Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der
Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die
Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Klägers zur
Kostenerstattung für eine Abwasserleitung, die im öffentlichen Verkehrsraum
verlegt und mit der Entwässerungsleitung seines Grundstücks verbunden wurde.
Der
Kläger und seine Ehefrau sind seit 1988 Eigentümer des Anwesens "Im F. 13",
Plannummer (Pnr.) .../26, im Stadtgebiet der Beklagten.
Der
Mischwasserkanal in der Straße "Im F." stammt aus dem Jahr 1953. Er
endete an der südwestlichen Ecke des Anwesens "Im F. 15" (Grundstück
Pnr. .../62) im früheren Schacht 93560. Ausweislich einer Baugenehmigung für
die Rechtsvorgänger des Klägers vom 10. November 1959 verfügte deren Anwesen
zunächst über eine Dreikammerfaulgrube zur Aufnahme des häuslichen Abwassers.
Nach Aufgabe der Dreikammerfaulgrube wurde in den frühen 1960er Jahren eine
Leitung von ca. 17 m Länge im öffentlichen Verkehrsraum verlegt und an den
damaligen Anschlussschacht 93560 des ursprünglichen Mischwasserkanals
angeschlossen. Die Leitungsverlegung erfolgte parallel zu den
Grundstücksgrenzen. Diese Leitung bestand aus Steinzeug oder Beton und war nach
den Feststellungen der Beklagten an den Verbindungsstellen der einzelnen Teile
entweder textil oder mittels Teermaterial gemufft.
Im Mai
2006 meldete der Kläger eine Absenkung der Straßendecke vor seinem Grundstück.
Im Verlauf der folgenden Reparaturarbeiten stellte man fest, dass
schadensursächlich ein weiteres, in 40 cm Tiefe verlegtes Regenfallrohr – DN 100 – war, das
der Dachentwässerung des klägerischen Grundstücks diente. Repariert wurde nach
einer vorgelegten Rechnung der Firma Faust lediglich eine Teilstrecke von 1 m.
Die hierfür anfallenden Kosten waren Gegenstand der Verfahren beim Amtsgericht
Neustadt/Weinstraße (Az.: 4 C 374/07) und bei dem Landgericht Frankenthal (Az.:
2 S 392/09), in denen die Zahlungsklage der Stadt Neustadt/Weinstraße
abgewiesen wurde.
Im
Jahr 2016 wurde in der gesamten Straße "Im F." im Zuge des Ausbaus
der Fahrbahn und der Sanierung der Ver- und Entsorgungsleitungen ein neuer
Mischwasserkanal aus Polypropylen (PP) mit einem Nennwert DN 250 bis zur
südöstlichen Ecke des Grundstücks des Klägers verlegt. Zudem wurden dort der
neue Schacht 93560 hergestellt sowie der alte Schacht und die 17 m lange
Altleitung entfernt. Zugleich wurde für das Grundstück des Klägers ein ca. 5,2 m
langer Hausanschluss verlegt.
Die
Arbeiten für diesen Hausanschluss wurden von der Firma B. GmbH ausgeführt, die
der Beklagten hierfür einen Betrag von 1.730,91 € in Rechnung stellte.
Mit
Bescheid vom 23. Oktober 2017 zog die Beklagte den Kläger zum Ersatz von
Aufwendungen für eine Grundstücksanschlussleitung gemäß § 13 des
Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2a ihrer Entgeltsatzung
Abwasser (ESA) in Höhe von 1.730,91 € heran. Zur Begründung führte sie im
Wesentlichen aus, dass sie den Grundstücksanschluss für Mischwasser innerhalb
des öffentlichen Verkehrsraums erneuert habe. Die hierfür angefallenen
Aufwendungen seien in tatsächlicher Höhe zu erstatten.
Hiergegen
hat der Kläger am 20. November 2017 Widerspruch erhoben und diesen im
Wesentlichen damit begründet, dass den Anwohnern bei einer
Informationsveranstaltung zugesichert worden sei, dass lediglich Kosten für die
Verlegung von Leitungen auf dem eigenen Grundstück anfallen würden, nicht
jedoch Kosten, die im Bereich der öffentlichen Verkehrsfläche entstünden. Da
sein Haus grenzständig sei, habe er gemäß der Zusicherung keine Kosten für
Anschlussleitungen zu übernehmen. Unabhängig davon sei die Anschlussleitung
nicht erneuerungsbedürftig gewesen. Bei seiner Nachbarin sei daher von einer
Kostenforderung abgesehen worden. Außerdem bestünden Bedenken gegen die
zugrundeliegende Rechnung der Firma B. GmbH. Ein Betrag von 165,00 € für die
Position "Verkehrsflächen absperren, aufstellen, räumen" sei von
jedem Betroffenen erhoben worden, weshalb davon auszugehen sei, dass hier eine
mehrfache Abrechnung erfolgt sei. Auffällig sei zudem, dass offensichtlich
weniger Boden ausgeschachtet als verfüllt und verdichtet worden sei.
Hinzukomme, dass in den Schacht noch Leitungen verlegt worden seien und
aufgrund deren Verlegung in der Ausschachtung weniger Boden hätte verfüllt und
verdichtet werden müssen als ausgeschachtet worden sei.
Die Beklagte
half dem Widerspruch nicht ab und erwiderte: Die Aussage in der
Informationsveranstaltung sei so nicht getroffen worden, da der
Grundstücksanschluss die Verbindung vom öffentlichen Kanal und der
Grundstücksgrenze zum öffentlichen Verkehrsraum sei und die Beklagte
grundsätzlich nicht auf privaten Grundstücken tätig werde. Die Firma B. sei im
Ausschreibungsverfahren der günstigste Anbieter gewesen, man könne
Einzelpositionen nicht isoliert betrachten. Auf Kosten der Beklagten sei der
Sammelkanal um 17 m verlängert worden. Der neue Anschluss des Klägers habe eine
Länge von nur 5,20 m, der alte habe eine Länge von 17 m gehabt. Durch die
Verkürzung der Anschlussleitung habe der Kläger die Aufwendungen von 12 m
Anschluss erspart. Zudem habe er nur den Aushub für 1 m³ zu zahlen, weil dessen
Hausanschluss den Kanalgraben mit nutze. Hätte die Firma alles in Rechnung
gestellt, dann wären Kosten für eine Leitung von 17 m und für Bodenaushub von
25 m³ erhoben worden. Auch sei dem Kläger der Rückbau, der normalerweise vom
Eigentümer zu leisten sei, nur teilweise in Rechnung gestellt worden. Der Kanal
sei weit über 40 Jahre alt und erneuerungsbedürftig gewesen. Die Verbindung der
alten Steinzeugrohre an den neuen Kanal sei aus Altersgründen und aus
technischer Sicht nicht vertretbar gewesen. Der angesprochene Fall in der
Nachbarschaft sei nicht vergleichbar, dort sei der Grundstücksanschluss noch
recht neu gewesen.
