vorliegend ist zwar im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die Kameras statisch aufnehmen und nicht etwa über eine Zoom- oder Schwenkmöglichkeit verfügen. Außerdem werden die Videoaufnahmen nach Angaben des Klägers allein im Schadensfall und nur vom Kläger eingesehen und automatisch nach 48 Stunden gelöscht. Darüber hinaus dienen die von Kamera 1 überwachten Verkehrsflächen nicht einem längeren Verweilen und es erfolgen insbesondere keine Einblicke in höchstpersönliche Bereiche der Intim- oder Privatsphäre.

48

Es überwiegen jedoch die Interessen der von der Überwachung betroffenen Personen. Schließlich ist die gezielte, heimliche Überwachung von Personen, die sich auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen aufhalten, grundsätzlich unzulässig. Es ist die öffentliche Aufgabe der Straßenverkehrsbehörden und der Polizei, einen gesetzeskonformen Straßenverkehr zu gewährleisten und Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu verfolgen (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 31. Mai 2017 – 1 A 170/16 –, juris, Rn. 46 f.; LG München I, Urteil vom 21. Oktober 2011 – 20 O 19879/10 –, juris, Rn. 26). Hier erfolgt die personen- und kennzeichengenaue Überwachung der Verkehrsbereiche durch Kamera 1 regelmäßig und anlasslos und ist für die Betroffenen – im Wesentlichen Autofahrer – im Vorbeifahren nicht ohne weiteres erkennbar. Von der Überwachung sind damit eine Vielzahl von ganz überwiegend unbeteiligten Personen, die das Eigentum des Klägers offensichtlich nicht beeinträchtigen wollen, betroffen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 –, juris, Rn. 26). Insbesondere kann das Piktogramm, das auf die Videoüberwachung hinweist, von Passanten nicht wahrgenommen werden. Heimliche Überwachungsmaßnahmen greifen jedoch besonders schwerwiegend in die Rechte der betroffenen Personen ein (vgl. OVG Nds, Urteil vom 29. September 2014 a.a.O., juris, Rn. 64). Dies ist auch ein wichtiger Unterschied zu Kamera 2 (dazu noch unten), die im Wesentlichen den Parkplatz filmt: Zum einen ist die Videoüberwachung für Betroffene, die sich auf dem Parkplatz aufhalten, eher erkennbar als für vorbeifahrende Autofahrer. Zum anderen sind Personen, die sich außerhalb der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums auf dem Parkplatzgelände aufhalten – und nur in dieser Zeit besteht nach Überzeugung der Kammer überhaupt eine besondere Gefährdungslage, die eine Videoüberwachung erforderlich macht – eher „verdächtig“ eine Straftat zu begehen als Personen, die auf der Bundesstraße oder Zufahrtsstraße fahren und die Werbetafel ganz überwiegend bloß zufällig passieren.

49

e) Die Verwarnung begegnet daher auch auf der Rechtsfolgenseite keinen durchgreifenden Bedenken. Der Beklagte hat die Verwarnung in ermessensfehlerfreier Weise ausgesprochen. Gemäß Art. 58 Abs. 2 DSGVO steht der Aufsichtsbehörde ein Entschließungs- und Auswahlermessen hinsichtlich der Ausübung ihrer aufsichtsrechtlichen Befugnisse zu.

50

Der Beklagte ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass er aufgrund des von ihm festgestellten Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung berechtigt ist, eine Verwarnung auszusprechen. Die Aufsichtsbehörde kann gemäß Art. 58 Abs. 2 DSGVO von einer Abhilfebefugnis Gebrauch machen, wenn sie einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen festgestellt hat oder einen solchen zumindest erwartet. Wenn ein solcher Fall vorliegt, ist der Behörde auf der Rechtsfolgenseite Ermessen eingeräumt. Bei dessen Ausübung hat sie insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten (vgl. VGH BW, Beschluss vom 22. Januar 2020 – VGH 1 S 3001/19 –, BA S. 18 m.w.N.). Bei festgestellten Verstößen ist die Aufsichtsbehörde in der Regel gehalten, dagegen mit dem Ziel der Abstellung des Verstoßes vorzugehen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 22. Januar 2020 a.a.O., BA S. 15 m.w.N.). Hinsichtlich des Entschließungsermessens ist daher von einem intendierten Ermessen auszugehen, wenn die Aufsichtsbehörde – wie hier – einen Rechtsverstoß festgestellt hat (vgl. Mundil, in: BeckOK Datenschutzrecht, 33. Ed. 1. Februar 2020, DSGVO Art. 77, Rn. 15; von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgehend VG Ansbach, Urteil vom 8. August 2019 – AN 14 K 19.00272 –, juris, Rn. 46).