Mit
Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2019 wies der Stadtrechtsausschuss der
Beklagten den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Gemäß § 13 Abs.
1 Satz 1 KAG i.V.m. mit § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA seien der Beklagten die
Aufwendungen für die erstmalige Herstellung und die Erneuerung der
Grundstücksanschlüsse und Grundstücksentwässerungseinrichtungen innerhalb des
öffentlichen Verkehrsraums in der tatsächlichen Höhe zu erstatten. Nicht nur
die erstmalige Herstellung, sondern auch die Erneuerung eines
Grundstücksanschlusses sei erstattungspflichtig, da die Anschlusspflicht nach §
6 Abs. 1 der Allgemeinen Entwässerungssatzung (AES) die Grundstückseigentümer
nicht nur verpflichte, sich an die Anlage anzuschließen, sondern auch, an die
Anlage angeschlossen zu bleiben. Dieser Verpflichtung, den Anschluss dauerhaft
aufrechtzuerhalten, könnten die Grundstückseigentümer nur nachkommen, wenn der
Anschluss durch notwendige Maßnahmen der Erneuerung funktionsbereit bleibe
(vgl. § 17 Abs. 4 AES). Die Beklagte habe die durchgeführten Arbeiten zutreffend
als Erneuerung des Grundstücksanschlusses im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA
eingeordnet. Dessen Nutzungsdauer sei mit weit mehr als 40 Jahren
überschritten. Die ursprünglich vorhandenen Steinzeugrohre entsprächen nicht
mehr dem Stand der Technik. Demnach sei die Beklagte dem Grunde nach
berechtigt, die ihr entstandenen Kosten für die Erneuerung des
Grundstücksanschlusses innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums im Wege der
Kostenerstattung gegenüber dem Kläger geltend zu machen. Hinsichtlich der Höhe
der erstattungsfähigen Aufwendungen seien keine Fehler ersichtlich. Das
Argument, dass die Position "Verkehrsflächen absperren aufstellen,
räumen" mehrfach abgerechnet worden sei, sei nicht schlüssig dargelegt.
Baustellen seien zwingend und generell abzusichern. Resultierend aus der
Verkehrssicherungspflicht müssten geeignete Maßnahmen zur Gefahrenverhütung
getroffen werden. Dies beinhalte, dass die Gefahrenstellen entsprechend
abgesichert würden, insbesondere die offenen Gräben, damit niemand hineinfalle.
Hierzu gehöre auch das sichere Überqueren derselben. Dementsprechend müssten
die offen gelegten Hausanschlüsse jeweils gesichert werden, so dass diese
Kosten bei jedem Kostenpflichtigen angefallen seien. Die Behauptung, dass mehr
Boden verfüllt, als ausgeschachtet worden sei, könne nicht nachvollzogen
werden. Ausweislich der Massenberechnung habe die Firma B. 1 m³ ausgeschachtet
und wieder verfüllt. Da bereits vor Beginn dieser Arbeiten der Straßenunterbau
anderweitig beseitigt worden sei, bestünden keine Bedenken gegen die
errechneten Mengen.
Nach
Zustellung des Widerspruchsbescheids am 5. Dezember 2019 hat der Kläger am 6.
Januar 2020, einem Montag, die vorliegende Klage erhoben.
Der
Kläger trägt ergänzend vor: Die Straße "Im F." sei in der
Vergangenheit mit schweren Fahrzeugen befahren worden, obwohl sie hierfür nicht
ausgelegt gewesen sei. Infolge der hierdurch verursachten Absenkung des
Straßenniveaus sei auch der Kanalanschluss des Klägers schon einmal erneuert
worden. Da der erneuerte Hausanschluss funktionsfähig und lediglich 10 Jahre
alt gewesen sei, habe kein Erneuerungsbedarf bestanden. Die Leitung, die
Gegenstand des benannten Zivilprozesses gewesen sei, sei von der Beklagten
vollständig erneuert worden. Die Erwägungen der Zivilgerichte seien auf den
vorliegenden Fall übertragbar. Dass die Beklagte sich im Zuge der Erneuerung
der Straße auch zur Erneuerung der dort verlegten Leitungen entschlossen habe,
sei deren Entscheidung gewesen. Die von der Beklagten genannten Gründe für die
Verlegung der bisherigen Kanalleitung fielen nicht in seine – des
Klägers –
Verantwortungssphäre. Auch die Verlegung des bisherigen Hausanschlusses sei
nicht von ihm veranlasst worden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die
ursprüngliche Leitung in seinem Eigentum stehen solle. Auch das LG Frankenthal
habe ausgeführt, dass die rechtlichen und tatsächlichen
Einwirkungsmöglichkeiten auf diese Leitung allein bei der Beklagten gelegen
hätten. Er bestreite, dass der frühere Anschluss als Privatkanal/verlängerter
Hausanschluss verlegt worden sei. Dieser sei vielmehr ordnungsgemäß abgenommen
und genehmigt worden und Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage
gewesen. Ansonsten hätte der Bau nicht genehmigt und kein Abwasser in den Kanal
eingeleitet werden dürfen. Die von der Beklagten vorgelegte Baugenehmigung
betreffe nicht sein Grundstück. Eine Kostentragungspflicht zu seinen Lasten
bestehe mit Blick auf § 16 Abs. 6 AES nicht.
Der
Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2017 und den
hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2019 aufzuheben.
Die
Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie
erwidert ergänzend: Der Mischwasserkanal in der Straße "Im F." habe
an der südwestlichen Ecke des Anwesens "Im F. 15" (Grundstück Flur-Nr.
.../62) geendet, weil die Grundstücke Im F. ... und 15 damals noch über eine
Dreikammerfaulgrube verfügt hätten. Diese sei auch Gegenstand der damaligen
Baugenehmigung für das Doppelhaus gewesen. Die Baugenehmigung habe auch das
Grundstück des Klägers betroffen. Denn als Bauherren seien zwar Josef Lehnert
und Michael Gitzing angeführt, die nicht namensgleich mit dem Verkäufer seien,
der das Grundstück an den Kläger veräußert habe. Allerdings sei die damalige
Verkäuferin eine geborene Lehnert. Die Bebauung mit einem Doppelhaus sei damals
also "in der Familie" erfolgt. Nach Aufgabe der Dreikammerfaulgrube
sei der Hausanschluss an den damaligen Anschlussschacht 93560 des
ursprünglichen Mischwasserkanals parallel zu den Grundstücksgrenzen im öffentlichen
Verkehrsraum, damals als "Privatkanal" (verlängerter Hausanschluss)
verlegt worden. Der verlängerte Hausanschluss aus Steinzeug oder Beton sei an
den Verbindungsstellen der einzelnen Teile entweder textil oder mittels
Teermaterials gemufft gewesen. Diese Leitung sei zu keinem Zeitpunkt von der
Beklagten abgenommen worden und habe sich auch nicht im Anlagen- bzw.
Vermögensverzeichnis befunden. Im Mai 2006 sei vom Kläger eine Absenkung der
Straßendecke vor seinem Grundstück gemeldet worden. Die Reparaturarbeiten im
Jahr 2006 hätten ergeben, dass schadensursächlich für eine Straßenabsenkung ein
privat, also nicht von der Beklagten bzw. dem ESN in nur 40 cm Tiefe, demgemäß
unsachgemäß verlegtes Regenfallrohr – DN 100 – gewesen sei, das vom Grundstück des
Klägers in die Straßenhauptleitung geführt und der Dachentwässerung gedient
habe. Repariert worden sei lediglich eine Teilstrecke von 1 m. Im Jahr 2006 sei
also lediglich eine Maßnahme an dem ungenehmigten und unsachgemäß verlegten
Regenwasseranschluss erfolgt. Der "Privatkanal" (verlängerter
Hausanschluss) sei 2006 (oder danach bis 2016) weder erneuert noch repariert
worden. Genauso wenig habe bis 2016 eine bauliche Maßnahme am Mischwasserkanal
im öffentlichen Verkehrsbereich stattgefunden. Die Reparatur im Jahr 2006 habe
keinen ordnungsgemäßen Hausanschluss hergestellt, da ausweislich der Rechnung
der Firma Faust im Bereich der Zusammenführung der einzelnen Rohre aus dem
Anwesen der Kläger lediglich ein Rohr mit der Nennweite von DN 100 eingebaut
worden sei. Die Satzung schreibe allerdings eine Nennweite von DN 150 vor.
Wegen der Länge des Hausanschlusses wäre eigentlich sogar eine Nennweite von DN
200 erforderlich gewesen. In 2016 sei in der gesamten Straße "Im F."
ein neuer Mischwasserkanal bis zur südöstlichen Ecke des Grundstücks des
Klägers und abweichend vom Verlauf des früheren Kanals verlegt worden. Der neue
Kanal ende mit dem neuen Schacht 93560. Der alte Hausanschluss habe schon wegen
Materialunverträglichkeit nicht unmittelbar mit dem neuen Mischwasserkanal aus
Polypropylen (PP) verbunden werden können. Die Herstellung lediglich eines
Teils des alten Hausanschlusses in PP und dessen Verbindung mit dem alten
Hausanschluss aus Steinzeug oder Beton wäre, wenn überhaupt technisch zulässig,
mindestens genauso kostenaufwändig gewesen wie der neue Hausanschluss zum neuen
Mischwasserkanal. Der Verlauf des neuen Mischwasserkanals aus PP – mittig in
der Straße –
entspreche dem Stand der Technik. Die neue Linienführung sei gewählt worden, um
die generelle Versorgung mit Wasser, Strom etc. der Anlieger
aufrechtzuerhalten. Der Kanal sei aufgrund neuer Richtlinien insbesondere in
Bezug auf den Verlauf von Gas und Wasser notwendig gewesen.
Die
vom Kläger angeführte Eigentümerin des Grundstücks "Im F. 11a" habe
einen Anschluss gehabt, der aufgrund seines im Vergleich zu dem des Klägers
deutlich geringeren Alters (ca. 30 Jahre) habe repariert werden können. Es habe
sich bereits um einen Anschluss aus PP gehandelt, der mit dem neuen
Mischwasserkanal aus PP technisch kompatibel gewesen sei. Insbesondere wegen
dessen Alters sei die Grundstückseigentümerin nicht zu einem Aufwendungsersatz
herangezogen worden. Daher sei die Beklagte in Bezug auf das Grundstück Im F.
11a nicht von einer Erneuerung ausgegangen.
Der Anspruch
auf Aufwendungsersatz für die Erneuerung des Hausanschlusses sei damit nach §
19 Abs. 1 Nr. 2a ESA berechtigt. Es handle sich bei dem Hausanschluss um eine
Grundstücksanschlussleitung im öffentlichen Verkehrsraum. Eine Erneuerung sei
nach KVR-Leitlinie (Leitlinien zur Durchführung dynamischer
Kostenvergleichsrechnungen) 50 - 80 (100)a der LAWA das vollständige
(Wieder-)Herstellen einer Leitung, wohingegen es bei einer Reparatur nach KVR 2
- 15a um eine Maßnahme gehe, bei der der überwiegende Teil eines
Kanalabschnitts oder eines Hausanschlusses unverändert bleibe. Zur Definition
der Erneuerung verweise sie auf DIN EN 752 und das DWA-Merkblatt 143-1.
Erstattungspflichtig sei der Kläger als Grundstückseigentümer (§ 19 Abs. 3
ESA). Der neue Hausanschluss sei Bestandteil der öffentlichen Einrichtung
Abwasserbeseitigung der Beklagten; er liege im öffentlichen Verkehrsraum. Die
Straße "Im F." sei auch vor den Grundstücken "Im F. 15 und
13" neu hergestellt worden. Wäre es im Verlauf des alten Hausanschlusses aus
den 1960er Jahren zu einem Schaden gekommen, hätte die gerade neu hergestellte
Straße geöffnet werden müssen. Dieses Risiko habe die Beklagte vermeiden
wollen. Unabhängig davon seien aufgrund der Abnutzung in absehbarer Zeit
verschleißbedingte Störungen zu erwarten gewesen, die die unschädliche
Abwasserbeseitigung gefährdet hätten. Der Kläger nehme nicht zur Kenntnis, dass
2006 lediglich 1 m der weiteren Anschlussleitung zur Ableitung des Regenwassers
repariert worden sei. Der verlängerte Hausanschluss sei hiervon nicht betroffen
gewesen. Der Träger der Abwasserbeseitigung dürfe nach seinem Ermessen eine
Erneuerung vornehmen, wenn die Anlage verschlissen und/oder zumindest die
übliche Nutzungszeit abgelaufen sei. Maßgeblich sei nach der Rechtsprechung allein,
ob sich diese Entscheidung noch im Rahmen des Vertretbaren bewege. Dabei komme
es nicht darauf an, ob ein Hausanschluss z.B. bereits ge-/zerbrochen sei und
Abwasser einschließlich Niederschlagswasser in das Erdreich austrete. Das
Urteil des AG Neustadt a.d.W. vom 28. Oktober 2009 entfalte keine
Bindungswirkung l für das anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren. § 16
Abs. 6 AES, der Änderungen und Unterhaltungsarbeiten betreffe, sei nicht
heranzuziehen, denn § 16 Abs. 10 Satz 2 AES verweise auf die hier einschlägige
Anspruchsgrundlage des § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA. Der Anspruch auf
Aufwendungsersatz für die Erneuerung des Hausanschlusses mit einer Nennweite
von DN 150 sei auch der Höhe nach berechtigt.
Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichts-, Widerspruchs- und Verwaltungsakte verwiesen. Dieser war Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die
zulässige Anfechtungsklage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2017
und der Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2019 sind rechtmäßig und verletzen
den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dabei
geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte zu Recht einen Erstattungsanspruch
wegen der Erneuerung eines zuvor bestehenden Grundstücksanschlusses im
öffentlichen Verkehrsraum geltend macht (A). Selbst wenn man aber (hilfsweise)
unterstellt, dass die von den Voreigentümern verlegte 17 m lange Leitung
lediglich ein Provisorium war, ändert sich an der Erstattungspflicht des
Klägers nichts, denn es liegt dann ein Fall der erstmaligen Herstellung einer
Grundstücksleitung vor, die gleichfalls einen Erstattungsanspruch in der hier
geltend gemachten Höhe auslöst (B).
(A)
Der
angefochtene Bescheid, mit dem die Beklagte den Ersatz von Aufwendungen für die
Erneuerung der Abwasserhausanschlussleitung des Anwesens des Klägers verlangt,
findet seine Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 16 Abs. 10 Satz
2 AES i.V.m. §§ 1 Abs. 5a und 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA.
Gemäß
§ 13 Abs. 1 Satz 1 KAG können die kommunalen Gebietskörperschaften bestimmen,
dass ihnen die Aufwendungen für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen, die
Herstellung zusätzlicher Grundstücksanschlüsse und die Erneuerung von
Grundstücksanschlüssen an leitungsgebundene Anlagen sowie Aufwendungen für
Änderungs- und Unterhaltungsmaßnahmen, die von den Erstattungspflichtigen
verursacht wurden, in der tatsächlich entstandenen Höhe, als Pauschalbetrag
oder als Pauschalsatz je laufendem Meter erstattet werden. Von dieser
gesetzlichen Ermächtigung hat die Beklagte in § 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA dergestalt
Gebrauch gemacht, dass ihr die Aufwendungen nicht nur für die Herstellung,
sondern auch für die Erneuerung aller für ein Grundstück vorhandenen
Grundstücksanschlüsse innerhalb des öffentlichen Verkehrsraum in der
tatsächlichen Höhe zu erstatten sind. Erstattungspflichtig ist dabei gemäß § 13
Abs. 2 Satz 1 KAG i.V.m. § 19 Abs. 3 ESA, wer bei Fertigstellung der Maßnahme
Eigentümer oder dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks ist.
Dementsprechend
konnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 vom Kläger
Aufwendungsersatz in der festgesetzten Höhe verlangen, denn er ist gemäß § 19
Abs. 3 AES als (Mit-)Eigentümer des Grundstücks "Im F. ..." der
Beklagten in tatsächlicher Höhe erstattungspflichtig, weil es sich bei der
Maßnahme um die Erneuerung eines Grundstücksanschlusses im öffentlichen
Verkehrsraum im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2a Satz 1 ESA handelt.
1) Die
von der Firma B. im Auftrag der Beklagten verlegte 5,2 m lange Leitung ist eine
Grundstücksanschlussleitung, denn sie verläuft von der nunmehr bis in den
Bereich des klägerischen Grundstücks verlegten Straßenleitung bis zur
Grundstücksgrenze (vgl. § 2 Abs. 2a, Abs. 4 AES).
2) Die
neu verlegte Grundstücksanschlussleitung diente der Erneuerung der zuvor
verlegten 17 m langen, mit Betonrohren oder Steinzeug ausgeführten überlangen
Hausanschlussleitung (vgl. §§ 4 Abs. 1; 16 Abs. 10 Satz 1 AES). Diese verband
seit den frühen 1960er Jahren – nach Aufgabe einer Dreikammerfaulgrube auf
dem Grundstück des Klägers – das Anwesen "Im F. 15" mit dem nächstgelegenen
Abwasserstutzen 93560 am südwestlichen Bereich des Nachbargrundstücks "Im
F. 15", an dem auch die damals vorhandene Abwassersammelleitung endete.
Zwar haben die Beteiligten keine gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AES nach heutiger
Satzungslage erforderliche Genehmigung für einen solchen überlangen
Hausanschluss vorgelegt. Ebenso fehlt eine Kostenübernahmeerklärung der
Voreigentümer des klägerischen Grundstücks. Dies steht aber in Anbetracht des
seit der Leitungsverlegung verstrichenen Zeitraums sowie des
Eigentümerwechsels, bei dem möglicherweise auch ältere Unterlagen nicht
übergegangen sind, der lebensnahen Annahme nicht entgegen, dass mangels einer
an das Grundstück des Klägers herangeführten Abwassersammelleitung den
Voreigentümern durch die Verlegung eines überlangen Hausanschlusses die
Möglichkeit eröffnet wurde, ihr Abwasser statt wie zuvor über eine Dreikammerfaulgrube,
nun mittels Hausanschlussleitung an den alten Abwasserstutzen 93560
anzuschließen. Die Tatsache, dass der Eigentümer des Anwesens "Im F. ..."
entsprechend dieser Rechtslage die Kosten der ersten Herstellung des
Grundstücksanschlusses möglicherweise selbst getragen hat, lässt die
grundsätzliche Erstattungspflicht im Falle der Erneuerung des Anschlusses
unberührt. Dies gilt auch für den Umstand, dass für dieses Anwesen
möglicherweise in den vergangenen Jahrzehnten Abwassergebühren und wiederkehrende
Abwasserbeiträge bezahlt wurden, denn die Beklagte hat von der Möglichkeit des
§ 13 Abs. 1 Satz 2 KAG, wonach die Kosten für die Herstellung und Erneuerung
von Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Verkehrsraum in die Gebühren und
Beiträge einbezogen werden können, in den §§ 1 Abs. 5a, 9 Abs. 1 und 19 ESA
gerade keinen Gebrauch gemacht.