51

Es ist auch kein Fehler bei der Ausübung des Auswahlermessens zu erkennen. Bei der Auswahl der geeigneten Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DSGVO muss die Aufsichtsbehörde den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten und insofern auch die Eingriffsintensität berücksichtigen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 22. Januar 2020 – VGH 1 S 3001/19 – BA S. 18 m.w.N.). Die hier vom Beklagten ausgesprochene Verwarnung ist ein eher „mildes“ Abhilfeinstrument und kann bereits bei einem erstmaligem Datenschutzverstoß angewendet werden (vgl. Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 58, Rn. 18; 20).

52

Die Verwarnung konnte auch neben einer weiteren Anordnung ausgesprochen werden. Der Beklagte hat vorliegend den Kläger nicht nur gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. b DSGVO verwarnt, sondern darüber hinaus gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DSGVO angeordnet, dass der Betrieb von Kamera 1 einzustellen und die Kamera abzubauen ist (Ziffer 2 des Bescheids). Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht etwa von einem gestuften System der – unterschiedlich weitreichenden – Abhilfebefugnisse dahingehend auszugehen, dass nach einer Verwarnung zunächst abgewartet werden müsste, ob sich der Verantwortliche zukünftig datenschutzkonform verhält, um weitere Maßnahmen – zum Beispiel auf Grundlage von Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DSGVO – anzuordnen. Vielmehr stellt die Verwarnung eine Sanktion dar, mit der rechtswidriges Verhalten in der Vergangenheit nachträglich festgestellt wird. Als „kleine Schwester der Geldbuße“ kommt eine Verwarnung in der Regel dann in Betracht, wenn es sich um eine eher einfache Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften handelt und die Schwelle zur Verhängung einer Geldbuße noch nicht überschritten ist (vgl. Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 58, Rn. 20). Entsprechend erläutert Erwägungsgrund 148, dass im Falle eines geringfügigeren Verstoßes oder falls eine zu verhängende Geldbuße eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde, anstelle einer Geldbuße eine Verwarnung erteilt werden kann. Daraus ergibt sich, dass Verwarnung und Geldbuße nur alternativ angeordnet werden dürfen. Die Verwarnung kann daher die Vorstufe zur Geldbuße sein. Da Maßnahmen nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DSGVO, wie die hier angeordnete Einstellung und der Abbau der Kamera, jedoch einen bestehenden rechtswidrigen Zustand für die Zukunft beseitigen sollen und damit der Gefahrenabwehr dienen, können sie auch kumulativ zu einer Verwarnung angeordnet werden.

53

2. Die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 23. November 2018 ist teilweise rechtswidrig (a)). Daher ist auch die Verfügung unter Ziffer 4 des Bescheids rechtswidrig (b)).

54

a) Die unter Ziffer 2 des Bescheids verfügte Einstellung der Datenverarbeitung durch Kamera 1 ist rechtmäßig (aa)). Hingegen ist die Anordnung, Kamera 1 abzubauen, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (bb)).

55

Als Ermächtigungsgrundlage für diese Anordnungen ist Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO heranzuziehen. Soweit der Beklagte im Bescheid Art. 58 Abs. 1 Buchst. f DSGVO als Rechtsgrundlage benannt hat, handelte es sich offensichtlich um einen redaktionellen Fehler, den der Beklagte im Laufe des Verfahrens richtiggestellt hat (siehe bereits oben bezüglich der Rechtsgrundlage für die Verwarnung). Gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO kann die Aufsichtsbehörde eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, verhängen.

56

aa) Da die Videoüberwachung durch Kamera 1 eine rechtswidrige Datenverarbeitung darstellt (dazu bereits oben), konnte der Beklagte auf Grundlage von Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO anordnen, dass die Datenverarbeitung durch Kamera 1 eingestellt wird. Hierdurch wird sichergestellt, dass künftig keine rechtswidrigen Datenverarbeitungen mehr erfolgen. Insofern ist auch kein Ermessensfehler ersichtlich, insbesondere konnte diese Anweisung neben einer Verwarnung angeordnet werden (siehe oben). Es ist auch keine mildere, gleich effektive Maßnahme ersichtlich, da auch eine Neuausrichtung von Kamera 1 an der aktuellen Position kaum möglich ist, ohne weiterhin eine Vielzahl unbeteiligter Autofahrer zu überwachen.