3) Der
hiergegen gerichtete Einwand des Klägers, dass nach seiner Einschätzung die in
den frühen 1960er Jahren verlegte Leitung als regulärer Abwasserkanal – und nicht
als Hausanschlussleitung – verlegt worden sei, greift nicht durch. Denn nach den
unbestrittenen Darlegungen der Beklagten und den vorgelegten Plänen existierte
bis 2016 keine Abwassersammelleitung im Bereich des klägerischen Grundstücks,
auch nicht in Gestalt der 17 m langen Beton- oder Steinzeugleitung. Dies ergibt
sich zunächst aus dem Bauantrag aus dem Jahr 1959, wo als Entwässerungsart für
das Grundstück des Klägers eine Dreikammerfaulgrube angeführt ist. Diese
vermittelte dem Grundstück zunächst eine ordnungsgemäße Entwässerung. Die
Beklagte hat mit Hinweis auf die verwandtschaftlichen Verhältnisse zum
damaligen Zeitpunkt schlüssig dargelegt, dass diese Baugenehmigung auch das
Anwesen "Im F. ..." betraf. Weiter belegt der zur Verwaltungsakte
genommene Bestandsplan, dass bis 2016 eine öffentliche Abwassersammelleitung in
Gestalt einer Steinzeugleitung nur bis zu dem alten Abwasserstutzen 93560 am
südwestlichen Ende des Grundstücks "Im F. 15" bestand. Projektiert
war hingegen zu diesem Zeitpunkt die Verlegung einer Abwassersammelleitung aus
Polypropylen –
ausgeführt als Mischwasserkanal – bis zum südöstlichen Ende des klägerischen
Anwesens sowie die Herstellung eines neuen Abwasserstutzens an dieser Stelle,
ebenfalls mit der Stutzennummer 93560. Auch ein Bestandsplan vom November 2015
weist als Kanalbestand lediglich eine aus Steinzeug gefertigte Leitung bis zu
dem alten Abwasserstutzen 93560, nicht jedoch im Bereich des klägerischen
Grundstücks aus. Ergänzend hat die Beklagte darauf verwiesen, dass östlich des
alten Stutzens 93560 weder nach ihrem Entwässerungsplan, noch nach ihrem
Vermögens- oder Anlageverzeichnis eine Leitung erfasst war. Dieser Umstand
korrespondiert mit der Annahme, dass damals nur ein überlanger Hausanschluss,
aber keine Abwassersammelleitung verlegt wurde. Denn das Fehlen dieser Leitung
in den soeben erwähnten Unterlagen erscheint konsequent, weil nach der
Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. September 2006 – 6 A
10506/06.OVG –
und Urteil vom 31. Oktober 1996 – 12 A 13386/95.OVG –) Grundstücksanschlüsse an
leitungsgebundene Anlagen im öffentlichen Verkehrsraum – jedenfalls im Bereich der
Abwasserbeseitigung – nicht Bestandteil der Entwässerungseinrichtung sind, wenngleich
diese dennoch dem öffentlich-rechtlichen Kostenregime unterfallen.
4)
Weiter liegen hier auch die Voraussetzungen einer Erneuerungsmaßnahme vor.
a)
Unter den Begriff der Erneuerung fällt jede Wiederherstellung eines nach
bestimmungsgemäßer Nutzung abgenutzten Anschlusses durch die Ersetzung der
ganzen Leitung oder eines nicht unerheblichen Teils der Leitung. Die Beklagte
hat die zuvor 17 m überlange Hausanschlussleitung entfernt und stattdessen eine
5,2 m lange Hausanschlussleitung verlegt. Die damit verbundenen Arbeiten
gestalteten nicht lediglich die alte Leitung im Sinne einer nicht
erstattungsfähigen Änderung um (vgl. hierzu: OVG RP, Urteil vom 29. Juni 2017 – 6 A
11639/16.OVG –).
Diese Maßnahme geht vielmehr quantitativ und qualitativ erheblich über die
Reparatur oder Unterhaltung einer vorhandenen Leitung hinaus. Denn die neue
Hausanschlussleitung unterscheidet sich von der bisherigen Leitung sowohl was
die Länge und den Verlauf, als auch das Leitungsmaterial und die
Dimensionierung (DN 150 statt bisher DN 100) betrifft. Die neue Leitung tritt
somit funktional vollständig an die Stelle der in den 1960er Jahren verlegten
Altleitung.
b) Im
Jahr 2016 bestand auch Erneuerungsbedarf.
aa)
Gemäß § 6 Abs. 1 AES ist jeder Anschlussberechtigte verpflichtet, sein
Grundstück an die Abwasseranlage anzuschließen, wenn für das Grundstück eine
betriebsfertige öffentliche Abwasseranlage hergestellt wurde und vorgehalten
wird. Die Befolgung dieses Anschluss- und Benutzungszwangs setzt das
Vorhandensein funktionstüchtiger Grundstücksanschlüsse voraus (vgl. § 16 AES).
Bei der Entscheidung, ob und wann Kanalanschlussleitungen infolge Verschleißes
einer Erneuerung bedürfen, hat die Gemeinde einen Einschätzungsspielraum. Als
Folge ihrer kraft Gesetzes vorgegebenen Pflicht zur unschädlichen Beseitigung
der im Gemeindegebiet anfallenden Abwässer (vgl. § 18a WHG) muss die Gemeinde
die Abwasseranlage und die Grundstücksanschlussleitungen in einem technisch
einwandfreien Zustand halten, um eine Störung der Ortsentwässerung möglichst zu
vermeiden. Diese gesetzgeberische Zielsetzung gebietet es daher, dass eine
Gemeinde Grundstücksanschlussleitungen nicht erst bei Eintreten eines Schadens
erneuert, sondern bereits dann, wenn deren Zustand in absehbarer Zeit nach den
Regeln der Entsorgungstechnik – etwa verschleißbedingte – Störungen
erwarten lässt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. Februar 1990 – 22 A
2053/88 –).
Voraussetzung für eine Verschlissenheit ist also nicht, dass der Kanal auf
Grund der Abnutzung nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Vielmehr
genügt, dass in absehbarer Zeit verschleißbedingte Störungen zu erwarten sind,
die die unschädliche Abwasserbeseitigung gefährden (vgl. VG Gelsenkirchen,
Beschluss vom 17. März 2014 – 13 L 235/14 –). Erweisen sich also Anschlussleitungen für die unschädliche
Abwasserbeseitigung als untauglich, z.B. weil sie schadhaft geworden sind oder
(z.B. aus Altersgründen) in absehbarer Zeit untauglich zu werden drohen, und
werden sie deshalb von der Gemeinde erneuert, so nimmt die Kommune Handlungen
vor, die der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anschlusspflicht an die gemeindliche
Abwasseranlage dienen, und damit zum Pflichtenkreis des Grundstückseigentümers
gehören und die ihn von der diesbezüglichen Last befreien. Dabei hat die
Gemeinde bei der Frage, ob eine Grundstücksanschlussleitung
erneuerungsbedürftig ist, einen Einschätzungsspielraum (zusammenfassend: VG NW,
Urteil vom 9. Februar 2017 – 4 K 883/16.NW –; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2009 – 5 K
4176/08 –).
Damit ist die Verantwortung für die Feststellung der Erneuerungsbedürftigkeit
nach der von § 13 KAG gedeckten Normstruktur der §§ 16 AES, 19 ESA der Gemeinde
übertragen, wobei die Ermächtigungsnorm im Hinblick auf die erforderliche
Prognoseentscheidung der Gemeinde eine Bandbreite von zulässigen
Entscheidungsalternativen eröffnet. Die Prüfung der Gerichte beschränkt sich
deshalb auf die Rechtmäßigkeit der aufgrund willkürfreier Ermittlungen
vorgenommenen Bewertung durch die Gemeinde. Es ist dagegen nicht Aufgabe der
Judikative, die der Exekutive zugewiesene Wertung durch eine eigene Prognose zu
ersetzen. Die Rechtmäßigkeitsprüfung erfolgt dabei aus der Sicht ex ante. Es
können also nur solche Umstände, Daten, Erfahrungssätze und
Entwicklungstendenzen verwandt werden, die zum maßgeblichen Zeitpunkt (hier:
der Entscheidung, die Altleitung zu ersetzen) vorlagen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass es sich bei den in den einschlägigen Richtlinien
enthaltenen Angaben lediglich um Anhaltspunkte handelt, die keine starren
Vorgaben oder gar Bindungen für den Einzelfall enthalten (vgl. zu den
vorstehenden Ausführungen OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Februar 1990,
a.a.O.). Dass eine Erneuerung i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG im Allgemeinen erst
nach Ablauf der Nutzungsdauer eines Grundstücksanschlusses in Betracht kommt,
folgt nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Begriffe "Erneuerung"
einerseits und "Änderung" andererseits. Dies ergibt sich aber aus dem
vom Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG verfolgten Zweck
unter Berücksichtigung der normativen Risikoverteilung (OVG RP, Urteil vom 29.
Juni 2017, a.a.O.).
bb)
Daran gemessen ist die Entscheidung der Beklagten, die
Grundstücksanschlussleitung des Anwesens "Im F. 15" im Zuge der Straßenausbau-
und Kanalarbeiten im Jahr 2016 zu erneuern, rechtlich nicht zu beanstanden.
Die in
den frühen 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts verlegte Hausanschlussleitung
war im Zeitpunkt ihrer Erneuerung über 50 Jahre alt. Damit war ihre reguläre
Nutzungsdauer abgelaufen. Die für die Erneuerung anzusetzende
betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich
beurteilt. So beträgt die übliche Nutzungsdauer nach VG Düsseldorf (Urteil vom
20. März 2009, a.a.O.) nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik bei
Leitungen aus Steinzeug mit vorgefertigter Dichtung 120 Jahre, Steinzeugrohren
ohne vorgefertigte Dichtung 80 Jahre, Gussrohren 50 Jahre, Betonrohren 40
Jahre, Kunststoff (Kanalgrundleitungsrohre) 50 Jahre und bei PE-HD
Druckrohrleitungen 50 Jahre. Es sei, so dieses Gericht weiter, bei dieser
Sachlage mithin sachgerecht, dass die Satzung einen Erneuerungsbedarf für
Anschlussleitungen entsprechender Qualität nach 80 bzw. 50 Jahren vorsieht, um
der Gefahr verschleißbedingt schädlicher Abwasserbeseitigung vorzubeugen. Nach
OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 6. Juni 1997 – 9 A 5899/95 –) beträgt die übliche Nutzungsdauer
bei Kanalleitungen 80 und bei sonstigen Bauwerken 50 Jahre. Das VG
Gelsenkirchen (Urteil vom 13. Januar 2011 – 13 K 774/09 –) geht hingegen davon aus, dass die
technische Lebensdauer von Abwasserkanälen für Haltungen aus Betonrohren,
unterschieden nach ihrer jeweiligen Funktion, für Schmutzwasserkanäle auf 30-50
Jahre beträgt; Voraussetzung für eine Verschlissenheit ist nach dieser
Entscheidung, dass der Kanal auf Grund der Abnutzung nicht mehr
bestimmungsgemäß genutzt werden kann oder in absehbarer Zeit verschleißbedingte
Störungen zu erwarten sind, die die unschädliche Abwasserbeseitigung gefährden.
Das VG Gelsenkirchen führt dazu weiter aus, dass zur Ermittlung der
betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer auf die der Vermögensbewertung dienenden
Wertermittlungsrichtlinien des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen zurückzugreifen sei. Das selbe Gericht hat später (Urteil vom 10.
November 2016 –
13 K 3414/14 –)
nochmals entschieden, dass die technische Lebensdauer von Abwasserkanälen für
Haltungen aus Betonrohren, unterschieden nach ihrer jeweiligen Funktion, für
Schmutzwasserkanäle auf 30-50 Jahre und für Regenwasserkanäle auf 40-60 Jahre
festgesetzt wird. Das OVG Rheinland-Pfalz ging jedenfalls bei einem
Mischwasserkanal nach 44 Jahren vom Ablauf der üblichen Nutzungsdauer aus (OVG
RP, Beschluss vom 29. Juni 2007 – 6 B 10418/07.OVG –). Das OVG Rheinland-Pfalz tendiert
in einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 29. Juni 2017 – 6 A
11639/16.OVG –)
bei Hausanschlüssen zur Auffassung, dass bei einer technischen Abnutzung der
Anschlussnehmer die Erneuerungskosten ebenso tragen soll, wie im Fall der
erstmaligen Herstellung, und zwar unabhängig davon, ob bereits 40 Jahre seit
der Installation des Grundstücksanschlusses verstrichen sind. Bei der
anzusetzenden Nutzungsdauer geht das OVG Rheinland-Pfalz danach offenbar von 40
Jahren aus. Dieser Auffassung folgt die erkennende Kammer auch mit Blick auf
die zur Bekräftigung herangezogene Regelung in § 37 KAG 1986. Dort ging der
rheinland-pfälzische Gesetzgeber bei Hausanschlüssen von einer üblichen
Nutzungsdauer von 40 Jahren aus. Für diese Auffassung spricht der Gedanke der
Rechtskontinuität und Rechtssicherheit.
cc)
Selbst wenn der Ablauf der gewöhnlichen Nutzungsdauer einer
Hausanschlussleitung allein nicht als Grund für deren Erneuerung angesehen
würde, ist die Entscheidung der Beklagten die Altleitung zu erneuern, mit Blick
auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls rechtlich nicht zu beanstanden.