57

bb) Allerdings ist die Anweisung des Beklagten, dass Kamera 1 abgebaut werden muss, rechtswidrig. Insofern fehlt es bereits an einer Ermächtigungsgrundlage. Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO erlaubt der Aufsichtsbehörde, eine Datenverarbeitung vorübergehend oder endgültig zu beschränken oder sogar zu verbieten. Von dieser Rechtsgrundlage ist jedoch die Anordnung der Demontage der Verarbeitungsanlage nicht mitumfasst. Das Verbot der Datenverarbeitung bezieht sich auf eine bestimmte Handlung, nicht aber das Vorhandensein einer – ausgeschalteten – Datenverarbeitungsanlage (vgl. noch zur früheren Rechtslage VG Oldenburg, Urteil vom 12. März 2013 – 1 A 3850/12 –, juris, Rn. 21 f.; Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 58, Rn. 20).

58

Zwar ist es für die Kammer nachvollziehbar, dass der Beklagte ohne einen Abbau von Kamera 1 nur in beschränktem Maße überprüfen kann, ob die Kamera tatsächlich ausgeschaltet ist, und dadurch Schwierigkeiten für eine effektive Rechtsdurchsetzung entstehen können. Insofern ist es jedoch Aufgabe des (deutschen) Gesetzgebers, die Aufsichtsbehörde gemäß Art. 58 Abs. 6 Satz 1 DSGVO durch Rechtsvorschriften mit zusätzlichen Befugnissen auszustatten (vgl. Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 58, Rn. 20).

59

Unabhängig davon werden von einer ausgeschalteten Kamera keine personenbezogenen Daten verarbeitet, sodass der Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung nicht eröffnet ist und auch keine Verstöße gegen Datenschutzrecht beanstandet werden können. Sofern eine vorhandene, aber ausgeschaltete Kamera auf Dritte einen Überwachungsdruck bewirkt, sind sie zur Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 12. März 2013 – 1 A 3850/12 –, juris, Rn. 24 f.).

60

b) Damit ist auch die Verfügung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 23. November 2018, mit der der Kläger den Abbau von Kamera 1 nachweisen soll, rechtswidrig.

61

Ermächtigungsgrundlage für diese Anweisung ist Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DSGVO. Danach verfügt jede Aufsichtsbehörde über sämtliche Untersuchungsbefugnisse, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen, den Auftragsverarbeiter und gegebenenfalls den Vertreter des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters anzuweisen, alle Informationen bereitzustellen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Da die Abbauverfügung (Ziffer 2 des Bescheids) jedoch rechtswidrig ist, ist auch die – dazu akzessorische – Anordnung, einen Nachweis über den Abbau zu erbringen, rechtswidrig.

62

3. Die Anordnung des Beklagten unter Ziffer 3 des Bescheids vom 23. November 2018, wonach der Kläger die Datenverarbeitung durch Kamera 2 auf den Zeitraum außerhalb der Öffnungszeiten der anliegenden Einzelhandelsbetriebe beschränken muss, ist rechtmäßig (a)). Auch hinsichtlich der Verfügung unter Ziffer 5 des Bescheids vom 23. November 2018, womit dem Beklagten die beschränkten Aufnahmezeiten nachgewiesen werden sollen, bestehen nach Auffassung der Kammer keine Bedenken (b)). Kamera 2 erfasst einen Teil des Parkplatzes und der Außenfassade des ...

63

a) Die Anordnung, Kamera 2 nur außerhalb der Öffnungszeiten des anliegenden Einkaufszentrums in Betrieb zu nehmen (Ziffer 3 des Bescheids) ist rechtmäßig.

64

Die Anweisung kann der Abhilfebefugnis nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DSGVO zugeordnet werden. Danach kann die Aufsichtsbehörde den Verantwortlichen anweisen, Verarbeitungsvorgänge auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der Verordnung zu bringen. Diese Befugnis soll als Auffangtatbestand grundsätzlich jeden Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung, d.h. jede unionsrechtswidrige Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 a.a.O., juris, Rn. 42 m.w.N.).

65

Die Videoüberwachung durch Kamera 2 stellt eine rechtswidrige Datenverarbeitung dar, soweit sie Aufnahmen während der Öffnungszeiten der anliegenden Einzelhandelsbetriebe anfertigt. Insofern handelt es sich nicht um eine rechtmäßige Datenverarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO. Während der Öffnungszeiten dieser Geschäfte ist eine Videoüberwachung durch Kamera 2 schon nicht erforderlich. In diesem Zeitraum ist eine besondere Gefährdungslage für die Werbetafel, deren Schutz der Kläger mit der Videoüberwachung bezweckt, nicht anzuerkennen. Insofern gelten die obigen Ausführungen zu Kamera 1 zur Gefährdungslage für die Werbetafeln entsprechend. Während der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums überwiegen zudem die schutzwürdigen Interessen der von der Videoüberwachung mit Kamera 2 betroffenen Personen das Interesse des Klägers am Schutz seines Eigentums. Insofern ist zu beachten, dass eine Vielzahl von ganz überwiegend unbeteiligten Personen, die das Eigentum des Klägers nicht beeinträchtigen wollen, betroffen ist.