Denn die Beklagte hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Erneuerung
jedenfalls der über 50 Jahre alten Hausanschlussleitung vertretbar erscheint.
Denn deren Anschluss an die neuverlegte Polypropylen-Leitung war
materialbedingt nicht mehr ohne Zusatzaufwand möglich. Zudem war die alte
Leitung teilweise mit 100 DN nicht hinreichend dimensioniert. Außerdem
erneuerte die Beklagte 2016 nicht nur die Hausanschlussleitungen, sondern
führte ihre bisher nur bis zum südwestlichen Bereich der Fnr. .../62 reichende
Kanalleitung bis zum Grundstück des Klägers fort. Sie versetzte zudem den
Abwasserstutzen von der Fnr. .../62 weg in den östlichen Bereich auf Höhe des
klägerischen Grundstücks. Zugleich erfolgte auch noch der Ausbau der
Verkehrsanlage "Im F.". Gerade im Ausbaubeitragsrecht ist anerkannt,
dass der Straßenbaulastträger Kanalarbeiten zum Anlass nehmen kann, bei Ablauf
der Nutzungsdauer der Verkehrsanlage diese zeitgleich mit den Leitungsarbeiten
auszubauen (OVG RP, Urteil vom 11. Mai 2020 – 6 A 11143/19.OVG –;
Beschluss vom 23. Juni 2010 – 6 A 10399/10.OVG –; Urteil vom 14. März 2008 – 6 A
11227/08.OVG –;
Beschluss vom 25. Februar 2000 – 6 B 10257/00.OVG –; Urteil vom 13. Oktober 1992 – 6 A
12299/91.OVG –).
Diese Erwägung gilt freilich auch im umgekehrten Fall der Kombination von
Leitungs- und Straßenbauarbeiten. Demnach ist nicht zu beanstanden, wenn die
Beklagte zur Vermeidung erneuter Ausschachtungs- und Leitungsarbeiten, bei
Gelegenheit der Straßenausbauarbeiten und der Verlängerung und Umplanung ihrer
Kanalleitung, in der Straße "Im F." jedenfalls die
Hausanschlussleitungen erneuert, die ein fortgeschrittenes Alter (hier über 50
Jahre) erreicht hatten, nicht hinreichend dimensioniert waren und aufgrund
unterschiedlicher Materialien nicht mit normalem Aufwand an die Kanalleitung
angeschlossen werden konnten. Zuletzt ist die Erneuerungsentscheidung der
Beklagten auch deshalb nicht zu beanstanden, weil eine von den Voreigentümern
des klägerischen Grundstücks im öffentlichen Verkehrsraum verlegte
Dachentwässerungsleitung eine Leckage ausgewiesen hatte, die 2006 zur
Ausspülung und Absenkung der Straßenfläche geführt hatte. Der Kläger hatte dies
auf ein Befahren der Straße durch einen Tanklastwagen zurückgeführt. Vor diesem
Hintergrund war es nicht sachwidrig, die 17 m lange Leitung anlässlich der
geschilderten umfangreichen Arbeiten an der Kanalisation und an der
Verkehrsfläche zu erneuern, bevor auch diese Leckagen aufweist.
Damit
bleibt festzuhalten, dass mit Blick auf die Besonderheiten des vorliegenden
Falls die Beklagte nicht verpflichtet war, mit der Erneuerung der
Anschlussleitung zuzuwarten, bis diese nicht mehr funktionstüchtig wird.
dd)
Der Kläger kann schließlich nicht mit Erfolg darauf verweisen, seine
Hausanschlussleitung sei bereits im Jahr 2006 erneuert worden, womit eine
Erneuerung im Jahr 2016 nicht erforderlich gewesen sei. Hierbei verkennt der
Kläger, dass Gegenstand der Reparaturarbeiten im Jahr 2006 –
ausweislich der Rechnung der Firma Faust vom 14. September 2006 – nicht der
2016 erneuerte Hausanschluss, sondern eine weitere – wohl von den Voreigentümern
verlegte –
Leitung war, die der Fortleitung des von den Dachflächen abfließenden
Niederschlagswassers diente. Diese weitere Leitung wurde zudem nur auf einer
Länge von 1 m repariert und damit nicht erneuert.
5)
Sollte die ursprüngliche Hausanschlussleitung nicht von der Beklagten, sondern
von den Grundstückseigentümern auf deren Kosten verlegt worden sein, ist dies
im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Erstattungspflicht unerheblich.
KAG und ESA sehen nämlich einen Aufwendungsersatz des Grundstückseigentümers
nicht nur für die Erneuerung, sondern auch für die Herstellung von
Grundstücksanschlüssen vor (VG NW, Urteil vom 9. Februar 2017, a.a.O.). Sollte
die 17 m lange Leitung also nicht als Hausanschlussleitung verlegt und
genehmigt gewesen sein, läge in diesem Fall im Jahr 2016 eine erste Herstellung
einer Hausanschlussleitung vor, die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 16
Abs. 10 Satz 2 AES i.V.m. §§ 1 Abs. 5a und 19 Abs. 1 Nr. 2a ESA ebenfalls den
hier streitigen Erstattungsanspruch begründet.