66

Soweit außerhalb der Öffnungszeiten eine besondere Gefahrenlage für die Werbetafeln anzuerkennen ist, überwiegen allerdings die Interessen des Klägers am Schutz seines Eigentums, sodass dann eine Kameraüberwachung als rechtmäßig zu erachten ist. Bei Personen, die sich außerhalb der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums auf dem Parkplatzgelände aufhalten, sind berechtigte Interessen, wie beispielsweise das Erledigen von Einkäufen, nicht offensichtlich zu erkennen. Es sind daher keine zwingenden, den Eigentumsschutz des Klägers überwiegenden Gründe erkennbar, sich in dieser Zeit auf dem Gelände des Klägers aufzuhalten. Gleichzeitig kommt jemand, der sich außerhalb der Geschäftszeiten – und damit vor allem in den Nachtstunden – auf dem Parkplatz aufhält, eher in Betracht Straftaten zu begehen, als jemand, der den Parkplatz zu den Öffnungszeiten nutzt.

67

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Beklagte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet, indem er mit der zeitlichen Beschränkung der Kameraüberwachung dem Umstand Rechnung trägt, dass eine besondere Gefährdungslage hier nur außerhalb der Öffnungszeiten der Einzelhandelsbetriebe anzuerkennen ist.

68

b) Die Verfügung unter Ziffer 5 des Bescheids vom 23. November 2018, wonach der Kläger die beschränkten Aufnahmezeiten nachzuweisen hat, ist rechtmäßig.

69

Auf Grundlage von Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DSGVO kann die Aufsichtsbehörde zur effektiven Kontrolle ihrer – rechtmäßigen (siehe oben) – Grundverfügung (Ziffer 3 des Bescheids) verlangen, dass der Kläger die beschränkten Betriebs- und Aufnahmezeiten von Kamera 2 nachweist.

70

4. Die Verfügungen in Bezug auf die Kameras 3 und 4, wonach diese neu auszurichten sind (Ziffer 6 des Bescheids vom 23. November 2018) (a)) und dies dem Beklagten nachzuweisen ist (Ziffer 7 des Bescheids) (b)), sind rechtmäßig. Kamera 3 erfasst im Wesentlichen die Werbetafel und einen kleinen Ausschnitt von der Bundesstraße ..., der Bahntrasse und eines Wohnhauses. Kamera 4 filmt maßgeblich die andere Seite der Werbetafel sowie einen kleinen Ausschnitt des Parkplatzes.

71

a) Die Verfügung unter Ziffer 6, wonach die Kameras 3 und 4 so auszurichten sind, dass die bisher teilweise mitgefilmte Straße, der Parkplatz und das Wohnhaus nicht mehr in den Erfassungswinkel der Videokameras fallen, ist rechtmäßig.

72

Die Anordnung, die Kamera so auszurichten, dass sie die Straße, den Parkplatz und das Wohnhaus nicht mehr erfasst, kann der Abhilfebefugnis nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DSGVO zugeordnet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 a.a.O., juris, Rn. 42).

73

Eine rechtswidrige Datenverarbeitung liegt vor, soweit vom Erfassungswinkel der Kameras 3 und 4 nicht nur die Werbetafel erfasst wird. Soweit nur die Werbetafel gefilmt wird, werden keine personenbezogenen Daten verarbeitet, sodass es sich um eine datenschutzrechtlich unproblematische Datenverarbeitung handelt. Sofern am Rand des Bildausschnitts der beiden Kameras jedoch die Straße, der Parkplatz und das Wohnhaus erfasst werden, können personenbezogene Daten verarbeitet werden. Diese Datenverarbeitung ist nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO gerechtfertigt.

74

Auch insofern fehlt es bereits an der Erforderlichkeit der Videoüberwachung zum Schutz des klägerischen Eigentums an der Werbetafel. Eine besondere Gefährdungslage kann auch hier allenfalls außerhalb der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums angenommen werden. Angesichts des nur sehr kleinen Bildausschnitts, mit dem personenbezogene Daten erfasst werden können, ist darüber hinaus zweifelhaft, inwieweit die Kameraaufnahmen überhaupt geeignet sind, dem vom Kläger beabsichtigten Schutz seiner Werbeanlage zu dienen. Vor allem aber hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, dass er diese Randbereiche gar nicht mit seiner Kameraüberwachung aufzeichnen möchte. Eine Ausrichtung der beiden Kameras allein auf die Werbetafeln sei bisher nur aus technischen Gründen nicht gelungen. Der Kläger bezweckt mit den Kameras 3 und 4 damit also weder die Verarbeitung von personenbezogenen Daten noch den Schutz seiner Werbeanlage. Er hält damit die Videoüberwachung durch die Kameras 3 und 4 selbst nicht für erforderlich, um seine Werbeanlagen zu schützen.

75

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Beklagte sein Auswahlermessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgeübt. In Bezug auf Kamera 3 wäre auch eine zeitliche Beschränkung der Aufnahmezeiten auf die Öffnungszeiten der Einzelhandelsbetriebe – entsprechend der Verfügung unter Ziffer 3 in Bezug auf Kamera 2, die ebenfalls den Parkplatz filmt – nicht als milderes Mittel anzusehen, da es dem Kläger mit Kamera 3 maßgeblich darum geht, die Werbeanlage – zeitlich unbeschränkt – zu erfassen.

76

b) Die Verfügung unter Ziffer 7 des Bescheids vom 23. November 2018, wonach der Kläger die Neuausrichtung von Kamera 3 und Kamera 4 nachzuweisen hat, ist rechtmäßig.

77

Auf Grundlage von Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DSGVO kann die Aufsichtsbehörde zur effektiven Kontrolle ihrer – rechtmäßigen (siehe oben) – Grundverfügung (Ziffer 6 des Bescheids) verlangen, dass der Kläger die Neuausrichtung der beiden Kameras nachweist.

78

5. Die Androhung von Zwangsgeldern für den Fall, dass der Kläger die verschiedenen Verfügungen nicht bis zum 15. Dezember 2018 umsetzt (Ziffer 9 des Bescheids vom 23. November 2018) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

79

In der Zwangsmittelandrohung muss gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG – zur Erfüllung der Verpflichtung eine angemessene Frist bestimmt werden. Da die Grundverwaltungsakte unter den Ziffern 1 bis 7 des Bescheids nicht für sofort vollziehbar erklärt worden sind, entfaltet eine Klage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt auch nicht aus anderen (gesetzlichen) Gründen. In diesem Fall muss die Fristsetzung an den Eintritt der Bestandskraft oder der Vollziehbarkeit der Grundverfügung anknüpfen; es ist hingegen nicht zulässig auf kalendermäßig bestimmte, feste Zeitpunkte abzustellen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. April 2010 – OVG 11 B 9.09 –, juris, Rn. 16 f.).

80

Die hier erfolgte Zwangsmittelandrohung ist rechtswidrig, weil dem Kläger in dem Bescheid vom 23. November 2018 unter Ziffer 8 eine Frist bis zum 15. Dezember 2018 gesetzt wurde, um die verschiedenen angeordnete Maßnahmen umzusetzen. Diese kalendermäßig bestimmte Frist stellt nicht auf den Eintritt der Bestandskraft ab. Im Übrigen war am 15. Dezember 2018 noch nicht einmal die Rechtsmittelfrist abgelaufen. Auch durch die Verlängerung der Frist auf den 4. Januar 2019 durch den Beklagten, wird dieser Fehler nicht geheilt. Denn bei dieser Fristsetzung wurde ebenfalls nicht auf den Eintritt der Bestandskraft abgestellt.

81

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

82

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO –.

 

Beschluss

83

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 25.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

 

Gründe

84

Für die Verwarnung (Ziffer 1 des Bescheids vom 23. November 2018) und die Anordnung der Einstellung sowie des Abbaus (Ziffer 2) in Bezug auf Kamera 1 war jeweils ein Streitwert in Höhe von 5.000,00 € (insgesamt 10.000,00 €) anzusetzen. Dabei ist die Kammer in Bezug auf die Verfügungen unter Ziffer 2 davon ausgegangen, dass für die Einstellung des Kamerabetriebs 3.750,00 € (d.h. ¾ des Streitwerts in Höhe von 5.000,00 € für Ziffer 2) und für den Abbau 1.250,00 € (d.h. ¼ von 5.000,00 €) anzusetzen waren. Für die Kameras 2, 3 und 4 und die damit verbunden weiteren Verfügungen war je Kamera ein Streitwert in Höhe von 5.000,00 € (insgesamt 15.000,00 €) anzusetzen. Die Zwangsmittelandrohung hat sich nicht streitwerterhöhend ausgewirkt (vgl. Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).