6)
Schließlich begegnet auch die Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzes
keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Der
Erstattungsanspruch des § 13 Abs. 1 Satz 1 KAG stellt einen
öffentlich-rechtlichen Anspruch eigener Art dar, der in der Sache mit dem
Aufwendungsersatzanspruch eines auftragslosen Geschäftsführers gemäß §§ 683,
670 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – vergleichbar ist. Diese Bestimmungen sind
daher auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch mit Einschränkungen
entsprechend anwendbar. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet den
Geschäftsherrn nach § 670 BGB (nur) zum Ersatz solcher Aufwendungen, die der
Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Diese
Begrenzung der Erstattungspflicht durch das Merkmal der Erforderlichkeit ist
nicht gleichbedeutend mit dem beitragsrechtlichen Grundsatz, dass nur der
erforderliche Aufwand beitragsfähig ist. Wenngleich im
Erschließungsbeitragsrecht der Gemeinde bei der Beurteilung der Angemessenheit
von Kosten ein weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt wird, der durch die
Erforderlichkeit begrenzt wird, und ein solcher auch im Ausbaubeitragsrecht
anerkannt ist, gilt dies nicht in gleicher Weise für Aufwendungen, die der
Geschäftsführer in analoger Anwendung des § 670 BGB den Umständen nach für
erforderlich halten darf. Denn die Erstattungspflicht des
Grundstückseigentümers für einen Hausanschluss unterscheidet sich in
wesentlicher Hinsicht von der Erhebung von Beiträgen. Während die
letztgenannten errechnet werden, indem man den beitragsfähigen Aufwand nach
einem vorteilsorientierten Maßstab verteilt, bedeutet Erstattung von
Aufwendungen, dass die Kosten, die für ein bestimmtes Grundstück angefallen
sind, in der tatsächlich entstandenen Höhe ersetzt werden. Ein weiterer
Unterschied besteht darin, dass der Erstattungsanspruch – anders als der
Beitrag – nicht durch einen Gemeindeanteil gemindert wird, der erwarten lässt,
der kommunale Entscheidungsträger werde sich schon im finanziellen
(Eigen-)Interesse der Gemeinde an den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit halten. Eine solche Erwartung wird nicht in jedem Falle auch dann
bestehen, wenn von der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde verursachte
Kosten ausschließlich von den Grundstückseigentümern getragen werden müssen. Da
sich die Kosten von Baumaßnahmen, die nicht beitragsfinanziert, sondern in
vollem Umfang erstattet verlangt werden, mithin unmittelbar auf die Höhe der
Geldleistungsforderung des Herangezogenen auswirken, muss eine Kommune in einem
solchen Fall die Interessen des Erstattungspflichtigen in besonderer Weise bei
der Beurteilung der Erforderlichkeit kostenverursachender Maßnahmen
berücksichtigen (OVG RP, Urteil vom 14. Juli 2015 – 6 A 11179/14.OVG –, m.w.N.).
b)
Diesen Vorgaben wird die Höhe des hier streitigen Erstattungsanspruchs gerecht.
aa) So
hat die Beklagte, ohne dass dem der Kläger substantiiert widersprochen hat,
dargelegt, dass die Firma B. nach einer vorausgegangenen Ausschreibung das
günstigste Gesamtangebot unterbreitet hat.
bb)
Weiter hat der Stadtrechtsausschuss der Beklagten in seinem
Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2019 überzeugend ausgeführt, weshalb für
jede Anschlussstelle Absperrkosten i.H.v. 165 € in Ansatz gekommen sind.
Hierauf kann gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen werden.
cc)
Auch besteht keine signifikante Diskrepanz zwischen der Menge des berechneten
Aushubs und dem wieder eingebauten Füllmaterial. Beide Ansätze finden sich in
der Rechnung der Firma B. mit 2 m³.
dd)
Schließlich wurde dem Kläger auch nur der Aufwand für "seine" 5,2 m
lange Hausanschlussleitung in Rechnung gestellt.
7) Die
Heranziehung des Klägers zur Aufwandserstattung verstößt nicht gegen den
Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz). Die Beklagte hat auf den
Vorhalt des Klägers, eine Nachbarin sei nicht zur Aufwandserstattung
herangezogen worden, im Einzelnen ausgeführt, dass deren Hausanschlussleitung
noch deutlich jünger als diejenige des Klägers gewesen sei und die
Beschaffenheit der Hausanschlussleitung der Nachbarin mit der öffentlichen
Kanalleitung kompatibel gewesen sei. Dem ist der Kläger zwar entgegengetreten.
Selbst aber, wenn bei der Nachbarin ebenfalls die Voraussetzungen für eine
Erneuerung der Hausanschlussleitung vorgelegen hätten, machte dies die
Heranziehung des Klägers zu den streitigen Aufwendungen nicht rechtswidrig.
(B)
Selbst
wenn das Gericht hier (hilfsweise) davon ausgeht, dass die in den frühen
1960ern verlegte Leitung kein überlanger Hausanschluss war, ändert sich am
Ausgang des vorliegenden Verfahrens nichts. Es liegt in diesem Fall im Jahr
2016 eine erste Herstellung einer Hausanschlussleitung vor, die gemäß § 13 Abs.
1 Satz 1 KAG i.V.m. § 16 Abs. 10 Satz 2 AES i.V.m. §§ 1 Abs. 5a und 19 Abs. 1
Nr. 2a ESA ebenfalls den hier streitigen Erstattungsanspruch begründet.
Denn
qualifiziert man die damals verlegte 17 m lange Leitung als Provisorium i.S.d.
heutigen § 4 Abs. 3 AES, so verfügte das Anwesen des Klägers bis zur
Herstellung der im Jahr 2016 verlegten 5,2 m langen Hausanschlussleitung noch
über keinen ordnungsgemäßen Hausanschluss an einen öffentlichen Abwasserkanal.
Für diese Annahme spricht die Ausführung der damals verlegten Leitung mit
textilen und teerhaltigen Muffen, was als Abdichtungsmix bei einer
einheitlichen Leitung für dessen provisorische Beschaffenheit spricht. Für
diesen rechtlichen Ansatz und gegen die Annahme der Verlegung eines
öffentlichen Abwasserkanals bereits in den 1960er Jahren im maßgeblichen
Bereich sprechen ebenfalls die unter A Punkt 3 des vorliegenden Urteils niedergelegten
Erwägungen. Hinzukommt, dass die Unterhaltung, Änderung und Erneuerung des
Provisoriums dem Grundstückseigentümer obliegen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AES), was
erklärt, weshalb diese Leitung nicht als öffentliche Leitung im Bestands- und
Vermögensverzeichnis der Beklagten aufgeführt war.
Schlussendlich
verweist das erkennende Gericht darauf, dass die angeführten zivilrechtlichen
Entscheidungen zur früheren Dachentwässerungsleitung des Klägers für die
öffentlich-rechtliche Bewertung der hier streitigen Maßnahme nicht verbindlich
sind (vgl. LG FT, Urteil vom 24. März 2010 – 2 S 392/09 – und AG NW, Urteil vom 28. Oktober
2009 –
4 C 374/07 –).
Die zivilgerichtlichen Urteile enthielten sich dezidiert einer
öffentlich-rechtlichen Bewertung, weil damals – anders als es die Satzungslage
eröffnete –
kein Bescheid der Beklagten gegen den Kläger ergangen war, der im
zivilgerichtlichen Verfahren u.U. hätte mitgeprüft werden müssen. Die
Rechtslage nach Haftpflichtversicherungsgesetz oder nach den Bestimmungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches ist dabei, anders als vor den Zivilgerichten,
vorliegend nicht maßgeblich, sondern allein die Vorgaben des § 13 Abs. 1 KAG
und die mehrfach zitierten satzungsrechtlichen Bestimmungen.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den
§§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
1.730,91 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).